Fiskus greift nach Spekulanten
Spätestens bei der Steuererklärung für dieses Jahr müssen Börsianer Farbe bekennen, wenn es um ihre Gewinne aus Aktiengeschäften geht. Neue Formulare aus dem Haus des Bundesfinanzministers zwingen jeden Steuerzahler, seine sonstigen Einkünfte – dazu zählen auch Spekulationsgewinne – entweder ordentlich aufzulisten oder aber ausdrücklich zu versichern, weniger als 1000 Mark Gewinn gemacht zu haben.
Finanzminister Hans Eichel meint es ernst mit den Spekulanten. Vorbei die Zeit, Kursgewinne in der Steuererklärung einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Der Talfahrt an den Börsen können Anleger aber wenigstens einen Vorteil abgewinnen: Statt weiter auf die Herbstrally zu hoffen, kann es sich lohnen, den einen oder anderen innerhalb der vergangenen zwölf Monate angeschafften Wert mit Verlust abzustoßen. Die so produzierten roten Zahlen können Anleger mit ihren Spekulationsgewinnen verrechnen.
Denn der Fiskus macht nicht nur mit dem neuen Steuerformular mächtig Druck auf Spekulanten. Die Beamten wollen sich nicht länger Milliardenbeträge pro Jahr durch die Lappen gehen lassen. Verschärfte Meldepflichten der Banken über die Kapitalerträge ihrer Kunden, die Rückschlüsse auf Spekulationsgewinne zulassen, und neue Regeln für Betriebsprüfer, die jetzt bei Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern Kontrollmitteilungen über deren Mandanten verschicken können, sind nur zwei Alarmsignale, die eindeutig die Marschrichtung der Finanzbeamten in Richtung Spekulationsgewinne aufzeigen (WirtschaftsWoche 35/2000).
Börsianer müssen sich gut überlegen, ob sie das Risiko, als Steuerschummler aufzufliegen, weiter eingehen wollen. Denn eines steht fest: Wenn sie im Steuerformular „Spekulationsgewinne unter 1000 Mark“ ankreuzen, und dies auch noch mit ihrer Unterschrift bestätigen, obwohl sie eindeutig über der Grenze liegen, machen sie sich bereits der versuchten Steuerhinterziehung strafbar. Werden sie überführt, kommt es auf die Höhe der dem Fiskus entgangenen Steuern an: Kleine Sünder kommen oft noch glimpflich mit sechs Prozent Hinterziehungszinsen und einer Geldbuße davon, bei höheren Summen ist zusätzlich eine Geldstrafe fällig oder droht gar eine Freiheitsstrafe .
Bisher ist die Gefahr der Entdeckung gering. Die Finanzämter sind chronisch unterbesetzt und haben Mühe, die Steuererklärungen einigermaßen zeitnah zu erledigen. Um die Aktenberge nicht zu groß werden zu lassen, legen sie Jahr für Jahr so genannte Veranlagungsschwerpunkte fest, die sie genauer prüfen. Hier droht jetzt akute Gefahr: „Es gibt Überlegungen, den Schwerpunkt im kommenden Jahr verstärkt auf die Spekulationsgewinne zu lenken“, warnt Dieter Ondracek, Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft.
Das heißt im Klartext: Die Beamten werden bei der Steuererklärung für 2000 nicht nur die neue Anlage SO besonders penibel prüfen, sondern auch Ungereimtheiten in der Anlage KSO für Kapitalerträge genauer nachgehen. Wer etwa 1999 Dividenden aus Siemens-Aktien versteuert hat, die in diesem Jahr fehlen, weil er die Anteile inzwischen verkauft hat, muss mit Fragen zum Verbleib der Papiere und etwaigen Kursgewinnen rechnen.
as ist noch nicht alles. Die Finanzverwaltung will in Zukunft gezielt Sammelauskunftsersuchen an die Banken richten, weiß Peter Bilsdorfer, Richter am Finanzgericht Saarbrücken, aus Behördenkreisen. Bei diesem Verfahren wird ein bestimmter Sachverhalt, etwa eine Neuemission, zum Anhaltspunkt genommen, um bei der Bank ganz gezielt nach Spekulationsgewinnen zu fragen. Beispiel Infineon: Die Finanzbeamten könnten bei der Bank nach den Namen aller Anleger fragen, die Aktien zugeteilt bekommen und innerhalb eines Jahres mit Gewinn wieder verkauft haben. Solche Sammelauskünfte sind nach einem Urteil des Finanzgerichts Münster (6 K 5022/99 S) trotz Bankgeheimnis zulässig.
Dass die Beamten noch einen Schritt weiter gehen und gezielt nach dem Inhalt einzelner Depots fragen, hält Bilsdorfer allerdings für ausgeschlossen „Der Aufwand ist für die Verwaltung viel zu groß.“
Wer gar nicht erst ins Fadenkreuz der Fahnder geraten will, sollte seinen Depotbestand genau unter die Lupe nehmen. Durch legale Tricks lassen sich die Spekulationsgewinne oft bis auf Null drücken – und der Fiskus geht leer aus:
Verluste produzieren
Wer Wertpapiere binnen zwölf Monaten mit Verlust verkauft, drückt damit nicht nur die zu versteuernden Spekulationsgewinne. Anleger, die damit unter die kritische 1000-Mark-Grenze rutschen, kassieren den gesamten verbleibenden Gewinn steuerfrei. Übersteigen die Verluste am Ende sogar die schwarzen Zahlen, können sie mit im Vorjahr versteuerten Spekulationsgewinnen verrechnet oder für künftige Spekulationsgewinne aufgespart werden.
Wer seinen Aktien längerfristig gute Chancen einräumt und die Kurslawine an den Märkten eigentlich aussitzen wollte, kann nach dem Verkauf natürlich wieder einsteigen – vielleicht mit der Absicht, das Papier dann länger als ein Jahr zu halten, um erhoffte Gewinne dann steuerfrei einzustreichen. Aber Achtung: Zwischen dem Verkauf und dem Wiedereinstieg in dieselbe Aktie sollten einige Tage verstreichen, bis eine Kaufempfehlung oder positive Unternehmensnachricht bekannt wird. Denn andernfalls wittert der Finanzbeamte steuerlichen Gestaltungsmissbrauch – und setzt den Rotstift an.
Freistellungsaufträge optimieren
Börsianer, die nicht zum gläsernen Steuerbürger werden wollen, können durch einen kleinen Trick verhindern, dass der Fiskus von ihren Aktien erfährt: Sie verteilen ihr Freistellungsvolumen von 3100 Mark für Ledige oder 6200 Mark für Verheiratete möglichst auf ein Depot, das nur Zinspapiere enthält. Auf dem Aktiendepot wird keine Freistellung genutzt, sondern die Bank überweist die Abschlagsteuer anonym an den Fiskus. Vorteil: Dem Bundesamt für Finanzen werden von 2002 an Dividenden und Zinsen, die ein Anleger dank Freistellung steuerfrei kassiert hat, getrennt gemeldet. Erfahren die Bonner nichts von den Dividenden, schickt das Amt auch keine Kontrollmitteilungen und das Finanzamt kann keine Rückschlüsse auf Spekulationsgewinne ziehen. Das ändert allerdings nichts daran, dass Anleger verpflichtet sind, Dividenden und Spekulationsgewinne zu versteuern.
Mehrere Depots
Steuervorteile kann es bringen, wenn der Anleger Aktien ein und desselben Unternehmens, die er zu unterschiedlichen Terminen und Kursen gekauft hat, auf mehrere Depots verteilt. Der Grund: Verkauft er Anteile, ermitteln die Beamten den steuerpflichtigen Spekulationsgewinn auf der Grundlage des Durchschnittskaufkurses sämtlicher innerhalb der einjährigen Frist angeschafften Aktien, die im Depot liegen (WirtschaftsWoche 30/2000). Wer etwa Intershop-Aktien auf verschiedene Wertpapierkonten verteilt hat, kann ausrechnen, aus welchem Depot er Anteile verkaufen muss, damit der Gewinn möglichst niedrig ausfällt. Mehrere Depots erhöhen allerdings die Kosten für die Verwaltung.
„Andere Wirtschaftsgüter“ absetzen
Viele Anleger wissen nicht, dass sie auch Spekulationsverluste aus „anderen Wirtschaftsgütern“ steuerlich geltend machen können. „Damit ist jedes Wirtschaftsgut gemeint, das der Anleger in seinem Privatvermögen hält“, sagt Steuerexpertin Elke Pedack aus dem Bundesfinanzministerium. Wer sich beispielsweise einen Neuwagen zugelegt hat und ihn innerhalb eines Jahres mit Verlust wieder verkauft, kann die roten Zahlen – nach Abzug der anteiligen Abschreibung – mit seinen Spekulationsgewinnen aus Aktiengeschäften verrechnen. Bleiben nach dem Ausgleich noch Verluste übrig, können sie mit im Vorjahr versteuerten Spekulationsgewinnen verrechnet oder für künftige Spekulationsgewinne aufgespart werden. Unter „andere Wirtschaftsgüter“ kann alles Mögliche fallen: Die Spanne reicht vom Rennpferd bis zum antiken Sofa.
WirtschaftsWoche heute, 26.10.2000 10.27 Uhr
bye Peet
Spätestens bei der Steuererklärung für dieses Jahr müssen Börsianer Farbe bekennen, wenn es um ihre Gewinne aus Aktiengeschäften geht. Neue Formulare aus dem Haus des Bundesfinanzministers zwingen jeden Steuerzahler, seine sonstigen Einkünfte – dazu zählen auch Spekulationsgewinne – entweder ordentlich aufzulisten oder aber ausdrücklich zu versichern, weniger als 1000 Mark Gewinn gemacht zu haben.
Finanzminister Hans Eichel meint es ernst mit den Spekulanten. Vorbei die Zeit, Kursgewinne in der Steuererklärung einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Der Talfahrt an den Börsen können Anleger aber wenigstens einen Vorteil abgewinnen: Statt weiter auf die Herbstrally zu hoffen, kann es sich lohnen, den einen oder anderen innerhalb der vergangenen zwölf Monate angeschafften Wert mit Verlust abzustoßen. Die so produzierten roten Zahlen können Anleger mit ihren Spekulationsgewinnen verrechnen.
Denn der Fiskus macht nicht nur mit dem neuen Steuerformular mächtig Druck auf Spekulanten. Die Beamten wollen sich nicht länger Milliardenbeträge pro Jahr durch die Lappen gehen lassen. Verschärfte Meldepflichten der Banken über die Kapitalerträge ihrer Kunden, die Rückschlüsse auf Spekulationsgewinne zulassen, und neue Regeln für Betriebsprüfer, die jetzt bei Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern Kontrollmitteilungen über deren Mandanten verschicken können, sind nur zwei Alarmsignale, die eindeutig die Marschrichtung der Finanzbeamten in Richtung Spekulationsgewinne aufzeigen (WirtschaftsWoche 35/2000).
Börsianer müssen sich gut überlegen, ob sie das Risiko, als Steuerschummler aufzufliegen, weiter eingehen wollen. Denn eines steht fest: Wenn sie im Steuerformular „Spekulationsgewinne unter 1000 Mark“ ankreuzen, und dies auch noch mit ihrer Unterschrift bestätigen, obwohl sie eindeutig über der Grenze liegen, machen sie sich bereits der versuchten Steuerhinterziehung strafbar. Werden sie überführt, kommt es auf die Höhe der dem Fiskus entgangenen Steuern an: Kleine Sünder kommen oft noch glimpflich mit sechs Prozent Hinterziehungszinsen und einer Geldbuße davon, bei höheren Summen ist zusätzlich eine Geldstrafe fällig oder droht gar eine Freiheitsstrafe .
Bisher ist die Gefahr der Entdeckung gering. Die Finanzämter sind chronisch unterbesetzt und haben Mühe, die Steuererklärungen einigermaßen zeitnah zu erledigen. Um die Aktenberge nicht zu groß werden zu lassen, legen sie Jahr für Jahr so genannte Veranlagungsschwerpunkte fest, die sie genauer prüfen. Hier droht jetzt akute Gefahr: „Es gibt Überlegungen, den Schwerpunkt im kommenden Jahr verstärkt auf die Spekulationsgewinne zu lenken“, warnt Dieter Ondracek, Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft.
Das heißt im Klartext: Die Beamten werden bei der Steuererklärung für 2000 nicht nur die neue Anlage SO besonders penibel prüfen, sondern auch Ungereimtheiten in der Anlage KSO für Kapitalerträge genauer nachgehen. Wer etwa 1999 Dividenden aus Siemens-Aktien versteuert hat, die in diesem Jahr fehlen, weil er die Anteile inzwischen verkauft hat, muss mit Fragen zum Verbleib der Papiere und etwaigen Kursgewinnen rechnen.
as ist noch nicht alles. Die Finanzverwaltung will in Zukunft gezielt Sammelauskunftsersuchen an die Banken richten, weiß Peter Bilsdorfer, Richter am Finanzgericht Saarbrücken, aus Behördenkreisen. Bei diesem Verfahren wird ein bestimmter Sachverhalt, etwa eine Neuemission, zum Anhaltspunkt genommen, um bei der Bank ganz gezielt nach Spekulationsgewinnen zu fragen. Beispiel Infineon: Die Finanzbeamten könnten bei der Bank nach den Namen aller Anleger fragen, die Aktien zugeteilt bekommen und innerhalb eines Jahres mit Gewinn wieder verkauft haben. Solche Sammelauskünfte sind nach einem Urteil des Finanzgerichts Münster (6 K 5022/99 S) trotz Bankgeheimnis zulässig.
Dass die Beamten noch einen Schritt weiter gehen und gezielt nach dem Inhalt einzelner Depots fragen, hält Bilsdorfer allerdings für ausgeschlossen „Der Aufwand ist für die Verwaltung viel zu groß.“
Wer gar nicht erst ins Fadenkreuz der Fahnder geraten will, sollte seinen Depotbestand genau unter die Lupe nehmen. Durch legale Tricks lassen sich die Spekulationsgewinne oft bis auf Null drücken – und der Fiskus geht leer aus:
Verluste produzieren
Wer Wertpapiere binnen zwölf Monaten mit Verlust verkauft, drückt damit nicht nur die zu versteuernden Spekulationsgewinne. Anleger, die damit unter die kritische 1000-Mark-Grenze rutschen, kassieren den gesamten verbleibenden Gewinn steuerfrei. Übersteigen die Verluste am Ende sogar die schwarzen Zahlen, können sie mit im Vorjahr versteuerten Spekulationsgewinnen verrechnet oder für künftige Spekulationsgewinne aufgespart werden.
Wer seinen Aktien längerfristig gute Chancen einräumt und die Kurslawine an den Märkten eigentlich aussitzen wollte, kann nach dem Verkauf natürlich wieder einsteigen – vielleicht mit der Absicht, das Papier dann länger als ein Jahr zu halten, um erhoffte Gewinne dann steuerfrei einzustreichen. Aber Achtung: Zwischen dem Verkauf und dem Wiedereinstieg in dieselbe Aktie sollten einige Tage verstreichen, bis eine Kaufempfehlung oder positive Unternehmensnachricht bekannt wird. Denn andernfalls wittert der Finanzbeamte steuerlichen Gestaltungsmissbrauch – und setzt den Rotstift an.
Freistellungsaufträge optimieren
Börsianer, die nicht zum gläsernen Steuerbürger werden wollen, können durch einen kleinen Trick verhindern, dass der Fiskus von ihren Aktien erfährt: Sie verteilen ihr Freistellungsvolumen von 3100 Mark für Ledige oder 6200 Mark für Verheiratete möglichst auf ein Depot, das nur Zinspapiere enthält. Auf dem Aktiendepot wird keine Freistellung genutzt, sondern die Bank überweist die Abschlagsteuer anonym an den Fiskus. Vorteil: Dem Bundesamt für Finanzen werden von 2002 an Dividenden und Zinsen, die ein Anleger dank Freistellung steuerfrei kassiert hat, getrennt gemeldet. Erfahren die Bonner nichts von den Dividenden, schickt das Amt auch keine Kontrollmitteilungen und das Finanzamt kann keine Rückschlüsse auf Spekulationsgewinne ziehen. Das ändert allerdings nichts daran, dass Anleger verpflichtet sind, Dividenden und Spekulationsgewinne zu versteuern.
Mehrere Depots
Steuervorteile kann es bringen, wenn der Anleger Aktien ein und desselben Unternehmens, die er zu unterschiedlichen Terminen und Kursen gekauft hat, auf mehrere Depots verteilt. Der Grund: Verkauft er Anteile, ermitteln die Beamten den steuerpflichtigen Spekulationsgewinn auf der Grundlage des Durchschnittskaufkurses sämtlicher innerhalb der einjährigen Frist angeschafften Aktien, die im Depot liegen (WirtschaftsWoche 30/2000). Wer etwa Intershop-Aktien auf verschiedene Wertpapierkonten verteilt hat, kann ausrechnen, aus welchem Depot er Anteile verkaufen muss, damit der Gewinn möglichst niedrig ausfällt. Mehrere Depots erhöhen allerdings die Kosten für die Verwaltung.
„Andere Wirtschaftsgüter“ absetzen
Viele Anleger wissen nicht, dass sie auch Spekulationsverluste aus „anderen Wirtschaftsgütern“ steuerlich geltend machen können. „Damit ist jedes Wirtschaftsgut gemeint, das der Anleger in seinem Privatvermögen hält“, sagt Steuerexpertin Elke Pedack aus dem Bundesfinanzministerium. Wer sich beispielsweise einen Neuwagen zugelegt hat und ihn innerhalb eines Jahres mit Verlust wieder verkauft, kann die roten Zahlen – nach Abzug der anteiligen Abschreibung – mit seinen Spekulationsgewinnen aus Aktiengeschäften verrechnen. Bleiben nach dem Ausgleich noch Verluste übrig, können sie mit im Vorjahr versteuerten Spekulationsgewinnen verrechnet oder für künftige Spekulationsgewinne aufgespart werden. Unter „andere Wirtschaftsgüter“ kann alles Mögliche fallen: Die Spanne reicht vom Rennpferd bis zum antiken Sofa.
WirtschaftsWoche heute, 26.10.2000 10.27 Uhr
bye Peet