Von Holger Nacken, Handelsblatt
Rund 40 Institute konkurrieren derzeit am deutschen Markt für Optionsscheine und Zertifikate – zu viele, glauben Experten. Die Mehrheit der Institute werde demnächst die Segel streichen oder das Engagement extrem zurückfahren. Wer am Markt bestehen will, muss viel Geld für Marketing und Service ausgeben.
DÜSSELDORF. Die aktuelle Marktstatistik für Februar spricht eine klare Sprache: Die fünf größten Emittenten am deutschen Markt für Zertifikate und Optionsscheine haben einen Anteil am Geschäft von rund 80 Prozent (siehe Grafik). Die restlichen 34 Institute müssen mit den verbleibenden 20 Prozent Vorlieb nehmen. Der Konsolidierungsprozess hat sich damit weiter verschärft: Vor einem Jahr noch lag der Anteil der fünf großen Emittenten bei 72 Prozent.
Nach Meinung von Experten wird diese Entwicklung zu einer starken Marktbereinigung führen. „Angesichts der hohen Kosten und der bescheidenen Marktanteile werden derzeit viele Vorstände nervös und prüfen, ob sie das Geschäft nicht stark herunterfahren oder ganz einstellen sollen“, sagt Branchenbeobachter Christian Röhl vom Zertifikate-Journal. „Das Jahr wird noch richtig spannend“, ist der Experte überzeugt.
Der Wettbewerb in Deutschland ist extrem hart. Neben fast allen namhaften in- und ausländischen Instituten kämpfen auch exotischere Häuser wie die australische Macquarie Bank um die Gunst der Investoren. Marktführer ist die Deutsche Bank. Auf den weiteren Plätzen folgen die aus den Niederlanden stammende ABN Amro und die Citibank.
Das Interesse der Institute ist verständlich: Deutschland gilt weltweit als wichtigster Markt im Geschäft mit Optionsscheinen und anderen Derivaten. Das Jahr 2002 war nach Angaben der Deutschen Bank mit einem Gesamtprämienvolumen von rund 112 Mrd. Euro das umsatzstärkste Jahr bislang – und das trotz Börsenflaute. Zertifikate und Optionsscheine sind von Aktien, Anleihen, Devisen, Währungen oder Rohstoffen abgeleiteten Wertpapiere, mit denen Anleger auf steigende oder fallende Kurse setzen können.
Doch die Zahl der Anbieter ist eindeutig zu hoch, glauben Experten. „Es sind nur fünf oder sechs Häuser, die mit dem Geschäft derzeit Geld verdienen“, sagt Martin Raab vom Beratungsunternehmen Custio Financial Advisors in München. „Viele sind wohl nur nur noch aus Imagegründen am Markt.“ Die Frage sei, wie lange sie sich die Präsenz noch leisten könnten. Branchenexperte Röhl ergänzt: „Vor allem für die Häuser mit kleinem Marktanteil wird es eng.“
Selbst so renommierte Häuser wie die US-Investmentbank JP Morgan bringen es mittlerweile gerade einmal auf einen Anteil von 0,03 Prozent. Bei einigen Instituten wie beispielsweise der italienischen Unicredito findet noch weniger Handel statt. Einige Häuser haben bereits aus ihrem Nischendasein die Konsequenzen gezogen: Die französische Crédit Lyonnais ist mehr oder weniger aus dem Markt ausgestiegen, JP Morgan handelt an der Börse nur noch bis 17.30 Uhr statt 20 Uhr und hat die Zahl der Händler reduziert. BNP Paribas verlagerte Anfang des Jahres Handel, Vertrieb und Backoffice von Frankfurt in das Heimatland Frankreich – „aus Kostengründen“, wie BNP-Sprecher Gregoire Toublanc erläutert. Wegen vorübergehender Pausen in der Emissionstätigkeit kursierte in der Branche bereits das Gerücht, das Institut stelle seine Deutschland-Aktivitäten ein, was die BNP freilich dementiert: „Wir ziehen uns keinesfalls zurück, sondern waren nur umzugsbedingt weniger aktiv.“ Mit kleinerer Mannschaft, einer neuen Website und frischen Papieren will das Haus wieder auf Kundenjagd gehen.
Vor allem der Aufwand im Service und Marketingbereich ist für die Institute hoch. Wer im deutschen Markt für Retail-Derivate Erfolg haben will, braucht ein umfangreiches Angebot: Hotlines,Videotextinformation, Internetauftritt mit sich selbst aktualisierenden Echtzeitkursen, bundesweite Seminare und aufwendig gestaltete Kundenmagazine gehören zum Standard. „Vor allem die führenden Häuser investieren hier eine Menge und bauen ihre Marktanteile aus“, sagt Dieter Lendle, Berater der Stuttgarter Optionsscheinbörse Euwax. „Ich bin mir aber nicht sicher, ob so manche Häuser letztlich nicht Geld dabei zuschießen müssen“. In eine ähnliche Richtung äußert sich Claudia Basile von Unicredito: „Unser Umsatz ist zwar gering, aber echt. Wir wollen uns keinen Marktanteil durch aufwendige Vermarktungsmaßnahmen erkaufen.“
Für Unruhe in der Branche sorgt zudem der Siegeszug der gehebelten Zertifikate („Turbo-Zertifikate“). Diese zunächst von ABN Amro auf den Markt gebrachten Papiere gelten als ernsthafte Konkurrenz zu den lange dominierenden Optionsscheinen: Von den Kunden wurden die Papiere wegen ihrer einfacheren Funktionsweise mit Kusshand angenommen – andere Emittenten mussten nachziehen. Wegen ihrer fehlenden Volatitlitätskomponente gelten die Turbos allerdings als Margenarm.
Erschwerend für die Emittenten kommt das Marktumfeld hinzu. Angesichts der Dauer-Baisse an der Börse haben sich die meisten Privatanleger von Optionsscheinen komplett zurückgezogen. Wer jetzt noch handelt, betreibt das Geschäft oft semi-professionell. Für die Banken wird es dabei schwieriger, im geschickten Handel mit den heißen Scheinen Profite zu erwirtschaften – denn auf der Gegenseite sitzt oft genug ein Ex-Kollege. „Mittlerweile gibt es ja genügend arbeitslose Händler und die wissen, wo der Hase läuft“, sagt ein Branchen-Kenner.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 06. März 2003, 07:58 Uhr
Rund 40 Institute konkurrieren derzeit am deutschen Markt für Optionsscheine und Zertifikate – zu viele, glauben Experten. Die Mehrheit der Institute werde demnächst die Segel streichen oder das Engagement extrem zurückfahren. Wer am Markt bestehen will, muss viel Geld für Marketing und Service ausgeben.
DÜSSELDORF. Die aktuelle Marktstatistik für Februar spricht eine klare Sprache: Die fünf größten Emittenten am deutschen Markt für Zertifikate und Optionsscheine haben einen Anteil am Geschäft von rund 80 Prozent (siehe Grafik). Die restlichen 34 Institute müssen mit den verbleibenden 20 Prozent Vorlieb nehmen. Der Konsolidierungsprozess hat sich damit weiter verschärft: Vor einem Jahr noch lag der Anteil der fünf großen Emittenten bei 72 Prozent.
Nach Meinung von Experten wird diese Entwicklung zu einer starken Marktbereinigung führen. „Angesichts der hohen Kosten und der bescheidenen Marktanteile werden derzeit viele Vorstände nervös und prüfen, ob sie das Geschäft nicht stark herunterfahren oder ganz einstellen sollen“, sagt Branchenbeobachter Christian Röhl vom Zertifikate-Journal. „Das Jahr wird noch richtig spannend“, ist der Experte überzeugt.
Der Wettbewerb in Deutschland ist extrem hart. Neben fast allen namhaften in- und ausländischen Instituten kämpfen auch exotischere Häuser wie die australische Macquarie Bank um die Gunst der Investoren. Marktführer ist die Deutsche Bank. Auf den weiteren Plätzen folgen die aus den Niederlanden stammende ABN Amro und die Citibank.
Das Interesse der Institute ist verständlich: Deutschland gilt weltweit als wichtigster Markt im Geschäft mit Optionsscheinen und anderen Derivaten. Das Jahr 2002 war nach Angaben der Deutschen Bank mit einem Gesamtprämienvolumen von rund 112 Mrd. Euro das umsatzstärkste Jahr bislang – und das trotz Börsenflaute. Zertifikate und Optionsscheine sind von Aktien, Anleihen, Devisen, Währungen oder Rohstoffen abgeleiteten Wertpapiere, mit denen Anleger auf steigende oder fallende Kurse setzen können.
Doch die Zahl der Anbieter ist eindeutig zu hoch, glauben Experten. „Es sind nur fünf oder sechs Häuser, die mit dem Geschäft derzeit Geld verdienen“, sagt Martin Raab vom Beratungsunternehmen Custio Financial Advisors in München. „Viele sind wohl nur nur noch aus Imagegründen am Markt.“ Die Frage sei, wie lange sie sich die Präsenz noch leisten könnten. Branchenexperte Röhl ergänzt: „Vor allem für die Häuser mit kleinem Marktanteil wird es eng.“
Selbst so renommierte Häuser wie die US-Investmentbank JP Morgan bringen es mittlerweile gerade einmal auf einen Anteil von 0,03 Prozent. Bei einigen Instituten wie beispielsweise der italienischen Unicredito findet noch weniger Handel statt. Einige Häuser haben bereits aus ihrem Nischendasein die Konsequenzen gezogen: Die französische Crédit Lyonnais ist mehr oder weniger aus dem Markt ausgestiegen, JP Morgan handelt an der Börse nur noch bis 17.30 Uhr statt 20 Uhr und hat die Zahl der Händler reduziert. BNP Paribas verlagerte Anfang des Jahres Handel, Vertrieb und Backoffice von Frankfurt in das Heimatland Frankreich – „aus Kostengründen“, wie BNP-Sprecher Gregoire Toublanc erläutert. Wegen vorübergehender Pausen in der Emissionstätigkeit kursierte in der Branche bereits das Gerücht, das Institut stelle seine Deutschland-Aktivitäten ein, was die BNP freilich dementiert: „Wir ziehen uns keinesfalls zurück, sondern waren nur umzugsbedingt weniger aktiv.“ Mit kleinerer Mannschaft, einer neuen Website und frischen Papieren will das Haus wieder auf Kundenjagd gehen.
Vor allem der Aufwand im Service und Marketingbereich ist für die Institute hoch. Wer im deutschen Markt für Retail-Derivate Erfolg haben will, braucht ein umfangreiches Angebot: Hotlines,Videotextinformation, Internetauftritt mit sich selbst aktualisierenden Echtzeitkursen, bundesweite Seminare und aufwendig gestaltete Kundenmagazine gehören zum Standard. „Vor allem die führenden Häuser investieren hier eine Menge und bauen ihre Marktanteile aus“, sagt Dieter Lendle, Berater der Stuttgarter Optionsscheinbörse Euwax. „Ich bin mir aber nicht sicher, ob so manche Häuser letztlich nicht Geld dabei zuschießen müssen“. In eine ähnliche Richtung äußert sich Claudia Basile von Unicredito: „Unser Umsatz ist zwar gering, aber echt. Wir wollen uns keinen Marktanteil durch aufwendige Vermarktungsmaßnahmen erkaufen.“
Für Unruhe in der Branche sorgt zudem der Siegeszug der gehebelten Zertifikate („Turbo-Zertifikate“). Diese zunächst von ABN Amro auf den Markt gebrachten Papiere gelten als ernsthafte Konkurrenz zu den lange dominierenden Optionsscheinen: Von den Kunden wurden die Papiere wegen ihrer einfacheren Funktionsweise mit Kusshand angenommen – andere Emittenten mussten nachziehen. Wegen ihrer fehlenden Volatitlitätskomponente gelten die Turbos allerdings als Margenarm.
Erschwerend für die Emittenten kommt das Marktumfeld hinzu. Angesichts der Dauer-Baisse an der Börse haben sich die meisten Privatanleger von Optionsscheinen komplett zurückgezogen. Wer jetzt noch handelt, betreibt das Geschäft oft semi-professionell. Für die Banken wird es dabei schwieriger, im geschickten Handel mit den heißen Scheinen Profite zu erwirtschaften – denn auf der Gegenseite sitzt oft genug ein Ex-Kollege. „Mittlerweile gibt es ja genügend arbeitslose Händler und die wissen, wo der Hase läuft“, sagt ein Branchen-Kenner.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 06. März 2003, 07:58 Uhr