Erderwärmung durch Geldmarktenpässe

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Libuda:

Erderwärmung durch Geldmarktenpässe

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30.09.07 10:59
und es kann sogar noch schlimmer kommen.

Thomas Fricke: Wo ist die Krise?

von Thomas Fricke

Wahrscheinlich ahnen Sie auch schon seit Längerem, dass man den Prophezeiungen von Analysten und anderen Auguren nicht immer blind folgen sollte. Derzeit sollten Sie ihnen kein Wort glauben.

Wenn Sie Spaß an gruseligen Vorhersagen haben, sind Sie derzeit gut aufgehoben. Zumindest in Finanzkreisen. Da ist von Kreditklemmen, Liquiditätskrisen, Prognoserisiken, bedrohten Aufschwüngen und drohender Rezession die Rede. Wahrscheinlich bald auch von erneuter Erderwärmung infolge von Geldmarktengpässen.

Das Bizarre daran ist, dass die Sorgen bei näherer Betrachtung in merkwürdigem Kontrast zur Löchrigkeit der Belege dafür stehen. Weil es schlimmstenfalls widersprüchliche Kenntnis darüber gibt, was gerade passiert. Was möglicherweise auch die Rasanz mancher Gruseleinlage erklärt. Ein Phänomen, das nicht nur in der aktuellen Finanzkrise auftaucht.


Chronik eines Desasters

22.8. Weltkonjunktur bedroht* +++ 28.8. Kurssturz an Börsen, Dollar fällt +++ 5.9. Banken sagen deutlich schwächeres Wachstum voraus +++ 7.9. Greenspan schließt Zinssenkung nicht mehr aus - "Inflation nicht größte Gefahr" +++ 12.9. Schlechteres Umfeld für Europa +++ 21.9. Angst vor Weltwirtschaftskrise +++ 26.9. Wall Street schockiert über Krise bei Hedge-Fonds - Dollar inzwischen unter 1,67 DM +++ 27.9. Ifo meldet Einbruch bei Geschäftserwartungen +++ 30.9. US-Notenbank senkt Zinsen +++ 1.10. Analysten rechnen nicht mit deutscher Zinssenkung +++ 2.10. Neue düstere Wirtschaftsprognosen: Auguren haben geirrt +++ 7.10. Finanzkrise belastet Gewinn der Deutschen Bank - Commerzbank nicht engagiert +++ 15.10. Angst vor Kreditklemme - Dollar mittlerweile zehn Prozent gefallen +++ 17.10. Wall Street reagiert auf neue Zinssenkung mit Kursfeuerwerk +++ 17.11. Fed senkt nochmal - Wieder Hausselaune +++ 22.12. IWF: 1999 schwächeres Wachstum +++ 1999: 19.01. US-Außendefizit schürt Angst vor schwachem Dollar - Sparquote negativ +++ 6.1. DIW erwartet nur noch 1,4 Prozent Wachstum - Neues Ifo-Tief +++ 22.1. Greenspan warnt vor überhöhten Aktienpreisen und zu kräftigem Wachstum +++ 12.4. Konjunkturerholung bringt Kursphantasie +++ 14.6. Ifo: Weltwirtschaft zieht an +++ Euro-Raum wächst 1999 mit fast drei Prozent

* Zitate aus der FAZ 1998/99


Wer derzeit Abstürze vorhersagt, weist mangels Beweis auf das Schicksal überschuldeter US-Häuslebauer, gestiegene Abstände zwischen dem Zins auf private und öffentliche Anleihen oder höhere Preise für geborgtes Geld hin. Was bei globaler Betrachtung auch nicht viel weiterhilft, da die US-Immobilienkrise selbst bei skeptischer Schätzung gerade zu einem Verlust führt, den die Deutschen in 20 Tagen erwirtschaften. Und weil die Zinsabstände nur steigen, da die Staatszinsen gesunken sind.


Höchst solide Ratlosigkeit

Wenn die angstgetriebenen Kurzfristzinsen bald wieder sinken, wird der zwischenzeitliche Anstieg kein Unternehmen ernsthaft dazu gebracht haben, auf reale Investitionen zu verzichten, die bei gestiegener Kapazitätsauslastung anstehen. Weshalb in Deutschland im vermeintlichen Krisenseptember 2007 auch zigtausend neue Jobs geschaffen wurden.

Jetzt könnten Sie sagen, fast alle Experten täten doch mittlerweile kund, dass die Sache ernst ist und wir mit realwirtschaftlichen Rückschlägen zu rechnen haben. Selbst Finanzminister, die sonst alles schönreden. Und der Internationale Währungsfonds. Oder Unternehmer und Verbraucher in einschlägigen Klimaumfragen. Wenn selbst die Notenbanken ihre Zinsen senken, müsse doch was dran sein.

Quatsch. Dann hätten wir alle paar Jahre einen Untergang, so oft, wie die Finanzmärkte von Panikschüben erfasst werden (auch wenn die aktuelle Panik relativ ausgeprägt ist).

Als 1998 die Turbulenzen um Asien, Russland und Hedge-Fonds die Finanzwelt monatelang erschütterten, gab es fast exakt die gleiche Panik wie heute: bedrohte Weltwirtschaft, abstürzende Dollar-Kurse, revidierte Prognosen, Verluste bei der Deutschen Bank (Breuer grüßt Ackermann) oder hastig gesenkte US-Leitzinsen und anschließend erleichterte Börsen (siehe oben: Chronik eines Desasters). Kommt einem irgendwie alles bekannt vor.

Und? Die Krise blieb aus - trotz Ökonomen, Notenbankern, Finanzministern und Umfragebeantwortern. Fast überall gab es 1999 stattdessen Aufschwung, im Euro-Raum sogar das höchste Wachstum seit zehn Jahren. Und die Notenbanken hoben ihre Zinsen wieder an.


Schlaue Zurückhaltung

Das zeigt zumindest eins: dass sich die Clique der Finanzversteher auch gern mal verrennt. Und das Grundphänomen könnte bei Vorliegen einer Finanzkrise sogar jeweils ähnlich sein. Wenn man als Mitarbeiter der ausgeruhten volkswirtschaftlichen Abteilung derzeit in der Kantine täglich blassen Kollegen aus dem Liquiditätsmanagment begegnet, macht man sich mit guter Laune auf Dauer nicht beliebt. Und wenn Müller und Meier von der anderen Bank schon Skepsis zeigen, will man auch nicht der Letzte sein, der die Krise erkannt hat. Da schreibt man lieber Sätze in die Prognose wie den, dass es derzeit erhebliche Abwärtsrisiken gibt. Zumal ja die Notenbank Zinssenkungen offenbar für nötig halte - obwohl sie das wahrscheinlich auch nur aus Unsicherheit tut. Wie 1998, als alles doch nicht so schlimm kam.

Könnte auch sein, dass man sich mental irgendwann einfach in der Krise fühlt, wenn man täglich von (noch so vagen) Warnungen vor weltwirtschaftlichen Abstürzen hört. Noch stehen den eifrig zitierten Krisenindizien mindestens ebenso viele entgegen, die womöglich sogar auf das Gegenteil hindeuten (auch wenn bis dahin noch ein paar Wochen Negativnews kommen, weil das Wachstum in der Tat ja nachlässt). Dazu gehören seit Wochen solide Aktienkurse, die den Unternehmen ihre Finanzierung erleichtern, oder enorme Auftragsbestände der Industrie und wachsende Personalpläne; oder hohe Ölpreise als Zeichen dynamischer Nachfrage. Eine Krise geht anders.

All das muss nicht so bleiben, und es ist natürlich tendenziell immer gut, vor Problemen zu warnen, um sie frühzeitig zu bekämpfen. Daraus eine drohende Globalkrise abzuleiten ist aber reichlich gewagt. Dazu müsste die Krisenangst eine hohe und sich selbst erfüllende Eigendynamik gewinnen, was ohnehin niemand ernsthaft versprechen kann. Erst recht nicht jetzt. Weshalb sich schlaue Prognostiker mit Festlegungen lieber zurückhalten. Solange sollten Sie denen, die Ihnen derzeit allzu großen Gruselspaß versprechen, auch nichts glauben - zumindest nicht zu viel darauf wetten. Sonst sind Sie nachher enttäuscht.

Thomas Fricke ist Chefökonom der FTD.
Mehr unter: www.ftd.de/wirtschaftswunder

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