
Hungersnot im südlichen Afrika
Von Süleyman Artiisik
Bis zu 13 Millionen Menschen sind im südlichen Afrika vom Hungertod bedroht. Die Internationale Föderation von Rotem Kreuz und Rotem Halbmond (IFRK) startet eines ihrer größten Hilfsprojekte, um dem Elend zu begegnen. Doch sie ist dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen.
Berlin - Zione ist gerade einmal drei Jahre alt. Seit einigen Tagen hat der kleine Junge aus Malawi nichts Richtiges zu essen bekommen. Auch das Krankenhaus, in dem er derzeit mit vielen anderen unterernährten Kindern untergebracht ist, kann ihm nicht genügend zu Essen bieten. Denn Nahrungsmittel in den Regionen des südlichen Afrikas sind knapp. Mutter Ludia hat schon die schlimmsten Befürchtungen. "Ich glaube nicht, dass er überlebt", sagt sie traurig.
In weiten Landstrichen essen die Menschen schon Erde, Wurzeln und Blätter, um überhaupt noch was in den Magen zu bekommen, berichten Verantwortliche von der IRFK. In Simbabwe, Malawi, Sambia, Mosambik, Lesotho und Swasiland hungern nach Schätzungen der Uno-Organisation derzeit 7,5 Millionen Menschen. Im September wird bereits mit einem Anstieg auf 11 Millionen und bis zur nächsten Ernte im März 2003 mit rund 13 Millionen vom Hungertod bedrohten Menschen gerechnet, falls keine Nahrungslieferungen helfen. "Da kommt gewaltig was auf uns zu", sagt Alfred Hasenoehrl, Koordinator der Deutschen Roten Kreuz (DRK)-Hilfsoperation im südlichen Afrika.
Die Gründe für die humanitäre Katastrophe seien Dürreperioden gefolgt von Überflutungen, die den Boden unfruchtbar gemacht haben, erklärt Hasenoehrl. Da sich die Kosten für Saatgut und Düngemittel verdreifacht haben, sei ein großer Teil der ländlichen Bevölkerung nicht mehr in der Lage, die Felder zu bestellen.
Doch nicht nur in den Klimaveränderungen sieht Hasenoehrl die Ursachen für die Hungersnot: "Missmanagement und schlechtes Regieren - besonders in Simbabwe unter Führung des Präsidenten Robert Mugabe - tragen einen großen Teil dazu bei." Der 78-jährige Präsident hat vor wenigen Wochen eine Verordnung erlassen, die fast 3000 weißen Großfarmen das Bestellen ihrer Felder und das Füttern der Tiere untersagt. Anfang August sollen sie ihre Farmen endgültig verlassen und diese entschädigungslos an die Regierung in Harare abtreten. Bei Widerstand drohen ihnen gewaltige Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften Mugabes.
Mit dieser so genannten Landreform will der Präsident schwarze Kleinbauern auf den Farmen der Weißen ansiedeln. Doch die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, das dies nicht stimmt: Statt der Kleinbauern haben vor allem Parteibonzen und andere Günstlinge Mugabes die Farmen erhalten - und produzieren dort zumeist nichts.
Zahl der HIV-Infizierten enorm hoch
Ein weiterer Grund für die drohende Hungerkatastrophe ist auch die steigende Zahl der Todesfälle unter HIV-infizierten Feldarbeitern, die für den geringen Erlös aus der diesjährigen Ernte zugerechnet werden. In manchen Gegenden der Region liege die Anzahl der Aids-Kranken bei rund 34 Prozent, heißt es in einer Erklärung der IFRK. Die durch das Virus ohnehin geschwächten Menschen seien somit bei der Nahrungsmittelsuche behindert und fielen bei Unternährung noch schneller den Folgen der Immunschwäche zum Opfer.
Bei ihrer größten Hilfsoperation seit dem Kosovo-Einsatz vor drei Jahren will die IFRK sich vor allem um Kinder und HIV-Infizierte kümmern. Sie geht davon aus, dass mindestens 750.000 der Infizierten auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind. "Sollte in den nächsten Monaten nichts passieren, so stehen wir vor der schlimmsten Hungersnot seit einem halben Jahrhundert", erklärt Hasenoehrl.
Die regionalen Rotkreuz-Gesellschaften der betroffenen Länder veranschlagen den Finanzbedarf allein für die unmittelbare Soforthilfe derzeit mit 61 Millionen Euro. Sie seien notwendig, um die Menschen in den am schlimmsten von Aids betroffenen Regionen in den kommenden neun Monaten bis zur nächsten Ernte zu versorgen. "Bis jetzt war die Reaktion der internationalen Gemeinschaft - insbesondere die der Länder, die den Lebensmittelhandel organisieren - nicht ausreichend, um den akuten Bedarf der Menschen zu decken", beklagt McBain Kanongodza, Generalsekretär des Roten Kreuzes in Malawi.
Doch die Hilfe für die Bedürftigen stößt auf große logistische Probleme, um die Gebiete in den betroffenen Ländern zu erreichen. 76.000 Tonnen Nahrungsmittel müssen in den nächsten Monaten über alle verfügbaren Häfen von Daressalem in Tansania im Osten bis Walvis Bay in Namibia im Westen auf Schienen und Straßen verfrachtet und in die Verteilungszentren in den südlichen Ländern geschafft werden. Die norwegische Regierung hat gemeinsam mit dem norwegischen Roten Kreuz rund 200 Lastwagen zur Verfügung gestellt, die in den kommenden drei Wochen in Südafrika eintreffen sollen.