Expansion hinterlässt bei EM.TV deutlich Spuren
Medienkonzern muss im zweiten Halbjahr merklich zulegen - Noch kein konsolidierter
Abschluss
Börsen-Zeitung, 25.8.2000
els München (Eig. Ber.) - Die EM.TV & Merchandising AG, Unterföhring, wirft mit ihren gestern
präsentierten Zahlen für das erste Halbjahr 2000 eine Reihe von Fragen auf.
Diese ergeben sich schon ob der Tatsache, dass kein konsolidierter Konzernabschluss vorlag,
sondern nur die Einzelergebnisse der bisherigen EM.TV und der neu
akquirierten Gesellschaften Jim Henson Company, Formel 1 und Tele München Gruppe (TMG)
präsentiert wurden. Deutlich zutage traten aber die erheblichen Belastungen,
die der Medienkonzern mit der Einkaufstour bilanziell zu schultern hat. Die EM.TV-Aktie, deren
Kurs sich nach dem Jahreshöchststand von 120 Euro in etwa halbiert hatte,
fiel gestern weiter und notierte gegen 17.15 Uhr in Xetra mit 54,95 Euro um 10,5% unter dem
Schlusskurs vom Mittwoch.
Auf addierter Basis weist die EM.TV-Gruppe in den ersten sechs Monaten einen Umsatz von
603,9 Mill. DM nach konsolidierten 204,8 Mill. DM in der Vorjahreszeit aus.
Als Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit verblieben 40,7 Mill. DM nach 147,2 Mill. DM
1999 (inklusive der Halbjahreserträge aus dem Junior-Joint-Venture mit der
Kirch-Gruppe). Damit errechnet sich eine Bruttoumsatzrendite von 6,7%. Zum Vergleich: Das
erste Halbjahr 1999 brachte eine Marge von 71,9%.
Goodwill-Abschreibungen fehlen
Nicht enthalten sind im Halbjahresergebnis 2000 die Abschreibungen auf die Firmenwerte der
Akquisitionen, die einen erheblichen Faktor für die Erfolgsrechnung
darstellen. Finanzvorstand Florian Haffa machte gegenüber der Börsen-Zeitung noch keine
Angabe zur voraussichtlichen Höhe der Goodwill-Abschreibungen in der ersten
Jahreshälfte. Die Wirtschaftsprüfer - konkret: PricewaterhouseCoopers - seien nach wie vor
dabei, eine genaue Bewertung der Rechtebestände bei Henson, Formel 1 und
TMG vorzunehmen.
Der im Umlauf befindliche Wert von 150 Mill. DM Goodwill-Abschreibungen pro Gesamtjahr
bezeichnete Haffa als "worst case". Im besten Fall könne es aber auch nur um
75 bis 100 Mill. DM gehen. Die volle Abschreibungsbelastung werde EM.TV ohnehin erst im
kommenden Jahr treffen, wenn alle Neuerwerbe erstmals ganzjährig in das
Zahlenwerk fließen. Haffa zufolge hätte der Konzern im Halbjahr auch bei Einrechnung der
Firmenwertabschreibungen nicht mit Verlust geschlossen. Andere nennenswerte
Einflussgrößen bei der Konzernkonsolidierung gebe es nicht, da kaum Innenumsätze zwischen
EM.TV und den Beteiligungen bestünden.
Der Finanzchef blieb bei der Vorhersage, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) im
Gesamtjahr 2000 auf über 600 Mill. DM zu steigern. Dieser Wert, so schränkte er
ein, verstehe sich aber ohne die Goodwill-Abschreibungen. Auf der anderen Seite ist in der
Prognose der satte außerordentliche Ertrag aus dem Verkauf der
34%-Beteiligung der TMG an dem TV-Sender TM3 enthalten, der nun vollständig in Händen vom
Rupert Murdochs News Corp. liegt. Der Buchgewinn betrug bei einem
Verkaufspreis von rund 350 Mill. DM stolze 340 Mill. DM, so dass EM.TV gemäß der
45%-Beteiligung an der TMG rund 153 Mill. DM zustehen. Den Konzernumsatz im
Jahr 2000 sieht Haffa nach wie vor bei über 1,6 Mrd. DM, wovon mindestens knapp 600 Mill. DM
auf die bisherige EM.TV entfallen sollen. Diese erreichte im Kalenderjahr
1999 Erlöse von gut 315 Mill. DM.
111 Mill. DM Nettogewinn zur Halbzeit
Nach den ersten sechs Monaten belief sich das Ebit in der gesamten EM.TV-Gruppe nur auf
158,9 Mill. DM. Das sind zwar 40% mehr als in der vergleichbaren
Vorjahresperiode (113,6 Mill. DM); gleichwohl bleibt ein gehöriger Abstand zu den
prognostizierten gut 600 Mill. DM im Gesamtjahr. Florian Haffa zufolge ist in dem
(traditionell stärkeren) zweiten Semester mit Geschäften zu rechnen, die deutlich höhere
Margen abwerfen. So habe EM.TV im ersten Halbjahr beispielsweise zwei
Boxkämpfe von Mike Tyson zu stemmen gehabt, bei denen nach Abzug der Kosten nicht allzu
viel verdient worden sei.
Ferner sind außerordentliche Aufwendungen von 66,5 Mill. DM in Rechnung zu stellen, die als
Beratungs- und Bankprovisionskosten in Verbindung mit der Akquisition und
Finanzierung von Henson und der Formel 1 anfielen. Saldiert man diesen Betrag mit dem
anteiligen Sondergewinn aus dem Verkauf der TM3-Anteile, so ergibt sich ein
positives außerordentliches Ergebnis von rund 86 Mill. DM. Zusammen mit dem Ergebnis aus
dem gewöhnlichen Geschäft von 40,7 Mill. DM errechnet sich ein
(unkonsolidierter) Ertrag vor Steuern von etwa 127 Mill. DM. EM.TV hat im ersten Halbjahr sehr
wenig Steuern bezahlt, denn der Nettogewinn der Gruppe wird auf 110,8
Mill. DM beziffert. Haffa verwies in diesem Zusammenhang auf die transaktionsbedingten
Sonderbelastungen, die in der AG die Steuer drückten, sowie auf die besondere
steuerliche Situation der TMG als KG. Im Gesamtjahr rechne man mit einer Steuerquote von 40
bis 45%.
Der bisherige EM.TV-Konzern ohne die neuen Beteiligungen erreichte von Januar bis Juni eine
Ebit-Marge von 26,5%. Der operative Gewinn wird jedoch durch das tiefrote
Finanzergebnis merklich geschmälert (vgl. Tabelle). Umsatzstärkster Bereich ist nach wie vor
mit Abstand das Geschäftsfeld TV-Rechtehandel, das mit 189,1 Mill. DM
84,8% des Umsatzes von 223,0 Mill. DM stellte. Die Anteile der Sparten Merchandising und
Consumer Products fielen mit 7,3 bzw. 7,9% bescheiden aus (keine
Vorjahreswerte genannt). Derzeit befänden sich im "EM.TV-Stammbereich" (EM.TV und Joint
Venture Junior) TV-Vertriebsverträge mit einem Volumen von rund 380 Mill.
DM in "fortgeschrittenen Verhandlungsstadien", hieß es im Halbjahresbericht.
Henson in den roten Zahlen
Bei der zu 100% gekauften Jim Henson Company müssen die neuen Eigentümer offenbar noch
kräftig aufräumen. Bereits im Juni hatte EM.TV eingeräumt, dass die Firma
von Kermit und Miss Piggy 1999 mit Verlust abgeschlossen habe. Das erste Halbjahr 2000
brachte ein rotes Ebit von 3,6 Mill. DM, das durch ein stark negatives
Beteiligungsergebnis weiter verunziert wurde. Finanzvorstand Haffa zufolge schlug hier der
anteilige Verlust des Senders Odyssey Channel zu Buche. Die Beteiligung von
22,5% an dem Kanal hat EM.TV mittlerweile gegen Anteile an der Sendergruppe Crown Media
Holdings getauscht (vgl. BZ vom 27. Juli). Damit werde das
Beteiligungsergebnis künftig deutlich entlastet, so Haffa. Zur schlechten Ertragslage bei der
US-Firma sagte er, dass diese mit der Nutzung der EM.TV-Vertriebskanäle
erst beginne. Durch die Integration werde es deutlich bessere Margen geben, das Ebit soll im
Gesamtjahr positiv sein.
Bei der zu 50% erworbenen Vermarktungsfirma für die Formel 1 sticht ein Finanzergebnis von
fast -47 Mill. DM ins Auge, das die Umsatzrendite von knapp 40% (auf Basis
Ebit) auf gut 18% (auf Basis des Ergebnisses der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit) drückt.
Haffa begründete den roten Finanzsaldo mit der Bedienung eines vor etwa zwei
Jahren emittierten Bonds über 1,4 Mrd. Dollar, der noch etwa drei Jahre Laufzeit habe. Bei der
Tele München beliefen sich die Abschreibungen mit 34,0 Mill. DM auf 67%
des Ebitda, so dass die Ebit-Marge mit 22,5% unter das Niveau der bisherigen EM.TV fiel. Im
negativen Beteiligungsergebnis schlugen sich laut Haffa die operativen
Verluste von TM3 nieder, die künftig wegfallen. Ein Halbjahresbericht auf konsolidierter Basis
werde nicht nachgereicht, sagte Haffa. Das erste konsolidierte Zahlenwerk
werde es bei EM.TV frühestens beim nächsten Quartalsabschluss geben.
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Harte Zeiten für die Aktionäre von EM.TV
Neuer-Markt-Liebling leidet unter Vertrauensverlust - Experten erwarten milliardenschwere
Belastung der Bilanz
Kermit lacht- den EM.TV-Anlegern ist es vergangen Montage: DW
Von Holger Zschäpitz
Berlin - Ein Stern am Neuen Markt sinkt. EM.TV wandelte sich in den vergangenen Wochen
vom Liebling der Anleger zu einem Darling der Hedge-Fonds, die durch
Leerverkäufe auch an fallenden Kursen verdienen können.
Tatsächlich konnten zuletzt Investoren mit EM.TV nur noch verdienen, wenn sie auf fallende
Notierungen spekulierten. Vom Höchststand Mitte Februar hat sich der Wert
mittlerweile mehr als halbiert, die Börse vernichtete insgesamt über 16 Mrd. DM an
Marktkapitalisierung. Einen regelrechten Ausverkauf verzeichnete das
Neuer-Markt-Schwergewicht nach den Halbjahreszahlen am Donnerstag. Binnen weniger
Minuten krachte die Aktie unter hohen Umsätzen um zehn Prozent in die Tiefe.
Zum Wochenschluss konnte sie sich nur ganz leicht erholen.
"Die Zahlen waren sehr gemischt", sagt Anne L. Kittell von Julius Bär. Während die Umsätze im
Rahmen der Prognosen gelegen hätten, seien die Ergebnisse etwas
schwächer als erwartet ausgefallen. Für Anleger, die bisher nur eines gewohnt waren, nämlich
ein Übertreffen der Prognosen, war dies zweifelsohne ein Schock. Einmalig
in der bisherigen EM.TV-Geschichte ist auch, dass Analysten ihre Prognosen nach unten
revidieren müssen. "Die Erfolgsgeschichte von EM.TV hat Kratzer bekommen",
sagt Michael Gierse, Fondsmanager bei Union Investment.
Bisher hatten die Gebrüder Haffa Anleger stets verwöhnt. Investoren wurden an die Côte d`Azur
oder in die Kitzbüheler Berge geladen, Hauptversammlungen gerieten zu
Happenings nach amerikanischem Stil. Zur guten Stimmung trug auch die Entwicklung der
Aktie bei, die seit der Emission im Herbst 1997 um mehr als 18 000 Prozent
kletterte. Nun müssen sich die Anleger umstellen, lasten doch gleich mehrere Probleme auf
dem Unternehmen.
"EM.TV hat noch nicht alle Akquisitionen in die Bilanz eingearbeitet. Insbesondere
Abschreibungen für den Goodwill blieben außen vor", sagt ein Fondsmanager. "Die
Übernahme der Tele München Gruppe war im letzten Jahr, Jim Henson hat man in diesem
Februar übernommen. Da war genügend Zeit", ärgert sich der Experte.
Goodwill-Abschreibungen entstehen meistens bei Übernahmen, weil die bezahlten Preise für die
akquirierten Unternehmen über dem Buchwert der Firmen liegen.
Analysten sehen auf EM.TV Abschreibungen in Höhe von 1,5 bis drei Mrd. DM zukommen, die
über 20 Jahre die Bilanz belasten. "Das Unternehmen wird neben den
Abschreibungen auf die Lizenzen in den kommenden Jahren noch einen Goodwill-Berg vor sich
herschieben", so Gierse.
Er sieht aber noch weitere Probleme. EM.TV habe zum Halbjahr erst ein Viertel der für das
Gesamtjahr prognostizierten Gewinne erreicht. Daneben stört sich Gierse am
langsameren Wachstum des Kerngeschäfts. So hatte EM.TV beim Umsatz zwar 195 Prozent,
ohne Akquisitionen aber nur 20 Prozent zugelegt. Noch krasser war das
Ergebnis des Kerngeschäfts, das um 70 Prozent einbrach.
Noch stärkere Kopfschmerzen bereitet institutionellen Anlegern der Angebotsüberhang an
EM.TV-Aktien. So wurden für die Übernahme der US-Firma von Kermit und Miss
Piggy Jim Henson Company sowie den 50-Prozent-Anteil an der Formel 1-Betreiberfirma
SLEC-Holding ein Teil des Kaufpreises mit eigenen Aktien bezahlt. Doch die
neuen EM.TV-Aktionäre werden ihre Titel kaum dauerhaft halten. Dabei handelt es sich mit 15
Prozent des Free Float durchaus um eine stattliche Summe, so dass selbst
ausgemachte Optimisten kurzfristig zurückhaltend sind. "Vor einem Kursanstieg muss erst
geklärt werden, was mit den Aktienpaketen passiert", sagt Roger Merz von
Credit Suisse. Langfristig sieht der Analyst wie die meisten seiner Kollegen wieder Spielraum.
"Gerade im digitalen Zeitalter ist guter Content King."
Doch ein Happy-End beim Medienstar dürfte noch etwas auf sich warten lassen. "Der Boden ist
noch nicht gefunden", sagt Gierse. Er kann sich Kurse auch unter 50 Euro
vorstellen. Auch charttechnisch bietet EM.TV ein erschreckendes Bild, so Axel Mühlhaus vom
Mainvestor. "Danach kann der Medienstar noch bis 40 Euro fallen."