Ein unnötiger Aufschrei
Heute musste ich bei mehreren Analysten einen „Aufschrei“ zu den Hausverkäufen „neuer Häuser“ lesen. Darunter natürlich auch besonders unsere bearischen Kollegen. Es ging um folgendes: Gestern wurde veröffentlicht, dass die Zahl der Häuserverkäufe um 4,1 % auf 1,050 Mio. gestiegen sei. Gleichzeitig wurde der Vormonatswert von zuvor geschätzten 1,072 Mio. auf nun 1,009 Mio. Häuser „revidiert“.
Nimmt man diese „Revision“ heraus, dann wäre jedoch unter dem Strich ein weiterer Rückgang verblieben, nämlich von 1,072 auf 1,050 Mio. Häuser. Soweit ist das richtig.
Revisionen sind Normalität
Falsch ist es hingegen, den Eindruck vermitteln zu wollen, die Revisionen sei willkürlich oder sogar absichtlich motiviert. Die Zahlen, die hier veröffentlicht werden, sind vom August. Wir haben Mitte/Ende September. Es sind zunächst Schätzungen, wie so oft bei Konjunkturdaten, die früh veröffentlicht werden. Es ist zudem ein völlig normales Prozedere, dass die Zahlen von Monat zu Vormonat revidiert werden.
Der Wert ist hohen Schwankungen unterworfen
Die Zahlen zu den Hausverkäufen sind generell hohen Schwankungen unterworfen. Tatsächlich muss man Wetter und andere Faktoren einbeziehen. Zwar sind die Zahlen „saisonbereinigt“ aber gerade aus diesem Grund kann es aufgrund einzelner Phänomene zu starken Verzerrungen kommen.
Deutlich wird das, wenn man sich ansieht, wie solche Zahlen überhaupt errechnet werden. Es handelt sich um einen mehrstufigen, sehr komplexen Prozess. Zunächst wird zum Beispiel erfasst, wie viele Baugenehmigungen es in einem bestimmten Monat gegeben hat (ein geschätzter Wert). Dieser Wert ist dann eine Grundlage für die spätere Hochrechnung. Anschließend werden stichprobenartig (!) Erbauer und Eigentümer von neuen Häusern befragt, ob ihre Häuser bereits verkauft sind oder noch zum Verkauf stehen. Wenn sie verkauft sind, werden Monat und Jahr abgefragt, wann sie verkauft wurden. Und das ist einer der Gründe für die Revisionen. Ein weiterer ist: Es kommt dann noch zu Anschlussbefragungen, die das Bild wieder verändern.
Diese ermittelten Zahlen werden dann anhand eines bestimmten, etwas komplizierten Schlüssels hochgerechnet und ergeben einen bestimmten Wert, der monatlich veröffentlicht wird. Gleichzeitig wird die Revision des Vormonatswertes angegeben. Und wer die Hochrechnungen bei Wahlen kennt, weiß, dass Endergebnis und Hochrechnungen immer differieren.
Schaut man sich die Werte der letzten 12 Monate an, sieht man, dass es zum Beispiel auch im Februar zu einem starken Einbruch nach unten gekommen ist. Wie gesagt, eine hohe Volatilität ist normal. Also an dem Juli-Wert, der revidiert wurde, ist soweit nichts ungewöhnliches. Wie ich mehrfach schon zu den Immobilienmarktdaten geschrieben hatte, muss man bei diesen Zahlen immer eine längere Tendenz abwarten. Trotz allem können die Zahlen von gestern eine Wende einleiten, dazu einmal der Langfristchart:
Die Millionengrenze
Sie sehen, dass es ab 2003, nach dem die Millionengrenze gebrochen wurde, zu einem scharfen Anstieg gekommen ist (die allseits bekannte Immobilienblase), der dann anschließend wieder seit Mitte 2005 zurückgekommen ist. Schaut man sich die Werte ab 1998 an, dann sieht man, dass die Millionengrenze seit dieser Zeit im Spiel ist. Insofern ist nicht viel passiert. Man könnte von einer Beruhigung sprechen, auf einen fairen Wert (die Millionengrenze), der seit Jahren Gültigkeit hat. Natürlich können die Verkäufe neuer Häuser auch noch unter die Millionen fallen, aber es sieht doch alles danach aus, als würde sich die Entwicklung um dieses Niveau herum stabilisieren. Und dies ist das eigentlich Interessante an diesen Zahlen.
Für den Markt war etwas anderes entscheidend:
Wichtig für den Markt war bei diesen Zahlen übrigens nicht der absolute Wert, sondern, dass die Erwartungen der Analysten von 1,02 bis 1,04 Mio. gelegen hatten, der tatsächliche Wert mit 1,05 Mio. also über den Erwartungen gelegen hat. Und wie wir wissen, reagieren die Märkte besonders auf Abweichungen von den Erwartungen der Analysten. Alles in allem also viel Wind um Nichts...
Zum Markt:
Es ist wie immer überraschend, wie oft sich die verschiedenen Charts der internationalen Indizes gleichzeitig an wichtigen Widerständen aufhalten. Der Dow Jones versucht sich an seinem Allzeithoch und der Dax klebt an der 6000er Marke fest. Im Moment quält sich alles etwas dahin. Die Frage, ob der Dow Jones sein Allzeithoch bricht, bleibt im Raum – das große Theaterstück entwickelt nur im Moment in der Mitte etwas Längen, was aber normal für epochale Werke ist – Zeit, sich mit neuen Chips und Salzstangen zu versorgen.
Ich bin gespannt, was der Markt noch vor hat. Doch noch nach unten antäuschen, oder sogar nach oben?
Viele Grüße
Ihr
Jochen Steffens