Stress in Kolonien und Veränderungen des Morphotyps
Man weiß jetzt, daß Bakterien den Weg für das irdische Leben, wie wir es kennen, gelegt haben und daß sie für dessen weitere Existenz wichtig sind31 . Doch das Verständnis von Bakterien als einzellige primitive Mikroben oder einer Ansammlung von nicht-interagierenden passiven "Bestandteilen" hat seit Generationen vorgeherrscht. Erst seit kurzem haben die im Hinblick auf Kolonien geprägten Begriffe von intelligenten Bakterien32 und Bakterien als multizellulären Organismen33 Aufmerksamkeit gefunden. Ausgestattet mit neuen Erkenntnissen bei der Untersuchung von Musterbildungen in leblosen Systemen34 mache ich mich für diese Begriffe stark.
Die Erforschung von Diffusionsmuster in leblosen Systemen lehrt uns, daß das Diffusionsfeld das System in dekorative, unregelmäßige fraktale Formen treibt. Folglich habe ich erwartet, daß Bakterienkolonien unter Nahrungsstress komplexe Muster in Petrischalen entwickeln werden. Durch geringe Mengen von Nahrung und einem harten dünnen Substrat mit einer hohen Konzentration an Agar haben wir solche ernährungsgestressten Kolonien geschaffen und tatsächlich einige sehr komplexe Muster beobachtet.
Die Kolonien zeigten überdies vielfältigere Verhaltensformen als leblose Systeme, die zusätzliche daran beteiligte Komplexitätsebenen widerspiegelten35 . Die sich bildenden Kolonienblöcke sind selbst lebendige Systeme, die jeweils ein eigenes Selbstinteresse und interne Freiheitsgrade besitzen. Gleichzeitig erfordert die erfolgreiche Anpassung einer Kolonie an ungünstige Wachstumsbedingungen eine Selbstorganisation auf allen Ebenen, was nur durch kooperatives Verhalten der einzelnen Zellen erreicht werden kann. Man kann dies als die Aktion eines einzigartigen Wechselspiels zwischen der Mikroebene (der einzelnen Zelle) und der Makroebene (der Kolonie) durch die Bestimmung des entstehenden Musters betrachten36 .
Um die erforderliche Kooperationsebene zu erlangen, haben die Bakterien vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten entwickelt, beispielsweise 1) direkte physikalische und chemische Interaktionen zwischen Zellen37 , 2) indirekte physikalische und chemische Interaktionen wie die Herstellung einer extrazellulären "einweichenden" Flüssigkeit38 , 3) weitreichende chemische Signale wie eine Abstimmung der Wahrnehmung durch Mehrheitsentscheid (quorum sensing)39 und 4) chemotaktische Signale, also chemotaktische Reaktionen auf chemische Agenten, die von den Zellen abgesondert werden40 .
Die Kommunikation, Steuerung und Kontrolle der Kolonie bei der Bildung von komplexen Mustern während ihrer Entwicklung rechtfertigt den Begriff von intelligenten Bakterien, wobei intelligent im schwachen Sinn verstanden wird. Wenn wir eine adaptive Morphogenese der Kolonie, d.h. vererbte morphologische Eigenschaften der Kolonie, die durch Umweltstress bewirkt werden, zeigen könnten, dann würde das eine starke Unterstützung für das Verständnis von Bakterienkolonien als einem mulitzellulären Organismus sein.
Motiviert vom neuen Selektionsprinzip der "am schnellsten wachsenden Morphologie", das von Ben-Jacob und Garik41 entwickelt wurde, bauten wir mit dem oben erwähnten Ziel im Kopf Experimente auf. Die Arbeitshypothese war, daß Veränderungen eines Morphotyps, d.h. einer geometrischen Eigenschaft einer Kolonie, die vererbt und von einem einzelnen Bakterium transportiert werden kann, zu erwarten sind, der sich langsam zu einem sich schneller entwickelnden entfaltet. Das bedeutet, daß die Kolonie, die sich schneller auf der Agar-Oberfläche verbreiten kann, einen Vorteil beim Nahrungserwerb besitzt. Wir haben Veränderungen zwischen zwei der Morphotypen identifiziert42 : die an der Spitze auseinanderbrechenden T- und die chiralen C-Morphotypen.
Wie erwartet beobachteten wir TC-Transformationen auf einer weicheren Oberfläche, wo C schneller geschieht, während bei den umgekehrten CT-Transformationen T die schnellere Transformation ist. Da die Wachstumsgeschwindigkeit eine Eigenschaft der Kolonie ist, weisen unsere Beobachtungen darauf hin, daß irgendein Selektrionsdruck auf die Kolonie beteiligt ist. Das wäre eine Ausdehnung des Selektionsprinzips der "am schnellsten wachsenden Morphologie" auf lebendige Systeme.
Wir stehen jetzt zwei Rätseln gegenüber. Ein Rätsel ist der Mechanismus, wie der Druck auf die Kolonie zum einzelnen Bakterium hinunterreichen und eine genetische Veränderung in den individuellen Zellen bewirken kann, so daß eine Transformation vom T-Typ zum C-Typ vor sich geht. Ein damit verbundenes Rätsel hat mit der morphotypischen Explosion zu tun. Nur wenige Zellen des C-Morphotyps, die zwischen T-Zellen in einer T-Kolonie verstreut sind, haben keinen individuellen Vorteil und keinen Einfluß auf die Struktur der Kolonie, auch wenn sie auf einem weichen Substrat wachsen, das für den C-Morphotypus günstig ist. Nur eine begrenzte Kernspaltung der C-Zellen ist bevorteilt, da dies zu einer Explosion des bevorzugten Morphotyps in einer analogen Weise zu Phasenübergängen wie beim Übergang lebloser Systeme vom flüssigen zum festen Zustand durch begrenzte Kernspaltung. Das Rätsel ist, wie die begrenzte Kernspaltung bei der Veränderung des Morphotyps vor sich geht. Eine mögliche Erklärung ist die von autokatalytischen oder synchronisierten genetische Veränderungen43 : Wenn dies der Fall sein sollte, dann müßte man einen Mechanismus für derartige Veränderungen vorschlagen.
Drei Ebenen der Informationsübertragung und das Konzept der Kybernatoren oder kybernetischen Agenten
Die Veränderungen der Morphotypen haben uns dazu gebracht, eine neue kybernetische Grundlage vorzuschlagen. Dazu wurden wir auch durch die experimentellen Befunde über adaptive Mutagenese gebracht, und unser Vorschlag basiert auf dem aktuellen Wissen über die genetischen Agenten wie den Plasmiden, Transposonen, Phagen und anderen, die wir im Kapitel 3 behandelt haben. Ich habe erwähnt, daß diese autonomen genetischen Agenten, die in der Lage sind, genetische Veränderungen in der Wirtszelle vorzunehmen, ihre "Eigeninteressen" und ihre eigenen direkten Kommunikationskanäle mit den Umweltbedingungen außerhalb der Zelle haben können.
In dem neuen Bild kennzeichnen wir Agenten, deren Funktion durch Holoparameter, d.h. durch Parameter der Kolonie wie Wachstumskinetik, zelluläre Dichte, Dichte der metabolischen Nebenprodukte, Größe des Hungers etc. als Kybernatoren gesteuert werden. Ich betone, daß hier ein Agent nicht notwendigerweise ein bestimmtes einzelnes Makromolekül sein muß, sondern auch eine Kombination von Einheiten oder selbst eine kollektive Erregung des Genoms sein kann, das eine bestimmte Funktion ausführt. Allgemein sollte man einen Agenten als eine konzeptuelle Einheit betrachten, auch wenn er im Besonderen ein Makromolekül oder eine Ansammlung von Molekülen sein könnte.
Entscheidend ist, daß ein Kybernator, weil seine Aktivität von Holoparametern gesteuert wird, Veränderungen in der Aktivität und der Struktur des Genoms bewirken kann, die die einzelnen Zellen so beeinflußt, daß es der ganzen Kolonie nützt. Folglich verfügen die Bakterien über eine kybernetische Möglichkeit, drei Ebenen der Interaktion zu steuern: die Ebene des Kybernators, der Zelle und der Kolonie. Das "Interesse" des Kybernators untersteht dem "Zweck" der Kolonie, indem es das Genom der einzelnen Zelle neu ausrichtet. Der Kybernator stellt einen einzigen Rückkopplungsmechanismus zur Verfügung, während die Kolonie diesen benutzt, um Veränderungen in der einzelnen Zelle zu bewirken, was daher zu einer konsistenten adaptiven Selbstorganisation der Kolonie führt.
Genomische Adaption und genomisches Lernen
Ich mache hier einen Abstecher, um zwei weitere Ideen vorzustellen, die aus den Beobachtungen der morphotypischen T-zu-C-Übergänge hervorgegangen sind. Die Möglichkeit, Übergänge von einem Morphotyp zu einem anderen in Reaktion auf Umweltbedingungen auszuführen, ist in den Bakterien ebenso vorhanden wie die Möglichkeit, sich für den Übergang zu "entscheiden", auch wenn die "Entscheidung" eine kollektive Handlung sein kann.
Gleich ob der Mechanismus auf der Aktivierung von Kybernatoren beruht oder eine "gewöhnliche" epigenetische oder Phasenvariation ist, oder ob man noch einen ganz anderen Mechanismus entdecken muß, so ist es wichtig, daß dieser der Kolonie die Möglichkeit eröffnet, den bevorzugten Morphotypus in Übereinstimmung mit den Umweltbedingungen zu selektieren.
Um die Besonderheit solcher Übergänge des Morphotyps herauszuheben, sie von der normalerweise umkehrbaren phänotypischen Adaption zu unterscheiden und die möglichen Beziehungen mit der adaptiven Mutagenese herzustellen, bezeichne ich sie als eine kooperative genomische Adaption. Der Vorteil von dieser gegenüber der phänotypischen Adaption ist wahrscheinlich bei schweren, aber weniger häufig vorkommenden Veränderungen der Umweltbedingungen zu sehen, z.B. beim Unterschied von weichen und harten Böden während verschiedener Jahreszeiten. Die Zeit spielt in der Tat eine wesentliche Rolle im Prozeß der genomischen Adaption44 .
Wenn das Potential zur genomischen Adaption jetzt vorhanden ist, dann bedeutet dies, daß es vom Genom irgendwann im Laufe der Evolutionsgeschichte erworben wurde. Ich bezeichne das als genomisches Lernen, um die Vermutung zu betonen, daß dies keine Folge der darwinistischen Evolution ist. Damit das Genom im Sinn eines "Lernens aus der Erfahrung" etwas lernen kann, müssen die folgenden Bedingungen gegeben sein:
Aussetzung der Bakterien an verschiedene Zyklen sich ändernder Umweltbedingungen, z.B. trockener und feuchter Boden;
gespeicherte Information über vergangene Umweltbedingungen;
Selbstinformation: Information über vergangene und existierende Fähigkeiten;
Mittel, damit das Genom Schwierigkeiten erkennen sowie Probleme und Problemlösungen in Übereinstimmung mit den gesammelten und verarbeiteten Informationen über innere und äußere Bedingungen, wozu auch der Zustand anderer Bakterien gehört, formulieren kann;
kybernetische Kapazität: Mittel, damit sich das Genom selbst gemäß den Lösungen von Problemen verändern kann, was von der Neuorganisation und Neustrukturierung, z.B. durch An- oder Ausschalten, Replikation oder Verschiebung von Genen, bis hin zur aktuellen Verbindung neuer Sequenzen reichen kann.
Der Erwerb der Möglichkeit, morphotypische T-zu-C-Übergänge auszuführen, ist nur eines von vielen Beispielen des genomischen Lernens. In jedem Fall müssen die eben aufgeführten Bedingungen erfüllt sein.
Das Genom als adaptive kybernetische Einheit mit Selbstwahrnehmung
In einem Artikel45 aus dem Jahr 1992 bezeichneten wir unsere Beobachtungen von komplexen Musterbildungen bei einer Kolonie als Beispiel einer adaptiven Selbstorganisation und stellten die Behauptung auf, daß sich "das Genom als adaptive kybernetische Einheit" verstehen läßt. Daraus zogen wir den Schluß, daß " zusammen mit den oben ausgeführten Annahmen die Organisation der Kolonie, die die Umwelt darstellt, direkt die genetische Metamorphose der Individuen beeinflußen kann. Folglich erwarten wir die Beobachtung von synchronisierten, autokatalytischen und kooperativen genetischen Variationen der Kolonie, die entweder spontan oder in Reaktion auf bestimmte Wachstumsbedingungen entstehen."
In einer im Jahr darauf erfolgten Veröffentlichung46 wiesen wir auf einen möglichen, auf dem Konzept der Kybernatoren basierenden Mechanismus hin, der die in Kapitel 6 beschriebene Rückkopplung zwischen der Kolonie und den einzelnen Bakterien bewirkt. Diese beiden Veröffentlichungen sollten in erster Linie von unseren experimentellen Beobachtungen berichten. Das neue Bild blieb noch etwas verschwommen. Aber jetzt ist die Zeit gekommen, um die Dinge deutlicher zu machen. In diesem Kapitel will ich das neue Bild vom Genom vorstellen und zu klären versuchen, welche bekannten Fakten es gibt und welche neue Annahmen und Schlußfolgerungen wir entwickelt haben.
Es gibt, wie in Kapitel 3 dargelegt, ein großes Wissen über die Struktur und die Funktionen der extra-chromosomalen Elemente im Genom. Mit der Einführung der neuen Begrifflichkeit der Kybernatoren will ich die neue Interpretation ihrer Rolle als der kybernetischen Kapazität des Genoms hervorheben.
Man weiß, daß das Genom sich selbst verändern kann. Wir haben behauptet, daß diese Veränderungen weder zufällig noch automatisch sind, sondern von der Umwelt geformt werden. Selbstverständlich erfordert die Fähigkeit, Änderungen zu gestalten, Rechenkapazitäten. Shapiro behauptete folglich47 , daß sich "Genome als komplexe interaktive Informationssysteme, die in vieler Weise mit solchen von Computer zu vergleichen sind", denken lassen.
Wir haben das Genom als adaptive kybernetische Einheit bezeichnet, um herauszustellen, daß es aus unserer Sicht über eine universelle Turingmaschine48 hinausgeht. Metaphorisch gesagt beinhaltet das Genom einen Benutzer mit einer Recheneinheit und einen Hardware-Ingenieur mit einem Team von Technikern zur kontinuierlichen Gestaltung und Verwirklichung von Änderungen in der Hardware. Ein derart komplexes System geht über eine universelle Turingmaschine hinaus, deren Struktur statisch und vom Input/Output sowie dem Rechenprozeß abgetrennt ist. Das Genom ist eine dynamische Entität und seine Struktur paßt sich den ausgeführten Berechnungen an, was voraussetzt, daß das Genom über Selbstbezüglichkeit, Information über sich selbst und, ganz entscheidend, Selbstwahrnehmung verfügt. Der Benutzer stellt die Möglichkeit zu erkennen dar, daß er mit einer von der Umwelt stammenden Schwierigkeit konfrontiert ist, daß er das Problem in Übereinstimmung mit dem Problem formulieren und eine Suche nach einer Lösung einleiten kann. Dabei benutzt das Genom, wie in Kapitel 7 erwähnt, seine vergangenen Erfahrungen. Der Benutzer stellt auch die Möglichkeit des Genoms dar, das Ergebnis seiner Berechnungen zu interpretieren, diesem eine Bedeutung zuzuweisen und es mit seiner Interpretation der Umweltbedingungen zu vergleichen.
Man mag den Eindruck gewinnen, daß ich von den Fakten zur Phantasie abgetrieben bin. Daher möchte ich, bevor ich fortfahre, betonen, daß dies keineswegs der Fall sein muß. Wir wissen, daß das Genom sich selbst verändern kann, und wir wissen von einigen Beispielen, daß dies absichtlich geschieht, um sich an die Umwelt anzupassen. Wenn wir diese Erkenntnis mit der Annahme verbinden, daß der Erwerb des Potentials zu TtC-Transformationen durch genomisches Lernen geschieht, dann impliziert dies unmittelbar, daß das Genom eine adaptive kybernetische Einheit mit Selbstwahrnehmung ist, d.h. es besitzt alle weiter oben beschriebenen Merkmale.
Zu behaupten, das Genom besitze eine Selbstwahrnehmung, ist eine starke Aussage mit weitreichenden Implikationen. Ich behandle dieses Thema in einer anderen Veröffentlichung49 und stelle hier nur die wichtigsten Punkte vor. Unsere Logik und Mathematik basiert auf einer Gesamtheit, die aus Elementen besteht. Vorausgesetzt ist, daß die Gesamtheit abgeschlossen und statisch ist, daß die Elemente feststehende Identität besitzen, sich also nicht aufgrund des Sachverhalts ändern, daß sie Bestandteil der Gesamtheit sind, und daß sie entweder keine interne Struktur besitzen oder diese nicht wichtig ist für die Definition der Gesamtheit.
Die Gesamtheit wird von einem äußeren Beobachter definiert, d.h. sie entsteht nicht dadurch, daß sich die Elemente gemäß einem gemeinsamen Ziel zusammenfügen. Die passiven und strukturlosen Elemente haben keine Informationen über die Gesamtheit. Die Definition von Gesamtheiten führt zu logischen Russelschen Paradoxien, z.B. dem Paradox vom Barbier, wenn wir versuchen, Selbstbezüglichkeit zu integrieren. Russel und andere haben sich großen Mühen unterzogen, um ein formales axiomatisches System zu erstellen, das frei von inneren logischen Paradoxien ist. Gödels Theorem50 bewies, daß sie alle unvollständig sein müssen, was auch die Principia Mathematica von Russel und Whitehead einschließt. Man muß betonen, daß sich das Gödelsche Theorem auf geschlossene Systeme bezieht, die auch zeitlich fixiert sind. Man muß, so mein Vorschlag, von einem ganz anderen Ansatz ausgehen und nicht mit der Vorstellung einer aus Elementen bestehenden Gesamtheit. Genau daran scheitert, wie ich glaube, der reduktionistische Ansatz. Wir können nicht ausgehend von passiven Elementen zur Selbstwahrnehmung gelangen, ganz egal wie kompliziert ihre Struktur auch sein mag. Ich schlage vor, die Elemente durch Agenten zu ersetzen, die eine innere Struktur, einen inneren Zweck und einen gewissen Grad an Eigeninteresse besitzen, und deren Identität nicht festliegt. Der Begriff einer Gesamtheit wird durch den einer Zelle ersetzt, der eine Menge von Agenten mit einem gemeinsamen Ziel und wechselseitiger Abhängigkeit bedeutet. Das setzt auch voraus, daß das System der Agenten offen ist, d.h. daß es Energie und Information mit der Umwelt austauscht. Ich behaupte, daß eine Zelle von Agenten über eine fortgeschrittene Sprache, die Selbstbezüglichkeit in Hinblick auf Sätze und ihre Grammatik besitzt, verfügen muß. Die Sprache ermöglicht den einzelnen Agenten, Informationen über das ganze System zu erhalten.
Gödels Theorem und die Grenzen der Selbstverbesserung
Gödels Theorem, das von Hoftstadter51 verständlicher formuliert wurde, lautet: "Alle widerspruchsfreien axiomatischen Formulierungen der Zahlentheorie enthalten unentscheidbare Aussagen."
Die große Leistung von Gödel bestand in der Verbindung der Idee selbstbezüglicher sprachlicher Sätze mit der Zahlentheorie. Natürlich handeln mathematische Sätze in der Zahlentheorie von den Eigenschaften ganzer Zahlen, die selbst, ebensowenig wie die Eigenschaften, keine Sätze sind. Gödel kam jedoch zur Erkenntnis, daß ein Satz der Zahlentheorie über einen Satz der Zahlentheorie und sogar über sich selbst gehen, also selbstbezüglich sein kann. Dazu müssen Zahlen mittels eines bestimmten Codes mit Sätzen 1 zu 1 verbunden werden. Gödel hatte einen solchen Code gebildet. Der Trick dabei war, daß die Kodierung Sätze der Zahlentheorie auf zwei verschiedenen Ebenen verstehen läßt: erstens als Sätze der Zahlentheorie und zweitens als Sätze über Sätze der Zahlentheorie.
Mit diesem Code übersetzte Gödel das Epimenides-Paradox ("Dieser Satz ist falsch": wahr - falsch - wahr ....) in eine Version der Zahlentheorie: "Dieser Satz der Zahlentheorie kann im System der Principia Mathematica oder jedem anderen festen axiomatischen System nicht bewiesen werden." Gödels Theorem besagt unter anderem, daß kein festes axiomatisches System die Komplexität der ganzen Zahlen repräsentieren kann, unabhängig davon, wie komplex es ist. Auf das Genom läßt sich Gödels Theorem nicht direkt anwenden, aber man kann denselben Trick einsetzen und die DNA-Sequenz entweder auf ganze Zahlen oder Sätze in der Sprache abbilden. Gödels Theorem behandelt jedoch unendliche Systeme, während das Genom ein endliches System ist52 .
Um Gödels Theorem anzuwenden, sollte man eine andere Abbildung erwägen, nämlich die von der Natur ausgeführt wird und die DNA-Sequenz auf Proteine abbildet. Die Proteine legen eine endliche Anzahl von "Sätzen" in einer unendlichen Sprache fest53 . Funktionale Kombinationen von Proteinen sind dann Sätze, und die Interaktionen zwischen ihnen stellen die Grammatik dar. Diese Idee wird von Untersuchungen der Korrelationen in DNA-Sequenzen und Anwendungen des Zipfschen Tests unterstützt54 . Wenn wir eine unendliche Sprache haben, läßt sich Gödels Theorem anwenden. Um den vom System auferlegten Beschränkungen zu entkommen, muß sich die Sequenz in der Zeit verändern.
Ich will diesen Punkt weiter ausarbeiten. Die Menge aller möglichen Umweltbedingungen stellt eine unendliche Zahl von Problemen dar, die nicht von irgendeiner gegebenen Sprache gelöst werden können. Glücklicherweise ist der Organismus zu jeden gegebenen Zeitabschnitt nur mit einer endlichen Zahl wichtiger Probleme konfrontiert. Daher sollte es eine Sprache geben, die Lösungen für die gegenwärtigen Probleme enthält.
Wir haben behauptet, daß das Genom genomische Veränderungen selbst ausführen kann. Auf den ersten Blick scheint es ausreichend zu sein, das Genom als eine adaptive kybernetische Einheit mit Selbstwahrnehmung zu verstehen, um die Evolution zu erklären. Aber das ist nicht der Fall. Ein von Gödels Theorem abgeleitetes Lemma setzt der Selbstverbesserung Grenzen. Einfach gesagt, lautet es, daß "ein System kein anderes System bilden kann, daß perfekter als es selbst ist."
Im nächsten Kapitel bestimme ich zwei Formen der genomischen Veränderung: horizontale Veränderungen vs. vertikalen Sprüngen. Das einzelne Genom kann nur horizontale Veränderungen ausführen, aber keine vertikale Sprünge. Nur ein genomisches Netzwerk vermag einen vertikalen Sprung ausführen, der ein kreatives Ereignis ist.
Probleme vs. Paradoxien
Es ist üblich, Ideen aus dem Bild der Evolution von Organismen zu entlehnen, um die Evolution von wissenschaftlichen Theorien zu beschreiben. Hier will ich einen in die entgegengesetzte Richtung laufenden Versuch unternehmen. Aus Gründen, die ich später darstellen will, verwendete ich die Metapher aus dem Fortschritt wissenschaftlicher Ideen und beabsichtige, zwischen zwei Formen genetischer Änderungen zu unterscheiden. Die Identifizierung geschieht nach dem Schwierigkeitsgrad, mit dem die Bakterien konfrontiert sind, nach den Mitteln, die zur Bewältigung der Schwierigkeiten nötig sind, und der Form der genetischen Änderungen, die zur Bewältigung der Schwierigkeiten ausgeführt werden.
Kuhn unterschiedet zwei Formen des wissenschaftlichen Fortschritt: die "normale Wissenschaft" und die "wissenschaftlichen Revolutionen". Der Großteil der wissenschaftlichen Aktivitäten gehört der Kategorie der normalen Wissenschaft an, die Probleme innerhalb eines wohldefinierten begrifflichen Feldes oder eines gegebenen theoretischen Rahmens mit bestimmten "Spielregeln" löst. Die Probleme werden auch innerhalb des begrifflichen Feldes des herrschenden Paradigmas formuliert. Zur anderen Kategorie gehören die seltenen Ereignisse der wissenschaftlichen Revolutionen, die die Wissenschaft innerhalb eines bestimmten theoretischen Rahmens zu einer neuen Wissenschaft überschreiten. Wissenschaftliche Revolutionen entstehen, wenn Wissenschaftler auf Paradoxien treffen, also auf Probleme, die nicht in den begrifflichen Grenzen des herrschenden Paradigmas gelöst werden können. Um ein Paradox aufzulösen, muß ein neues Paradigma mit einem erweiterten Begriffsraum und neuen "Regeln" geschaffen werden. Das Paradox liegt sowohl in dem Motiv, ein neues Paradigma zu schaffen, als auch in dem Begriffsapparat, der das alte Paradigma mit dem neuen verbindet. Das Paradox selbst wird zum zentralen Prinzip, auf dem der neue theoretische Rahmen errichtet wird.
Welche Bedeutung hat das für genetische Änderungen von wirklichen Lebewesen? Organismen stehen gelegentlich Schwierigkeiten gegenüber, die sich am besten als Probleme bezeichnen lassen, und manchmal solchen, die man nur als Paradoxien betrachten kann. Unter einem Problem verstehe ich hier eine Schwierigkeit oder eine existentielle Gefahr, deren Lösung mit den Mitteln erreicht werden kann, die dem Organismus zur Verfügung stehen. Ein einfaches Beispiel dafür wäre die Aussetzung eines Bakteriums an ein Antibiotikum, für das es ein ruhendes oder nicht aktiviertes Gen besitzt, das nur aktiviert werden muß. Eine adaptive Mutagenese ist ein weiteres Beispiel für die Problemlösung. Die von einem Organismus zur Problemlösung ausgeführten genetischen Änderungen wären in diesem Fall so, daß man ihn noch immer als denselben Organismus verstehen kann, auch wenn er sich perfektioniert hat. Veränderungen, die aus "Problemlösungen" rühren, bezeichne ich als "horizontale genomische Veränderungen". Ich stelle mir diese Veränderungen als eine Trajektorie auf einem vom Organismus definierten Feld in Analogie zur "normalen Wissenschaft" vor, die eine Trajektorie auf einem vom Paradigma definierten Feld ist.
Zur Zeit verfüge ich noch nicht über eine gute Definition für das Feld des Organismus und muß mich auf die Intuition stützen. Wir beabsichtigen, Gödels Ansatz zu verwenden, um zu einer Definition zu gelangen.
Genetische Änderungen, die den Organismus eine Stufe höher auf der evolutionären Leiter steigen lassen stellen "vertikale genomische Sprünge" dar, die Übergänge von einem Feld zu einem anderen sind. In Analogie zu wissenschaftlichen Revolutionen gehe ich davon aus, daß ein "vertikaler genomischer Sprung" eine Lösung für ein Paradox und nicht für ein Problem darstellt. Ein Paradox wäre hier eine Schwierigkeit, für die das Genom mit seinen zur Verfügung stehenden Mitteln keine Lösung finden kann, da die Lösung ein neues Genom ist, daß im Vergleich mit dem alten einen Fortschritt darstellt. Beispielsweise glaube ich, daß die sporenbildenden Bakterien einen solchen "vertikalen genomischen Sprung" darstellen. Die Sporenbildung ermöglicht den Bakterien das Überleben in ansonsten tödlichen Umweltbedingungen. Die kollektive getroffene "Entscheidung", Sporen zu bilden, basiert auf der Voraussage, daß die Umweltbedingungen tödlich werden. Die Notwendigkeit, aus tödlichen Umweltbedingungen zu lernen, könnte das Paradox gewesen sein, das die Bakterien dazu gebracht hat, aus Gründen des Überlebens einen vertikalen Sprung auszuführen.
Die Klugheit der Kolonie: genomische Netze und die Emergenz der Kreativität
Gemäß der Erweiterung von Gödels Theorem kann das Genom horizontale genomische Veränderungen gestalten und ausführen, aber keine vertikalen Sprünge, die eine Lösung von Paradoxien beinhalten. Sind wir wieder bei zufälligen Mutationen gelandet? Könnte es sein, daß die einfacheren horizontalen Veränderungen das Ergebnis von gestalteten Veränderungen und die für die Evolution wichtigeren vertikalen Sprünge das Ergebnis von zufälligen Fehlern ist? Das Dilemma löst sich auf, wenn wir ein kooperatives Verhalten zugrundelegen.
Nehmen wir einmal an, Sie wollen einen neuen, fortgeschritteneren Computer für eine bestimmte Aufgabe entwickeln, dann wäre die beste Strategie, ein Netzwerk von Computern aufzubauen, das für Sie die Entwicklung übernimmt. Selbst wenn jeder einzelne Computer nicht so leistungsfähig ist wie der neue Computer, kann ein Netzwerk dieser Computer im Prinzip jenem überlegen sein. So wurde beispielsweise Intel486 entwickelt: man setzte ein Netzwerk von Intel386-Prozessoren ein, um die Aufgabe zu erfüllen.
Aber zurück zu den Bakterien. Man weiß, daß in einer Kolonie unter Stress einige Bakterien in der Lage sind, ihre Membranen für genetisches Material durchlässiger zu machen, während andere sich auflösen, aufbrechen und ihr genetsiches Material im Medium hinterlassen. Überdies werden direkte genetische Verbindungen zwischen Bakterien durch Konjugation oder Transduktion gebildet55 . Wir behaupten, daß diese Eigenschaften darauf hinweisen, daß die gestresste Kolonie zu einem genetisches Netzwerk wird, das die höchste Stufe der Kooperation der Kolonie darstellt.
Um zu betonen, daß das Netzwerk aus Agenten besteht, wobei jedes Genom selbst ein kybernetischer Agent ist, nenne ich es ein "genomisches Netz". Ich behaupte ferner, daß die Bakterien zur Herstellung eines genomischen Netzwerks bestimmte Kybernatoren erzeugen oder aktivieren, die eine leistungsstarke und komplizierte genomische Kommunikation fördern. Wenn ein genomisches Netzwerk einmal gebildet wurde, ist es gegenüber dem einzelnen Genom ein "Metageist". Daher ist ein Paradox für ein einzelnes Genom für das Netz auflösbar. Das Netz, das komplexer als das einzelne Genom ist, kann im Verhältnis zu den Ausgangsgenomen ein neues und leistungsfähigeres Genom entwickeln und bauen, d.h. einen vertikalen genomischen Sprung ausführen. Einen solchen Sprung beschreibt man am besten als kooperative Selbstverbesserung oder als kooperative Evolution.
Die Bildung eines kreativen Netzes ist keineswegs trivial und erfordert ganz bestimmte Umweltbedingungen. Nicht jede Ansammlung von Agenten führt zu einer leistungsfähigeren Einheit. Wie wir aus der Alltagserfahrung wissen, kann eine Gruppe aus sehr intelligenten Einzelmenschen eine ziemliche dumme Organisation sein. Das hängt vom Gleichgewicht zwischen dem Eigeninteresse der Agenten und davon ab, inwieweit sie sich der neuen Organisation bewußt sind. Die Umweltbedingungen sollten, um es mit anderen Worten zu formulieren, so sein, daß die einzelnen Bakterien ihr Bewußtsein als Individuen weitgehend aufgeben.
Das Genom kann prinzipiell in eigener Kraft Probleme lösen, aber kooperativ ist es effizienter. Daher nehme ich an, daß genomische Netze auch zur Problemlösung eingesetzt werden. Je größer das Problem, desto leistungsstärker wird das genomische Netz gebildet. Wir haben jetzt, wie ich in der Einleitung sagte, Beweise dafür, daß eine adaptive Mutagenese die Kooperation von Bakterien erfordert.
Das Bild eines kreativen genomischen Netzes ist faszinierend, aber eine beunruhigende konzeptuelle Schwierigkeit ist ungelöst. Wir sollten erwarten, daß die Kolonien neuer Bakterien, die aus einem vertikalen Sprung entstehen, fortgeschrittener als Kolonien der ursprünglichen Bakterien sind. Doch wenn wir wirklich die Kolonie als multizellulären Organismus betrachten, wird sie im Widerspruch mit der Erweiterung von Göderls Theorem stehen. Wenn wir die Kolonie als unser System ansehen, würde das implizieren, daß ein System in der Lage ist, ein fortgeschritteneres System als es selbst zu entwickeln. Ich glaube, daß die Kolonie der neuen Bakterien nur im Vergleich zu den ursprünglichen Kolonien verbessert, aber nicht komplexer werden kann. Um das Bild widerspruchsfrei zu halten, müssen wir annehmen, daß die genetische Kommunikation zwischen vielen Kolonien derselben Bakterien oder einer Anzahl unterschiedlicher Bakterien für die Bildung eines vertikalen Sprungs auf der Ebene der Kolonie erforderlich ist.
Mögliche Implikationen des neuen Bildes: darwinistische Evolution vs. kooperative Evolution
Das von mir vorgestellte neue Bild hat viele mögliche praktische und philosophische Implikationen. Beispielsweise scheinen die Bakterien gegenwärtig den Kampf, den wir gegen sie mit Antibiotika führen, zu gewinnen, indem sie so schnell oder schneller resistent werden, wie wir Medikamente entwickeln. Um sie zu überlisten, müssen wir erkennen, wie "klug" sie sind, und dementsprechend neue Strategien der Behandlung entwickeln. Wenn, wie ich behaupte, die Stärke der Bakterien in der Kommunikation und Kooperation der Kolonie liegt, dann bestünde eine Möglichkeit darin, ihre Kommunikation auszuschalten und durcheinanderzubringen, anstatt die einzelnen Bakterien lahmzulegen.
Ich habe mich immer auf Bakterienkolonien bezogen und Schlüsse aus der Beobachtung von Bakterien gezogen. Ich glaube jedoch, daß die Idee der Entstehung eines kreativen Netzes unter der Bedingung von Stress universal ist. Ich glaube, daß Eukaryoten nicht im Laufe ihrer Evolution von den Prokaryoten die Möglichkeit der genetischen Kommunikation verloren haben und daß Kolonien von einzelligen Eukaryoten unter Stress auf ganz ähnliche Weise wie Bakterien genetische Netzwerke aufbauen können. Einige Hinweise darauf gibt es durch Beobachtungen der adaptiven Mutagenese bei Hefe.
Bei multizellulären Eukaryoten gehe ich von einem kontinuierlichen Austausch genetischer Information zwischen den Zellen aus. Es gibt einzelne Erkenntnisfragmente, die, sofern man sie zusammenfügt, ein Bild genetischer Kommunikation bei multizellulären Organismen unterstützen. Doch solange eine richtige Theorie fehlt, werden manche dieser Erkenntnisse als bedeutungslos beiseitegeschoben und andere unabhängig voneinander untersucht. Sie wurden niemals zusammengebracht und als Bestandteile eines Bildes betrachtet.
Es liegen Berichte aus den 70er Jahren über zirkulierende Nukleinsäuren in höheren Organismen56 vor, und aus den 60er sowie 70er Jahren über freigesetzte DNA-Segmente von Eukaryotenzellen57 . Diesen Beobachtungen stand man sehr skeptisch gegenüber und man hat sie nie mehr überprüft, da sie nicht als wichtig galten.
Man weiß, daß Krebszellen genetisches Material ausstoßen können, das andere Zellen zu Krebszellen werden läßt. Das ist ganz deutlich ein Fall der Übertragung genetischer Information zwischen Zellen. Ein weiteres unlängst untersuchtes Phänomen einer derartigen Übertragung ist der Tod von Zellen. Man weiß, daß der Sterbeprozeß von Zellen sehr kompliziert ist und daß dabei ein Umbau der DNA in einzelne Einheiten stattfindet, die im Blut abgelegt werden, wenn die Zelle stirbt.
Ich gehe von einer genetischen Kommunikation in vielzelligen Organismen in der Hoffnung aus, daß sich in Zukunft die Erkenntnisfragmente verbinden lassen, um zu einem überzeugenden Beweis zu gelangen. Wenn es in Eukaryoten tatsächlich genetische Kommunikation gibt, dann kann der Zustand eines Eukaryoten direkt genetische Veränderungen seiner einzelnen Zellen auf dieselbe Weise bewirken, wie der Zustand der Kolonie zu genetischen Änderungen im einzelnen Bakterium führt. Ich will betonen, daß es tatsächlich einen einzigartigen Feedback von der Makro- zur Mikroeebene gibt, um eine wirksame Steuerung zu verwirklichen. Ich glaube, daß es Zellen gibt, die darauf spezialisiert sind, Kybernatoren herzustellen, die auf Eizellen einwirken und so einen einleuchtenden Mechanismus für geplante Veränderungen in Eukaryoten bereitstellen. Diese Veränderungen entstehen durch kreative Handlungen der genomischen Netze, die innerhalb des Organismus existieren.
Eine Ansammlung von Eukaryoten können ein Netz bilden, dessen grundlegendes Element der einzelne Eukaryot ist. Jedes Kommunikationsmittel zwischen den Organismen, das den Zustand des Organismus beeinflussen kann, wirkt sich indirekt auf die genetische Ebene jedes einzelnen Organismus aus. Deshalb kann ein genetisches Netz von Eukaryoten gebildet werden.
Ich gehe von einer engen Verbindung zwischen den genetischen Netzen verschiedener Arten aus, die funktional zusammenhängen. Diese Verbindung führt zu genetischen Veränderungen, die von einem Netz zu einem anderen überspringen, was einen plausiblen Mechanismus für die beobachteten erdrutschartigen Evolutionsprozesse darstellen kann58 .
Ich hoffe, daß ich den Leser davon überzeugen konnte, daß der Vitalismus nicht die einzige Alternative zum Darwinismus ist. Ich habe eine neue Möglichkeit vorgestellt: eine kooperative Evolution, die auf der Bildung von kreativen Netzen beruht. Die Entstehung des neuen Bildes setzt einen Übergang von der rein reduktionistischen Perspektive zu einer rationalen holistischen Perspektive voraus, in der sich Kreativität sehr wohl im Bereich der Naturwissenschaften befindet.