Am 21. September war der Tiefpunkt der Baisse erreicht. Dennoch wird sich der kräftige Anstieg der Aktienkurse im letzten Quartal nicht einfach fortsetzen lassen.
Für den Aktienmarkt waren 2000 und 2001 zwei schlechte Jahre hintereinander. Das ist so selten, dass man mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit für 2002 eine positive Performance voraussagen kann. Barton Biggs, Chefstratege bei Morgan Stanley, hat für den amerikanischen Aktienmarkt darauf hingewiesen, dass es im vergangenen Jahrhundert nur zweimal eine Baisse gegeben hat, die länger als ein Jahr andauerte. Das war einmal der große Crash im Gefolge des Schwarzen Freitags von 1929 und dann der Kursrückgang von 1973/74. Nachdem sich diese großen und ausdauernden Bärenmärkte totgelaufen hatten, war die Kurserholung zwar dramatisch. Dennoch dauerte es in beiden Fällen mehrere Jahre, bis die breiten Indizes sich an das vorangegangene historische Hoch wieder herangearbeitet hatten.
Aus alledem kann man Lehren ziehen, und die Mehrzahl der Aktienstrategen tut dies auch. Daher werden derzeit relativ moderate Kursprognosen abgeliefert - vermutlich zu Recht. In der monatlichen Umfrage der Financial Times Deutschland wurde für den Dax im kommenden Jahr durchschnittlich ein Indexgewinn von 14 Prozent vorhergesagt. Diesen Prognosen liegen meist folgende drei Thesen zugrunde:
1. Die Kurse vom 21. September stellen den Tiefpunkt der weltweiten Aktienbaisse dar. Der Zyklus seit 1992, dem letzten weltweit schlechten Aktienjahr, müsste damit beendet sein. Wir beginnen eine neue Zeitrechnung.
2. Ein so hoch spekulativer Anstieg der Aktienkurse, wie er im Herbst 1999 und Frühjahr 2000 zu einer Superblase der Tech- und Wachstumswerte führte, wird sich so schnell nicht wiederholen.
3. Der Aktienmarkt muss die in den letzten Jahren aufgebaute Schwankungsanfälligkeit - genannt Volatilität - abbauen. Dann erst ist er zu einer soliden Aufwärtstendenz fähig.
Kurserholung im Spätherbst
Die These, dass der 21. September den Tiefstand der Baisse markiert hat, lässt sich auch am Spurt der Aktienkurse vom Oktober und November ablesen. Diese Auffassung einer Vielzahl von Anlegern hat dazu beigetragen, dass die Kurse im Spätherbst förmlich nach oben schossen. Der Dax legte zwischen Ende September und Ende November um ein Drittel zu. Entgegen der alten Börsenregel, dass man alte Höchststände vergessen sollte, übten die einmal erreichten Rekordkurse speziell bei den Tech-Werten eine Anziehungskraft nach oben aus - ein Magnetismus, der aus dem Gedächtnis besserer Zeiten zu kommen schien.
Zu den alten, guten Zeiten führt aber kein Weg zurück. Und was vor drei oder fünf Jahren über das Funktionieren der Finanzmärkte als richtig galt, muss nicht weiter gelten. Im scharfen Einbruch des Aktienmarktes 2000/01 muss man mehr sehen als lediglich die Tatsache, dass es vordem zu Übertreibungen gekommen war. Da diese jetzt abgebaut sind, sollte man nicht so tun, als wäre nichts gewesen, und sich nur mit etwas mehr Umsicht einfach an den alten Denkmodellen orientieren.
Ein Beispiel: Der kräftige Anstieg der Renditen am Bondmarkt im November ist - ebenso wie das Comeback der Aktienkurse - als Vorbote des Konjunkturfrühlings zumindest in den USA gewertet worden. Der Aktienmarkt und höhere Risiken schlechthin würden wieder eine stärkere Anziehungskraft auf die Renditen ausüben. Tatsächlich sollte man diesen Renditeanstieg schlichter interpretieren. Investoren beginnen, trotz aktuell sinkender Inflationsraten den steigenden staatlichen Defiziten zu misstrauen. Es sieht nach einer Fluchtbewegung aus. Weniger aus Neigung, sondern eher wegen fehlender Alternativen, fanden sich die Investoren so im Aktienmarkt wieder - vermutlich nur als flüchtige Besucher.
Außergewöhnliche Unsicherheit
Das Ergebnis solcher Fluchtbewegungen ist eine insgesamt größere Volatilität. Die Tagesschwankungen des Aktienindex S&P 500 um mehr als ein Prozent haben sich zwischen 1995 und 2000 von lediglich 13 Handelstagen auf 110 erhöht. Diese Tendenz zu höheren Preisschwankungen hat sich in diesem Jahr fortgesetzt und zuletzt auch auf den Bondmarkt übergegriffen. So schossen jüngst an einem Handelstag, dem 5. Dezember, die Renditen zehnjähriger Dollar- und Euro-Staatsanleihen gleichermaßen um 20 Renditestellen nach oben, ohne dass ein Schockereignis vorgelegen hätte.
Das schnelle Hin und Her zwischen den Anlagekategorien ist ein Zeichen für außergewöhnliche Unsicherheit an den Märkten. Zwar kalkulieren Marktstrategen in der Mehrzahl damit, dass die konjunkturelle Talfahrt der US- und damit der Weltwirtschaft beendet ist. Andererseits lehrt die Erfahrung, dass die Rezession noch Opfer fordern wird. Und zwar im Finanzsektor selbst, der sich abgesehen von einigen kleineren Unfällen bisher bemerkenswert wacker geschlagen hat.
In Amerika wirkt der Bankensektor noch vollkommen intakt. Und wenn die Diagnose des gesunden Bankensystems richtig ist, kann mit der Konjunkturerholung nichts mehr schief gehen. An den Finanzierungsbedingungen für Investitionen dürfte der Anstieg nicht scheitern. Zudem entschärfen die rekordniedrigen Zinsen, die die Notenbank von den Banken fordert, die Krise. Noch sind die amerikanischen Banken, anders als die japanischen, in der Lage, günstig gewährtes Geld auch günstig weiterzureichen.
Wahrscheinlich werden Stresssymptome dennoch auch am amerikanischen Finanzsektor nicht gänzlich vorbeigehen. Denn es spricht gegen jede Erfahrung, dass eine volle Rezession keine Opfer im Finanzsektor fordert. Auf diese Opfer muss der Aktienmarkt bislang noch warten. Erst wenn sie gebracht sind, wird sich die Erwartung an die Renditen spürbar reduzieren, und die Aufwärtstendenz im Aktienmarkt hätte bei geringerer Schwankungsanfälligkeit eine festere Grundlage.
Erst ist noch ein Rückschlag fällig. Der Kursanstieg des letzten Quartals 2001 wird sich im neuen Jahr nicht einfach fortführen lassen.
Darauf rauch´ ich eine!
humidor
Für den Aktienmarkt waren 2000 und 2001 zwei schlechte Jahre hintereinander. Das ist so selten, dass man mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit für 2002 eine positive Performance voraussagen kann. Barton Biggs, Chefstratege bei Morgan Stanley, hat für den amerikanischen Aktienmarkt darauf hingewiesen, dass es im vergangenen Jahrhundert nur zweimal eine Baisse gegeben hat, die länger als ein Jahr andauerte. Das war einmal der große Crash im Gefolge des Schwarzen Freitags von 1929 und dann der Kursrückgang von 1973/74. Nachdem sich diese großen und ausdauernden Bärenmärkte totgelaufen hatten, war die Kurserholung zwar dramatisch. Dennoch dauerte es in beiden Fällen mehrere Jahre, bis die breiten Indizes sich an das vorangegangene historische Hoch wieder herangearbeitet hatten.
Aus alledem kann man Lehren ziehen, und die Mehrzahl der Aktienstrategen tut dies auch. Daher werden derzeit relativ moderate Kursprognosen abgeliefert - vermutlich zu Recht. In der monatlichen Umfrage der Financial Times Deutschland wurde für den Dax im kommenden Jahr durchschnittlich ein Indexgewinn von 14 Prozent vorhergesagt. Diesen Prognosen liegen meist folgende drei Thesen zugrunde:
1. Die Kurse vom 21. September stellen den Tiefpunkt der weltweiten Aktienbaisse dar. Der Zyklus seit 1992, dem letzten weltweit schlechten Aktienjahr, müsste damit beendet sein. Wir beginnen eine neue Zeitrechnung.
2. Ein so hoch spekulativer Anstieg der Aktienkurse, wie er im Herbst 1999 und Frühjahr 2000 zu einer Superblase der Tech- und Wachstumswerte führte, wird sich so schnell nicht wiederholen.
3. Der Aktienmarkt muss die in den letzten Jahren aufgebaute Schwankungsanfälligkeit - genannt Volatilität - abbauen. Dann erst ist er zu einer soliden Aufwärtstendenz fähig.
Kurserholung im Spätherbst
Die These, dass der 21. September den Tiefstand der Baisse markiert hat, lässt sich auch am Spurt der Aktienkurse vom Oktober und November ablesen. Diese Auffassung einer Vielzahl von Anlegern hat dazu beigetragen, dass die Kurse im Spätherbst förmlich nach oben schossen. Der Dax legte zwischen Ende September und Ende November um ein Drittel zu. Entgegen der alten Börsenregel, dass man alte Höchststände vergessen sollte, übten die einmal erreichten Rekordkurse speziell bei den Tech-Werten eine Anziehungskraft nach oben aus - ein Magnetismus, der aus dem Gedächtnis besserer Zeiten zu kommen schien.
Zu den alten, guten Zeiten führt aber kein Weg zurück. Und was vor drei oder fünf Jahren über das Funktionieren der Finanzmärkte als richtig galt, muss nicht weiter gelten. Im scharfen Einbruch des Aktienmarktes 2000/01 muss man mehr sehen als lediglich die Tatsache, dass es vordem zu Übertreibungen gekommen war. Da diese jetzt abgebaut sind, sollte man nicht so tun, als wäre nichts gewesen, und sich nur mit etwas mehr Umsicht einfach an den alten Denkmodellen orientieren.
Ein Beispiel: Der kräftige Anstieg der Renditen am Bondmarkt im November ist - ebenso wie das Comeback der Aktienkurse - als Vorbote des Konjunkturfrühlings zumindest in den USA gewertet worden. Der Aktienmarkt und höhere Risiken schlechthin würden wieder eine stärkere Anziehungskraft auf die Renditen ausüben. Tatsächlich sollte man diesen Renditeanstieg schlichter interpretieren. Investoren beginnen, trotz aktuell sinkender Inflationsraten den steigenden staatlichen Defiziten zu misstrauen. Es sieht nach einer Fluchtbewegung aus. Weniger aus Neigung, sondern eher wegen fehlender Alternativen, fanden sich die Investoren so im Aktienmarkt wieder - vermutlich nur als flüchtige Besucher.
Außergewöhnliche Unsicherheit
Das Ergebnis solcher Fluchtbewegungen ist eine insgesamt größere Volatilität. Die Tagesschwankungen des Aktienindex S&P 500 um mehr als ein Prozent haben sich zwischen 1995 und 2000 von lediglich 13 Handelstagen auf 110 erhöht. Diese Tendenz zu höheren Preisschwankungen hat sich in diesem Jahr fortgesetzt und zuletzt auch auf den Bondmarkt übergegriffen. So schossen jüngst an einem Handelstag, dem 5. Dezember, die Renditen zehnjähriger Dollar- und Euro-Staatsanleihen gleichermaßen um 20 Renditestellen nach oben, ohne dass ein Schockereignis vorgelegen hätte.
Das schnelle Hin und Her zwischen den Anlagekategorien ist ein Zeichen für außergewöhnliche Unsicherheit an den Märkten. Zwar kalkulieren Marktstrategen in der Mehrzahl damit, dass die konjunkturelle Talfahrt der US- und damit der Weltwirtschaft beendet ist. Andererseits lehrt die Erfahrung, dass die Rezession noch Opfer fordern wird. Und zwar im Finanzsektor selbst, der sich abgesehen von einigen kleineren Unfällen bisher bemerkenswert wacker geschlagen hat.
In Amerika wirkt der Bankensektor noch vollkommen intakt. Und wenn die Diagnose des gesunden Bankensystems richtig ist, kann mit der Konjunkturerholung nichts mehr schief gehen. An den Finanzierungsbedingungen für Investitionen dürfte der Anstieg nicht scheitern. Zudem entschärfen die rekordniedrigen Zinsen, die die Notenbank von den Banken fordert, die Krise. Noch sind die amerikanischen Banken, anders als die japanischen, in der Lage, günstig gewährtes Geld auch günstig weiterzureichen.
Wahrscheinlich werden Stresssymptome dennoch auch am amerikanischen Finanzsektor nicht gänzlich vorbeigehen. Denn es spricht gegen jede Erfahrung, dass eine volle Rezession keine Opfer im Finanzsektor fordert. Auf diese Opfer muss der Aktienmarkt bislang noch warten. Erst wenn sie gebracht sind, wird sich die Erwartung an die Renditen spürbar reduzieren, und die Aufwärtstendenz im Aktienmarkt hätte bei geringerer Schwankungsanfälligkeit eine festere Grundlage.
Erst ist noch ein Rückschlag fällig. Der Kursanstieg des letzten Quartals 2001 wird sich im neuen Jahr nicht einfach fortführen lassen.
Darauf rauch´ ich eine!
humidor