Dienstag, 12. Juli 2005 Das denkbar bearishste Szenario Teil II – Rückkehr der Deflation von Jochen Steffens Na, da hätte ich doch beinahe in der allgemeinen Verwirrung vergessen, das "denkbar bearishste Szenario" abseits jedweder Fremdeinwirkung vorzustellen: Dieses Szenario hängt natürlich am Ölpreis. Wirklich andere Belastungsfaktoren sind zurzeit nicht zu erkennen (Übrigens ist auch die Immobilienblase in den USA derzeit keine Gefahr, zu viel wird darüber in den USA spekuliert. Blasen, über die alle reden, sind meistens keine Spekulationsblasen, die platzen). Der Ölpreis steigt und steigt ... Gehen wir einmal davon aus, dass der Ölpreis weiter und weiter steigt (aus welchen Gründen auch immer). Ein hoher Ölpreis führt zu einer Art Inflation in den USA. Aus diesem Grund kann und muss die Fed die Zinsen weiter anheben. Steigende Zinsen werden die Kursentwicklung in den USA allerdings weiter dämpfen, zumal dann auch der Dollar weiter steigen wird. Es gibt zwar die Theorie, dass der Ölpreis keinen Einfluss auf die Märkte hat, da die Märkte in schönem Einklang mit dem steigenden Ölpreis weiter steigen, hier jedoch eine Korrelation erkennen zu wollen, ist gefährlich. Wenn Sie es umdrehen, wird es sinnig: Die Märkte würden wesentlich höher stehen, wenn der Ölpreis nicht von einem Hoch zum nächsten steigen würde. Natürlich hat eine anziehende Konjunktur auch einen preistreibenden Einfluss auf Öl, allerdings nachlaufend und nicht derart extrem. Kurz: Es ist ein sehr bullishes Zeichen, dass der Ölpreis und die Märkte steigen. Der Ölpreis hat das Potential, die Märkte abzuwürgen Aber es gibt irgendwo eine Grenze, an dieser wird der hohe Ölpreis die Märkte abwürgen. Um das verständlicher zu machen, hier die Auswirkungen des hohen Ölpreises:
Rückkehr der Deflation! Dabei gibt es noch einen weiteren Punkt zu beachten. Die aktuell gestiegenen Inflationsraten in den USA resultieren fast ausschließlich aus den hohen Energiekosten. Man könnte nun annehmen, die Fed "versteckt" sich hinter dieser vom Ölpreis getriebenen Inflation, denn so kann sie die Zinsen anheben. Das wäre bei einer vom Markt gesehenen Deflation anders. So gesehen kommt ihr diese Inflation sehr gelegen, um zum Beispiel die Immobilienblase im Zaum zu halten (was ihr so auch gelingen kann, s. England). Hinter dieser Inflation verstecken sich problematischerweise starke deflationäre Tendenzen. Dadurch, dass die Löhne in den USA nicht weiter steigen, können die Produzenten in den USA die durch die hohen Energiekosten bedingten höheren Produktionskosten nicht durch Preiserhöhungen auf die Kunden umsetzen. Den Konsumenten fehlt einfach das Geld, so dass sie höhere Preise nicht bezahlen können. Das bedeutet, sie müssen die höheren Produktionskosten auf andere Art und Weise auffangen, um in dem immensen Preiskampf auch mit ausländischen Produkten zu bestehen. Das wiederum funktioniert nur, wenn sie die Löhne niedrig halten, die Arbeitskosten weiter senken, unter anderem dadurch, dass sie keine neuen Arbeitnehmer einstellen. Das wiederum belastet zusätzlich den Konsum und verschärft den Preiskampf noch mehr. Ein gefährlicher Teufelskreislauf. Die wirklichen Gefahren für die US-Wirtschaft Diese deflationären Tendenzen werden so lange nicht offensichtlich werden, wie der Ölpreis hoch bleibt. Sollte dieser jedoch wegbrechen, werden diese Faktoren ungeschönt auf die USA einbrechen. Mit der Folge, dass die Fed die Zinsen sehr, sehr schnell wieder senken müsste, um nicht in japanischen Verhältnissen zu Enden – 15 Jahre Rezession. Und hier liegt die Crux an dem ganzen Schlamassel. Eigentlich müsste die Fed nun langsam aufhören, die Zinsen weiter steigen zu lassen, um diese versteckten deflationären Tendenzen abzufedern. Auf der anderen Seite muss sie die Zinsen anheben, um die entehende Immobilienblase abzufangen. So lange der Ölpreis hoch, aber nicht zu hoch bleibt, ist alles okay. Sollte er jedoch sinken, zu schnell einbrechen, wird die Deflation offensichtlich, steigt er zu schnell, wird die Inflation die Wirtschaft abwürgen. Ein Drahtseilakt sondergleichen. Hier verstecken sich die eigentlich Gefahren für die US-Wirtschaft und damit die weltweiten Aktienmärkte- versteckte Deflation versus ausufernde Inflation. Ist der hohe Ölpreis von den USA beabsichtigt? Fazit: Offenbar ist der Ölpreis für die USA ein gelungenes Rädchen, an dem die Feinjustierung der US-Wirtschaft im Angesicht der Zinserhöhungsphase vorgenommen wird. Das erklärt vielleicht auch, warum der Ölpreis so hoch bleibt, aber nicht weiter anstieg, als der Anschlag die Märkte erschütterte. Trotz allem bleibt es ein sehr gefährlicher Drahtseilakt, den Old Greeny in seinem hohen Alter da veranstaltet. Mit der Zeit wird die Strategie der Fed immer offensichtlicher. Ich kann nur sagen, wenn es tatsächlich so sein sollte, dass der Ölpreis zur Feinjustierung benutzt wird, Kompliment – sehr geschickt gemacht. Das würde auch vieles andere der Ölpreisentwicklung erklären. |