Wiederholtes Schummeln in der Steuererklärung wird gefährlich: Denn die neuen Gesetze gegen organisierte Kriminalität können auch kleine Sünder treffen. Sie werden künftig wie Schwerverbrecher behandelt.
Hans Eichel packt die Keule aus: Wer regelmäßig bei den Fahrtkosten zur Arbeit ein paar Kilometer dazumogelt, die Kosten für sein Arbeitszimmer zu hoch berechnet oder einfach nur mehrfach falsche Buchquittungen einreicht - seit Anfang des Jahres drohen solchen Steuerschummlern drastische Sanktionen. Grund: Im Zuge der Terror-Hysterie nach dem 11. September hat der Bundesfinanzminister im Kampf gegen Steuerhinterzieher aufgerüstet und dabei schwere Geschütze aufgefahren. "Gewerbsmäßige Steuerhinterziehung" heißt sein Zauberwort - und die ist seit Jahresbeginn ein Verbrechen.
Kleine Steuersünder als Schwerkriminelle? Eichels Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz macht's möglich: Mit § 370 a der Abgabenordnung (AO) hat der Finanzminister die "gewerbsmäßige Steuerhinterziehung" als Vortat zur Geldwäsche eingeführt und als Verbrechenstatbestand ausgestaltet. Die Folge: Jeder, der mehrfach Steuern hinterzogen hat, kann künftig härter verfolgt und sanktioniert werden. Denn die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eindeutig. "Gewerbsmäßig", so das oberste Zivilgericht, handelt bereits, "wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle verschaffen möchte".
Was wie ein Mittel zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität klingt, entpuppt sich damit zu einem Rundumschlag gegen alle Steuerbetrüger - ob groß oder klein. Zumal das Gesetz keine Mindestbetragsgrenze festlegt, ab der von "Gewerbsmäßigkeit" ausgegangen werden kann. Nach Angaben von Michael Streck, Präsident des Deutschen Anwaltvereins, fallen künftig etwa 75 % aller Steuerhinterzieher unter die neue Strafvorschrift.
Und das hat schwere Konsequenzen. Denn durch die Einstufung als Vortat zur Geldwäsche können gegen die "gewerbsmäßigen" Hinterzieher alle Fahndungsmaßnahmen eingesetzt werden, die das Gesetz dafür vorsieht. Verdeckte Ermittler, Telefonüberwachung oder Observation - alles das ist zulässig. Und die Berater des Steuersünders müssen eine Vertretung ablehnen, um nicht durch Entgegennahme von Honorar selbst von der Tat "angesteckt" zu werden. "Niemand, der vermutet, es mit einem Steuerhinterzieher zu tun zu haben, kann künftig von diesem Geld annehmen, da die Steuerschuld das gesamte Vermögen vergiftet", so Streck.
Für Sven Thomas, Steuer-Strafverteidiger aus Düsseldorf, sind Eichels Maßnahmen die reinste Hexenjagd. "Da werden einfache Bürger in die Nähe von Schwerverbrechern gerückt und völlig überzogene Mittel zu ihrer Verfolgung kreiert", betont der Anwalt gegenüber dem Handelsblatt. Dieter Hild, Partner der Düsseldorfer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rölfs-Partner, glaubt an gezielte Einschüchterung: "Das ganze reiht sich ein in eine Vielzahl neuer Vorschriften, mit denen ein riesiges Drohpotenzial aufgebaut wird, um die Steuerbürger gefügig zu machen."
Doch damit nicht genug. Da Eichel es unterlassen hat, die Vorschriften für die strafbefreiende Selbstanzeige auf die "gewerbsmäßige Steuerhinterziehung" auszudehnen, hat der Delinquent, anders als bei der gewöhnlichen Steuerhinterziehung, keine Möglichkeit, sich durch Offenbarung bei den Finanzbehörden vor der Strafe zu retten - die Selbstanzeige wird versperrt. Bereits aus fiskalischer Sicht die reinste Torheit, meint Jürgen Pinne, Präsident des Steuerberaterverbands. "Damit wird einem Großteil der Steuerunehrlichen die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit verwehrt, womit dem Staat erhebliche Einnahmen verloren gehen", so Pinne. Der ist damit ausnahmsweise einer Meinung mit seinem sonstigen Gegenspieler Dieter Ondracek, Chef der Steuergewerkschaft: Wenn mit gewerblicher Steuerhinterziehung derjenige gemeint sei, der Zinseinkünfte aus Luxemburg hinterziehe, müsse der Gesetzgeber hier nachjustieren. "Das ist nicht der gewerbsmäßige Hinterzieher, dem man mit der großen Keule drohen muss." Es wäre falsch, diesen Sündern den Weg zur Selbstanzeige zu verbauen, meint Ondracek.
Hinzu kommt, dass auch die Einstellung eines Strafverfahrens wegen Geringfügigkeit nicht mehr möglich ist. Denn die gewerbsmäßige Steuerhinterziehung gilt mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis als Verbrechen. "Und Verbrecher", betont Thomas, "müssen von der Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgt werden."
Hans Eichel packt die Keule aus: Wer regelmäßig bei den Fahrtkosten zur Arbeit ein paar Kilometer dazumogelt, die Kosten für sein Arbeitszimmer zu hoch berechnet oder einfach nur mehrfach falsche Buchquittungen einreicht - seit Anfang des Jahres drohen solchen Steuerschummlern drastische Sanktionen. Grund: Im Zuge der Terror-Hysterie nach dem 11. September hat der Bundesfinanzminister im Kampf gegen Steuerhinterzieher aufgerüstet und dabei schwere Geschütze aufgefahren. "Gewerbsmäßige Steuerhinterziehung" heißt sein Zauberwort - und die ist seit Jahresbeginn ein Verbrechen.
Kleine Steuersünder als Schwerkriminelle? Eichels Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz macht's möglich: Mit § 370 a der Abgabenordnung (AO) hat der Finanzminister die "gewerbsmäßige Steuerhinterziehung" als Vortat zur Geldwäsche eingeführt und als Verbrechenstatbestand ausgestaltet. Die Folge: Jeder, der mehrfach Steuern hinterzogen hat, kann künftig härter verfolgt und sanktioniert werden. Denn die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eindeutig. "Gewerbsmäßig", so das oberste Zivilgericht, handelt bereits, "wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle verschaffen möchte".
Was wie ein Mittel zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität klingt, entpuppt sich damit zu einem Rundumschlag gegen alle Steuerbetrüger - ob groß oder klein. Zumal das Gesetz keine Mindestbetragsgrenze festlegt, ab der von "Gewerbsmäßigkeit" ausgegangen werden kann. Nach Angaben von Michael Streck, Präsident des Deutschen Anwaltvereins, fallen künftig etwa 75 % aller Steuerhinterzieher unter die neue Strafvorschrift.
Und das hat schwere Konsequenzen. Denn durch die Einstufung als Vortat zur Geldwäsche können gegen die "gewerbsmäßigen" Hinterzieher alle Fahndungsmaßnahmen eingesetzt werden, die das Gesetz dafür vorsieht. Verdeckte Ermittler, Telefonüberwachung oder Observation - alles das ist zulässig. Und die Berater des Steuersünders müssen eine Vertretung ablehnen, um nicht durch Entgegennahme von Honorar selbst von der Tat "angesteckt" zu werden. "Niemand, der vermutet, es mit einem Steuerhinterzieher zu tun zu haben, kann künftig von diesem Geld annehmen, da die Steuerschuld das gesamte Vermögen vergiftet", so Streck.
Für Sven Thomas, Steuer-Strafverteidiger aus Düsseldorf, sind Eichels Maßnahmen die reinste Hexenjagd. "Da werden einfache Bürger in die Nähe von Schwerverbrechern gerückt und völlig überzogene Mittel zu ihrer Verfolgung kreiert", betont der Anwalt gegenüber dem Handelsblatt. Dieter Hild, Partner der Düsseldorfer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rölfs-Partner, glaubt an gezielte Einschüchterung: "Das ganze reiht sich ein in eine Vielzahl neuer Vorschriften, mit denen ein riesiges Drohpotenzial aufgebaut wird, um die Steuerbürger gefügig zu machen."
Doch damit nicht genug. Da Eichel es unterlassen hat, die Vorschriften für die strafbefreiende Selbstanzeige auf die "gewerbsmäßige Steuerhinterziehung" auszudehnen, hat der Delinquent, anders als bei der gewöhnlichen Steuerhinterziehung, keine Möglichkeit, sich durch Offenbarung bei den Finanzbehörden vor der Strafe zu retten - die Selbstanzeige wird versperrt. Bereits aus fiskalischer Sicht die reinste Torheit, meint Jürgen Pinne, Präsident des Steuerberaterverbands. "Damit wird einem Großteil der Steuerunehrlichen die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit verwehrt, womit dem Staat erhebliche Einnahmen verloren gehen", so Pinne. Der ist damit ausnahmsweise einer Meinung mit seinem sonstigen Gegenspieler Dieter Ondracek, Chef der Steuergewerkschaft: Wenn mit gewerblicher Steuerhinterziehung derjenige gemeint sei, der Zinseinkünfte aus Luxemburg hinterziehe, müsse der Gesetzgeber hier nachjustieren. "Das ist nicht der gewerbsmäßige Hinterzieher, dem man mit der großen Keule drohen muss." Es wäre falsch, diesen Sündern den Weg zur Selbstanzeige zu verbauen, meint Ondracek.
Hinzu kommt, dass auch die Einstellung eines Strafverfahrens wegen Geringfügigkeit nicht mehr möglich ist. Denn die gewerbsmäßige Steuerhinterziehung gilt mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis als Verbrechen. "Und Verbrecher", betont Thomas, "müssen von der Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgt werden."