SAP riskiert für Mitarbeiter Zorn der Anleger
Von Joachim Zepelin, Hamburg
SAP will die derzeitige Krise auf dem Softwaremarkt nutzen, um sich schlank zu sparen. Das Festhalten an den ehrgeizigen Gewinnzielen sei vor allem ein Appell an die Beschäftigten des größten europäischen Softwarekonzerns, weiter Kosten zu sparen.
Das sagte Ko-Vorstandssprecher Henning Kagermann im Gespräch mit der Financial Times Deutschland. Sein Sprecher-Kollege Hasso Plattner hat auf einem Analystentreffen in New York vergangene Woche zudem deutlich gemacht, dass SAP derzeit weniger an Kurspflege interessiert sei. Im Vordergrund stehe vielmehr, sich jetzt durch interne Veränderungen auf den nächsten Aufschwung nach der Krise vorzubereiten.
Vor zehn Tagen hatte SAP ungläubiges Staunen von Analysten geerntet. Das Softwarehaus senkte seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr von 15 Prozent auf fünf bis zehn Prozent, hielt aber gleichzeitig daran fest, die Gewinnmarge um einen Punkt auf 21 Prozent steigern zu wollen. Finanzexperten reagierten skeptisch, weil das Unternehmen Entlassungen zum Tabu erklärt hat. Mit der vorhergesagten Gewinnmarge geht es den Walldorfern darum wieder so, wie vor der letzten Gewinnwarnung mit der Umsatzprognose: Kein Analyst glaubt daran, viele rechnen mit einer weiteren Gewinnwarnung. "Ohne große Einschnitte ist das so gut wie unmöglich", sagt etwa Theo Kitz von Merck Finck. "Mich wundert, dass sie bei den 21 Prozent geblieben sind", kommentiert Friederike Herkommer von der HVB.
Mitarbeiter in der Pflicht
"Es ist besser, später Schläge einzustecken, als jetzt zu vorsichtig zu sein", rechtfertigt Kagermann die Unternehmenspolitik. "Es ist schwer, aber es ist erreichbar." Die Börse, so glaubt der SAP-Chef, hätte auch eine Verringerung der Gewinnmarge akzeptiert. "Wir hätten uns absichern können." Doch der SAP-Vorstand habe am Donnerstag vorvergangener Woche die Ergebnisse und Geschäftserwartungen des Konzerns und der einzelnen regionalen Organisationen diskutiert und dann die Entscheidung getroffen, die Marge nicht zu senken und trotzdem Entlassungen auszuschließen. Als Preis dafür werden jetzt die Mitarbeiter in die Pflicht genommen. So hat das Management etwa ein unternehmensweites "Projekt 21" ausgerufen. Unter diesem Titel soll die Belegschaft Vorschläge machen, wo sich weitere Kosten abbauen lassen. Für Ende dieser Woche ist eine erste Bestandsaufnahme vorgesehen.
Beschlossen ist bereits, weniger externe Dienstleister zu beschäftigen und frei werdende Stellen nicht mehr zu besetzen. Außerdem sollen die Mitarbeiter künftig nur noch in der Economy-Klasse fliegen. "Wir können in diesen schwierigen Zeiten Dinge machen, die sonst nicht durchsetzbar sind", sagt Kagermann zu diesem Sparkatalog des Vorstands. Dabei geht es allerdings nicht nur ums Sparen. Auch die Umorganisation des Vertriebs gehört zu den Heilmitteln, die sich unter Krisenbedingungen leichter anwenden lassen als in guten Zeiten. "Wir hätten gerne schon viel früher versucht, von den großen Abschlüssen unabhängiger zu werden und stärker auf kleinere Abschlüsse zu setzen." Das hätte laut Kagermann wegen der Umstellungsprobleme aber voraussichtlich vier schlechte Quartale zur Folge gehabt. "Dafür hätten uns die Analysten geprügelt."
Weil derzeit die Quartale ohnehin schlecht und die Kurse unten sind, kann SAP die von üppigen Provisionen verwöhnten Verkäufer ohne große Verluste auf den neuen Kurs trimmen. Der Vorteil kleinerer Vertragsabschlüsse: Der Kontakt zu den Kunden wird stetiger und enger, das Investitionsvolumen wird überschaubarer, und der Druck auf das Softwarehaus, Preisnachlässe zu gewähren, sinkt. Der Trend zum Kleingeschäft wird, so der SAP-Chef, nicht für immer sein, aber "er wird schon darum länger anhalten, weil sich die Kunden daran gewöhnen". Doch nicht jeder im Vertrieb ist für den neuen Job geeignet: "Es wird wohl auch einen Austausch von Mitarbeitern geben".
© 2002 Financial Times Deutschland
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