Die Reaktion der Taliban und der bin-Laden-Gruppe auf den Militärschlag lässt erkennen, welche ideologischen und propagandistischen Gefechtslinien in den kommenden Tagen zu erwarten sind. Weil die Zahl der militärisch angreifbaren Ziele in Afghanistan in der Tat gering ist und anhaltende Luftschläge auch für die USA wenig Sinn machen, wird sich der Erfolg in der Auseinandersetzung mit dem Terror an anderen Kriterien messen müssen. Es geht nicht nur um zerstörte Waffen, Flugplätze und Trainingslager, es geht um die Entscheidung im Kopf: Stimmen die Mittel bei der Bekämpfung des Terrors? Bleiben bin Laden und die Taliban isoliert? Und die wichtigste Frage überhaupt: Wird all dies auch in der islamischen Welt als eine legitime und erfolgverheißende Auseinandersetzung mit dem Terrorismus akzeptiert, oder steht die Welt tatsächlich vor einem kulturell-religiösen Großkonflikt?
Diese Frage ist berechtigt, weil sie von einem gewissen Osama bin Laden höchstselbst aufgeworfen wird – so durchsichtig wie wirkungsvoll. Bin Laden ist es, der in Erwartung der Luftangriffe einen Auftritt inszenierte mit der Absicht, seine Opfer-Rolle zu dokumentieren und die islamische Welt zu radikalisieren. Bin Laden ist es, der Angst und Panik schürt, indem er neue Terror-Angriffe ankündigt. Bin Laden ist es, der sich zum Freiheitskämpfer für die islamische Sache stilisiert, quasi zum Robin Hood der Hungernden und der Landlosen im Irak und in den Palästinensergebieten. Bin Laden ist es, der sich als Gottgesandter gibt, als Gralshüter islamischer Stätten.
Die Rhetorik klingt nicht neu, aber sie wirkt katalytisch vor der Kulisse der fallenden Bomben. Das Kalkül lässt sich leicht durchschen, weil bin Laden es selbst formuliert: „Die Ereignisse haben die Welt in zwei Lager geteilt, das Lager der Gläubigen und das Lager der Ungläubigen.“ Will heißen: Die Welt steht aus bin Ladens Sicht vor einer religiös-kulturellen Auseinandersetzung, vor einem Glaubenskrieg. Oder wie der Abgesandte der Taliban in Pakistan formulierte: „Krieg gegen Afghanistan und gegen bin Laden bedeutet Krieg gegen den Islam.“
Diese Rhetorik zu widerlegen wird wertvoller sein, als ein paar Luftabwehrgeschütze der Taliban zu zerstören. Die Argumente sind zwar weniger gefährlich für Amerika und seine westlichen Verbündeten, die den propagandistischen Wert der Botschaft durchschauen können und gleichzeitig dankbar sein dürfen, dass bin Laden ein derart überzeugendes Werk der Selbstbezichtigung abgeliefert hat. Nach der Fernsehansprache wird niemand mehr behaupten können, bin Laden sei willkürlich in die Täterrolle gedrängt worden. Dieser Mann liebt seine Terror-Tat und er will mehr davon.
In der islamischen Welt entfalten die Argumente allerdings in Kombination mit Bomben und Raketen eine gefährliche Wirkung, sie erhöhen die Entflammbarkeit. Dieser Welt kann man deshalb nicht oft genug ein paar Botschaften vermitteln: Bin Laden ist kein Robin Hood, weil er geschwiegen hat, als die Palästinenser vor einem Jahr den umfassendsten Friedensentwurf aller Zeiten für ihre Region beiseite gewischt haben. Bin Laden kämpft nicht für die Kinder und die Frauen, weil er sonst auch Saddam Hussein und seine korrupte Korona wegen Unterschlagung und Unterdrückung kritisieren müsste. Bin Laden unterdrückt selbst, er steht für ein terroristisch-theokratisches Herrschaftssystem, das wie Saddam Hussein nicht vor dem Einsatz von Giftgas zurückschrecken würde, und das wie selbstverständlich foltert und knechtet. Bin Laden ist kein islamischer Freiheitskämpfer, er ist ein islamistischer Terrorist, was alle in der Anti-Terror-Koalition vereinten arabischen Staaten wissen und bekämpft sehen möchten.
In dieser Auseinandersetzung haben nun die USA zu dem politischen und diplomatischen Druck den militärischen Hebel gewählt. Nach all den Analysen der vergangenen Wochen über den Sinn eines Bombardements würde es verwundern, wenn Washington auf einen lange anhaltenden Militärschlag setzte. Für einige Tage werden die USA Ziele in Afghanistan und möglicherweise anderen, mit dem Terror eng verbundenen Ländern, bombardieren – alles andere würde die Stabilität in der islamischen Welt gefährden und die Auseinandersetzung radikalisieren. Den USA muss gleichwohl daran gelegen sein, Afghanistan als Hort der bin-Laden-Gruppe und der Taliban zu destabilisieren. Dazu sind Militärschläge sinnvoll, zumal wenn sie begleitet werden von mehr als nur symbolischen Signalen an die Not leidende Bevölkerung, dass die Angriffe den Tyrannen und nicht den Tyrannisierten gelten.
Betroffenheitsbekundungen über den Einsatz des Militärs mögen das Gewissen erleichtern – die terroristische Gefahr werden sie nicht bannen. Natürlich lassen sich auch die tiefen Ursachen für den gewaltbereiten Islamismus nennen: Armut, fehlgeleitete Herrschaftssysteme, kulturelle Überforderung, fehlgesteuerte Bündnis- und Interessenpolitik. All dies wird man berücksichtigen müssen, wenn man langfristig Stabilität erzielen will. Unmittelbar aber sieht sich die Welt einer Gefahr gegenüber, die nach einer schnellen Reaktion verlangt.
Bin Laden und seine Leute haben in ihrer Vernichtungsphilosophie ausreichend Belege geliefert, die den Einsatz des Militärs rechtfertigen. Fahrlässig wäre es, Proportionalität und Wirksamkeit der Militärangriffe nicht ständig zu prüfen. Terrorismus – das hat in den vergangenen Wochen jeder verstanden – lässt sich nicht alleine mit dem Militär bekämpfen. Aber der Terror muss entwurzelt und seiner Basis beraubt werden, zumal wenn er eine staatsähnliche Unterstützung wie im Afghanistan der Taliban genießt.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Diese Frage ist berechtigt, weil sie von einem gewissen Osama bin Laden höchstselbst aufgeworfen wird – so durchsichtig wie wirkungsvoll. Bin Laden ist es, der in Erwartung der Luftangriffe einen Auftritt inszenierte mit der Absicht, seine Opfer-Rolle zu dokumentieren und die islamische Welt zu radikalisieren. Bin Laden ist es, der Angst und Panik schürt, indem er neue Terror-Angriffe ankündigt. Bin Laden ist es, der sich zum Freiheitskämpfer für die islamische Sache stilisiert, quasi zum Robin Hood der Hungernden und der Landlosen im Irak und in den Palästinensergebieten. Bin Laden ist es, der sich als Gottgesandter gibt, als Gralshüter islamischer Stätten.
Die Rhetorik klingt nicht neu, aber sie wirkt katalytisch vor der Kulisse der fallenden Bomben. Das Kalkül lässt sich leicht durchschen, weil bin Laden es selbst formuliert: „Die Ereignisse haben die Welt in zwei Lager geteilt, das Lager der Gläubigen und das Lager der Ungläubigen.“ Will heißen: Die Welt steht aus bin Ladens Sicht vor einer religiös-kulturellen Auseinandersetzung, vor einem Glaubenskrieg. Oder wie der Abgesandte der Taliban in Pakistan formulierte: „Krieg gegen Afghanistan und gegen bin Laden bedeutet Krieg gegen den Islam.“
Diese Rhetorik zu widerlegen wird wertvoller sein, als ein paar Luftabwehrgeschütze der Taliban zu zerstören. Die Argumente sind zwar weniger gefährlich für Amerika und seine westlichen Verbündeten, die den propagandistischen Wert der Botschaft durchschauen können und gleichzeitig dankbar sein dürfen, dass bin Laden ein derart überzeugendes Werk der Selbstbezichtigung abgeliefert hat. Nach der Fernsehansprache wird niemand mehr behaupten können, bin Laden sei willkürlich in die Täterrolle gedrängt worden. Dieser Mann liebt seine Terror-Tat und er will mehr davon.
In der islamischen Welt entfalten die Argumente allerdings in Kombination mit Bomben und Raketen eine gefährliche Wirkung, sie erhöhen die Entflammbarkeit. Dieser Welt kann man deshalb nicht oft genug ein paar Botschaften vermitteln: Bin Laden ist kein Robin Hood, weil er geschwiegen hat, als die Palästinenser vor einem Jahr den umfassendsten Friedensentwurf aller Zeiten für ihre Region beiseite gewischt haben. Bin Laden kämpft nicht für die Kinder und die Frauen, weil er sonst auch Saddam Hussein und seine korrupte Korona wegen Unterschlagung und Unterdrückung kritisieren müsste. Bin Laden unterdrückt selbst, er steht für ein terroristisch-theokratisches Herrschaftssystem, das wie Saddam Hussein nicht vor dem Einsatz von Giftgas zurückschrecken würde, und das wie selbstverständlich foltert und knechtet. Bin Laden ist kein islamischer Freiheitskämpfer, er ist ein islamistischer Terrorist, was alle in der Anti-Terror-Koalition vereinten arabischen Staaten wissen und bekämpft sehen möchten.
In dieser Auseinandersetzung haben nun die USA zu dem politischen und diplomatischen Druck den militärischen Hebel gewählt. Nach all den Analysen der vergangenen Wochen über den Sinn eines Bombardements würde es verwundern, wenn Washington auf einen lange anhaltenden Militärschlag setzte. Für einige Tage werden die USA Ziele in Afghanistan und möglicherweise anderen, mit dem Terror eng verbundenen Ländern, bombardieren – alles andere würde die Stabilität in der islamischen Welt gefährden und die Auseinandersetzung radikalisieren. Den USA muss gleichwohl daran gelegen sein, Afghanistan als Hort der bin-Laden-Gruppe und der Taliban zu destabilisieren. Dazu sind Militärschläge sinnvoll, zumal wenn sie begleitet werden von mehr als nur symbolischen Signalen an die Not leidende Bevölkerung, dass die Angriffe den Tyrannen und nicht den Tyrannisierten gelten.
Betroffenheitsbekundungen über den Einsatz des Militärs mögen das Gewissen erleichtern – die terroristische Gefahr werden sie nicht bannen. Natürlich lassen sich auch die tiefen Ursachen für den gewaltbereiten Islamismus nennen: Armut, fehlgeleitete Herrschaftssysteme, kulturelle Überforderung, fehlgesteuerte Bündnis- und Interessenpolitik. All dies wird man berücksichtigen müssen, wenn man langfristig Stabilität erzielen will. Unmittelbar aber sieht sich die Welt einer Gefahr gegenüber, die nach einer schnellen Reaktion verlangt.
Bin Laden und seine Leute haben in ihrer Vernichtungsphilosophie ausreichend Belege geliefert, die den Einsatz des Militärs rechtfertigen. Fahrlässig wäre es, Proportionalität und Wirksamkeit der Militärangriffe nicht ständig zu prüfen. Terrorismus – das hat in den vergangenen Wochen jeder verstanden – lässt sich nicht alleine mit dem Militär bekämpfen. Aber der Terror muss entwurzelt und seiner Basis beraubt werden, zumal wenn er eine staatsähnliche Unterstützung wie im Afghanistan der Taliban genießt.
Quelle: Süddeutsche Zeitung