Die Verbraucher werden nicht gerade jetzt aufgeben

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Die Verbraucher werden nicht gerade jetzt aufgeben

 
27.02.02 07:06
Ein gordischer Knoten scheint nichts dagegen. Aber tatsächlich ist das ökonomische Kuddelmuddel gar nicht so kompliziert. Wie von den US-Frühindikatoren angedeutet, ist das Ifo-Geschäftsklima im Februar zum vierten Mal in Folge gestiegen, so stark wie seit November 1999 nicht mehr.

Der Abstand zwischen den Erwartungen und der Lageeinschätzung ist so ausgeprägt wie zuletzt Mitte 1994, ein gutes Omen. Dagegen bleibt das Verbrauchervertrauen zittrig, nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland. Aber fürchterlich überraschend kommt der jüngste Rückgang in den USA nicht. Erstens hinkt das Verbrauchervertrauen den Geschäftserwartungen tendenziell hinterher, wobei die Zögerlichkeit der deutschen Konsumenten deutlich markanter ist und leicht ein Jahr anhalten kann.

Zweitens war die Börse im Februar schwach. Immerhin liegt die Korrelation zwischen dem Verbrauchervertrauen und dem S&P seit 1996 selbst grob mit Monatsendwerten gerechnet bei 0,6 - und scheint sich auch in Deutschland langsam zu etablieren. Dass die Markterwartungen um ganze drei Punkte unterschritten wurden, mutet viel an. Aber wer mal probiert hat, derlei Indikatoren zu prognostizieren, wird kaum vom Hocker fallen. Zwischen dem Hoch und Tief des Index lagen allein in den letzten anderthalb Jahren 57,6 Punkte. Im Februar war der Index keine vier Punkte unter dem Schnitt seit der Ersterhebung 1978.

Keine Frage, dass die US-Verbraucher die Welt angesichts ihrer Schulden, ihrer Spar(ab)neigung und der insgesamt schwachen Börsenaussichten für die nächsten Jahre zu arglos sehen. Aber von einem Crash abgesehen, sollte ihre Zuversicht nicht gerade jetzt kollabieren, wo sie typischerweise den Erwartungen der Unternehmer folgen müsste.

Die verfügbaren Realeinkommen sind in den Staaten trotz sinkender Beschäftigung erstaunlich robust geblieben. Im Dezember lagen sie um zwei Prozent über dem Vorjahr. Die Anträge auf Arbeitslosenhilfe signalisieren unterdessen, dass sich der Beschäftigungsabbau per saldo verlangsamt. Die Verbraucher profitieren von Steuererleichterungen, niedrigen Zinsen und dem Ölpreis, der rund ein Viertel unter dem Vorjahr liegt (bei 20 $ pro Barrel gilt das bis zum Herbst).

Sofern das Zutrauen in die Börse nicht völlig zerrüttet ist, dürften sich die Anleger all dessen entsinnen und die Frühindikatoren bald wieder in den Vordergrund ihrer Erwägungen rücken, jedenfalls fürs Erste.

Pro Sieben Sat 1

Man soll das Jahr nicht vor dem Abschluss verfluchen. Pro Sieben Sat 1 gab am Dienstag stolz ein Ergebnis "deutlich über den Erwartungen" bekannt. Dürfte nach den drei Gewinnwarnungen nicht allzu schwer gewesen sein. Aber gleich 106 Mio. Euro vor Steuern, oder 16 Mio. Euro mehr als noch am 30. November angekündigt, ist schon ziemlich beachtlich.

Dabei ist der Werbemarkt auch im Dezember nicht gerade grandios gelaufen. Aber nur ein Miesepeter würde mutmaßen, dass die Ertragskraft von Pro Sieben rechtzeitig vor der damals geplanten Verschmelzung mit der Kirch Media gesenkt werden sollte. Das hätte der für die Pro-Sieben-Bewertung bestellte Prüfer Andersen sicher verhindert. Der hat sich schon bei Enron bewährt.

Man sollte also die jüngsten Zahlen nicht überbewerten. Aber der Papierform nach sehen sie nicht schlecht aus. Fest steht, dass die Senderfamilie zuletzt kräftig gespart hat. Auch ist klar, dass die Einnahmen der Nummer zwei am deutschen Fernsehwerbemarkt in die Höhe schießen werden, sobald die Konjunktur anzieht. Weil die Sender wenig selbst produzieren, würde das überdurchschnittlich aufs Ergebnis durchschlagen.

Dabei notieren die Aktien schon jetzt mit einem deutlichen Kirch-Abschlag. Pro Sieben kostet das 24fache des jetzt bekannt gegebenen Gewinns aus dem Krisenjahr 2001. Bereinigt um die Integrationskosten nach der Sat-1-Fusion von 15 Mio. Euro und der Wertberichtigung auf den Let’s-Buy-It-Anteil von 14 Mio. Euro würde das KGV gar bei 18,5 liegen.

Gut: Das ist nicht übertrieben günstig für ein Unternehmen, dessen pro forma gerechneter Gewinn seit 1996 zwar wild ausschlägt, aber kaum wächst, auch weil die Probleme bei Sat 1 noch nicht ausgestanden sind. Im Vergleich zu ausländischen Sendern ist Pro Sieben indes ein Schnäppchen. Marktkapitalisierung und Nettoschulden von 897 Mio. Euro entsprechen dem 1,6fachen Umsatz, ein Abschlag von gut 40 Prozent zum Sektor.

Natürlich bleibt die Gefahr, dass Kirch oder seine Gläubiger die Minderheitsaktionäre doch noch über den Tisch ziehen. Sowohl die Verschmelzung mit dem vielleicht-doch-noch-Partner Kirch Media als auch ein Verkauf der Pro-Sieben-Mehrheit könnte dazu viele Gelegenheiten bieten. Indes sollte beides nach der für die Hauptversammlung im Mai vorgeschlagenen Umwandlung der Vorzugsaktien in Stämme schwieriger werden. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Aber so gut wie im restlichen Sektor ist das Chance/Risiko-Verhältnis allemal.



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