Staatliche Altersvorsorge weltweit in der Krise
Den Industrienationen steht wegen sinkender Geburtsraten und der steigenden Lebenserwartung ein weitaus stärkerer Anstieg der staatlichen Ausgaben für die Altersvorsorge bevor, als dies bislang von offiziellen Schätzugen eingeräumt wird.
Dies ist eine der Erkenntnisse der Studie „The Global Retirement Crisis“, die vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Zusammenarbeit mit der Citigroup Inc herausgegeben wurde.
In erster Linie müssten die auf dem Umlageverfahren basierenden Rentensysteme umgebaut und ergänzt werden, betonte der Autor der Studie, Richard Jackson. „Die Projektionen der Europäischen Kommission und der OECD zum Arbeitsmarkt, Bevölkerungswachstum und zur Lebenserwartung gehen von einer historischen Trendumkehr aus und sind viel zu optimistisch“, kritisierte Jackson. Während beispielsweise offizielle Schätzungen davon ausgingen, dass die öffentlichen Ausgaben in Deutschland für die Altersversorgung bis zum Jahr 2050 bei 16,9 Prozent des BIP liegen werden, prognostiziert die CSIS-Studie eine Quote von 18,6 Prozent. Vorausgesetzt würden dabei die bisherigen historischen Durchschnittswerte. Die zu erwartende Quote von 13 Prozent des BIP in durchschnittlichen Industrieländern 2050 liege sogar doppelt so hoch wie die offiziellen Prognosen.
„Die Zeiten, in denen wir ohne Probleme Leistungszusagen geben konnten und es den künftigen Politikern überließen, wie die Zusagen zu erfüllen waren, sind vorbei“, resümiert die Studie. Neben der Reform der staatlichen Rentensysteme müsse die Lebensarbeitszeit verlängert, die private Vorsorge ausgebaut und Hindernisse für das Produktivitätswachstum beseitigt werden. Als „ersten positiven Schritt“ bezeichnete Jackson die Einführung der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge in Deutschland. Allerdings nehme die Quote der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland kontinuierlich ab und drohe in 50 Jahren um 35 Prozent zurückzugehen.
Europa und Japan: Rentensysteme am teuersten
Die Rentensysteme in Kontinentaleuropa und in Japan sind der Studie zufolge am teuersten und der Alterungsprozess am gravierendsten. Besser stünden dagegen die USA und Großbritannien da, die bereits über funktionierende private Vorsorgemodelle verfügten. Dabei sind die Voraussetzungen für Reformen der Studie zufolge noch günstig: Die „Baby Boom“-Generation werde erst ab 2005 in den Ruhestand drängen, und 1997 habe die Bevölkerung in den Industrieländern einen Höchststand erreicht.
In den kommenden fünf bis zehn Jahren werde sich die demographische Struktur dagegen verschieben, und Regierungen müssten bis dahin Reformen in die Wege geleitet haben, warnt das Washingtoner Institut. „Die Lösungen sollten die Grenzen zwischen öffentlicher Hand und privatem Sektor überspannen“, sagte Robert Shepler, Chief Operating Officer von Global Retirement Services der Citigroup Asset Management. Er betonte die Bedeutung des Sparens durch die privaten Haushalte. Hier gebe es auch in Europa großen Nachholbedarf: So hätten Umfragen ergeben, dass 56 Prozent der Europäer derzeit überhaupt nicht sparen würden.
Handelsblatt