News - 24.06.05 22:21
Die "Ich muss es machen"-Reise
Bundeskanzler Schröder steht vor einer schwierigen Reise in die Vereinigten Staaten. Zu Präsident Bush gibt es allenfalls ein gutes Arbeitsverhältnis, der Sitz im Sicherheitsrat entzweit beide Seiten. Doch der Kanzler hat keine Wahl.
HB WASHINGTON. Die Neokonservativen sind wie immer besonders unverblümt. Die Befürworter des Irak-Krieges in den USA, Australien oder Großbritannien seien alle wiedergewählt worden, die Gegner des Waffengangs in Frankreich und Deutschland stünden nun politisch fast am Abgrund, frohlockt Ex-Präsidentenberater David Frum.
Mit Kanzler Gerhard Schröder komme an diesem Montag ein innenpolitisch angeschlagener Kriegskritiker nach Washington, der "nicht mal eine lahme Ente, sondern eine tote Ente ist", lästert Deutschland-Experte Stephen Szabo von der Johns Hopkins Universität.
Selbst deutsche Diplomaten meinen, dass es "eine verdammt schwere Reise" für den Kanzler wird. Denn zum Präsidenten George W. Bush gebe es "im besten Fall ein gutes Arbeitsverhältnis." Zudem habe Washington vor kurzem dem großen Wunsch Schröders nach einem Platz im UN-Sicherheitsrat eine deutliche Absage erteilt.
Zwar beschwichtigte sogar Außenministerin Condoleezza Rice telefonisch am Vorabend der brüsken US-Erklärung Berlin, "um deutlich zu machen, dass das alles nicht gegen Deutschland gerichtet ist." Aber "natürlich haben das einige fast wie eine Ohrfeige empfunden", sagte ein Diplomat.
Der Kommentator im rechten TV-Sender "Fox News" brachte es wohl auf den Nenner, was manche in der US-Regierung denken: "Manchmal fragt man sich, ob Europäer ganz dicht im Kopf sind", räsoniert Moderator John Gibson - und meinte vor allem die Deutschen. Washington sei gegen einen deutschen Sitz im Weltsicherheitsrat, weil Deutschland nur "rein technisch" ein "Freund" sei. "Ausgerechnet unsere Regierung, die von deutschen Politikern vor dem Irak-Krieg "übel herumgetreten" wurde, soll für eine Mitgliedschaft Berlins "im exklusivsten Klub der Welt sein?", fragte er empört. "Da müsste man ja Lederhosen rauchen" um zu vergessen, wie "brutal und bösartig die Deutschen vor dem (Irak-) Krieg waren."
Solche krassen Töne wird es am Montag sicher nicht geben. Aber alle Freundlichkeiten, das Lächeln in die Kameras und die gegenseitigen Bekundungen gemeinsamer Interessen und gegenseitiger Wertschätzung im Oval Office des Weißen Hauses werden nicht darüber hinweg täuschen können, dass dieser Gipfel kaum ein Ergebnis bringen wird.
"Schröder konnte natürlich einen solchen Besuch nicht absagen, nun will er gute Bilder als ebenbürtiger, selbstbewusster Staatsmann für den Wahlkampf mit nach Hause bringen", meinte ein deutscher Diplomat nüchtern.
Zwar wird auch Bush kaum mehr deutsche Hilfe im Irak bekommen. Aber auch er denkt nicht an Zugeständnisse, zum Beispiel beim Kampf gegen die Klimaerwärmung, einem zentralen Thema beim G8-Gipfel Anfang Juli. Auch über die Krise der Europäischen Union wird gesprochen werden, wobei Bush natürlich das US-Interesse an einem "starken, einigen Europa" betonen wird.
Aber es hat sich manches geändert. Noch nie seien die Differenzen zwischen Europa und den USA "so extrem gewesen wie jetzt", meinte Ex-Außenminister Henry Kissinger. "Es wird schwierig, den Geist der Kameradschaft wiederzubeleben, der uns verloren gegangen ist", meinte Kissinger jüngst in einem Zeitungsinterview.
Das liegt auch am gesunkenen Stellenwert Europas in Washington. Obwohl deutsche Diplomaten sich freuen, dass ihr Rat im Weißen Haus oder Außenministerium deutlich gefragter ist als noch vor einem Jahr, bleibt die US-Politik sehr auf sich bezogen. Der Ex-Botschafter in Berlin, John Kornblum prangerte jüngst die Ignoranz seriöser US- Medien wie der "Washington Post" an, die nicht mal eine der "wichtigsten weltpolitischen Ereignisse des Jahres", die SPD-Pleite in Nordrhein-Westfalen, registriert hatten. Das zeige, "wie dramatisch eingeschränkt der politische Horizont der USA heute ist".
Schröders Visite wird deshalb kaum Resonanz haben, viele sehen in ihr einen "Abschiedsbesuch" und hoffen auf den politischen Wechsel in Berlin. Bush werde "froh sein, neue Gesichter zu sehen und eine weniger aktive deutsch-französische Achse", sagt Szabo. "Kein Zweifel, dass es leichter ist, mit Christdemokraten zusammenzuarbeiten als mit Schröder", meint die konservative "Washington Times".
Quelle: Handelsblatt.com
Die "Ich muss es machen"-Reise
Bundeskanzler Schröder steht vor einer schwierigen Reise in die Vereinigten Staaten. Zu Präsident Bush gibt es allenfalls ein gutes Arbeitsverhältnis, der Sitz im Sicherheitsrat entzweit beide Seiten. Doch der Kanzler hat keine Wahl.
HB WASHINGTON. Die Neokonservativen sind wie immer besonders unverblümt. Die Befürworter des Irak-Krieges in den USA, Australien oder Großbritannien seien alle wiedergewählt worden, die Gegner des Waffengangs in Frankreich und Deutschland stünden nun politisch fast am Abgrund, frohlockt Ex-Präsidentenberater David Frum.
Mit Kanzler Gerhard Schröder komme an diesem Montag ein innenpolitisch angeschlagener Kriegskritiker nach Washington, der "nicht mal eine lahme Ente, sondern eine tote Ente ist", lästert Deutschland-Experte Stephen Szabo von der Johns Hopkins Universität.
Selbst deutsche Diplomaten meinen, dass es "eine verdammt schwere Reise" für den Kanzler wird. Denn zum Präsidenten George W. Bush gebe es "im besten Fall ein gutes Arbeitsverhältnis." Zudem habe Washington vor kurzem dem großen Wunsch Schröders nach einem Platz im UN-Sicherheitsrat eine deutliche Absage erteilt.
Zwar beschwichtigte sogar Außenministerin Condoleezza Rice telefonisch am Vorabend der brüsken US-Erklärung Berlin, "um deutlich zu machen, dass das alles nicht gegen Deutschland gerichtet ist." Aber "natürlich haben das einige fast wie eine Ohrfeige empfunden", sagte ein Diplomat.
Der Kommentator im rechten TV-Sender "Fox News" brachte es wohl auf den Nenner, was manche in der US-Regierung denken: "Manchmal fragt man sich, ob Europäer ganz dicht im Kopf sind", räsoniert Moderator John Gibson - und meinte vor allem die Deutschen. Washington sei gegen einen deutschen Sitz im Weltsicherheitsrat, weil Deutschland nur "rein technisch" ein "Freund" sei. "Ausgerechnet unsere Regierung, die von deutschen Politikern vor dem Irak-Krieg "übel herumgetreten" wurde, soll für eine Mitgliedschaft Berlins "im exklusivsten Klub der Welt sein?", fragte er empört. "Da müsste man ja Lederhosen rauchen" um zu vergessen, wie "brutal und bösartig die Deutschen vor dem (Irak-) Krieg waren."
Solche krassen Töne wird es am Montag sicher nicht geben. Aber alle Freundlichkeiten, das Lächeln in die Kameras und die gegenseitigen Bekundungen gemeinsamer Interessen und gegenseitiger Wertschätzung im Oval Office des Weißen Hauses werden nicht darüber hinweg täuschen können, dass dieser Gipfel kaum ein Ergebnis bringen wird.
"Schröder konnte natürlich einen solchen Besuch nicht absagen, nun will er gute Bilder als ebenbürtiger, selbstbewusster Staatsmann für den Wahlkampf mit nach Hause bringen", meinte ein deutscher Diplomat nüchtern.
Zwar wird auch Bush kaum mehr deutsche Hilfe im Irak bekommen. Aber auch er denkt nicht an Zugeständnisse, zum Beispiel beim Kampf gegen die Klimaerwärmung, einem zentralen Thema beim G8-Gipfel Anfang Juli. Auch über die Krise der Europäischen Union wird gesprochen werden, wobei Bush natürlich das US-Interesse an einem "starken, einigen Europa" betonen wird.
Aber es hat sich manches geändert. Noch nie seien die Differenzen zwischen Europa und den USA "so extrem gewesen wie jetzt", meinte Ex-Außenminister Henry Kissinger. "Es wird schwierig, den Geist der Kameradschaft wiederzubeleben, der uns verloren gegangen ist", meinte Kissinger jüngst in einem Zeitungsinterview.
Das liegt auch am gesunkenen Stellenwert Europas in Washington. Obwohl deutsche Diplomaten sich freuen, dass ihr Rat im Weißen Haus oder Außenministerium deutlich gefragter ist als noch vor einem Jahr, bleibt die US-Politik sehr auf sich bezogen. Der Ex-Botschafter in Berlin, John Kornblum prangerte jüngst die Ignoranz seriöser US- Medien wie der "Washington Post" an, die nicht mal eine der "wichtigsten weltpolitischen Ereignisse des Jahres", die SPD-Pleite in Nordrhein-Westfalen, registriert hatten. Das zeige, "wie dramatisch eingeschränkt der politische Horizont der USA heute ist".
Schröders Visite wird deshalb kaum Resonanz haben, viele sehen in ihr einen "Abschiedsbesuch" und hoffen auf den politischen Wechsel in Berlin. Bush werde "froh sein, neue Gesichter zu sehen und eine weniger aktive deutsch-französische Achse", sagt Szabo. "Kein Zweifel, dass es leichter ist, mit Christdemokraten zusammenzuarbeiten als mit Schröder", meint die konservative "Washington Times".
Quelle: Handelsblatt.com