Die Dot.coms kommen wieder
Von Carsten Volkery, New York
Die Nasdaq erlebt in diesen Tagen ein Déjà-vu: Da gehen Unternehmen an die Börse, deren Verlust fast so hoch ist wie der Umsatz. Und eines trägt sogar ein ".com" im Namen.
New York - Abschreckender könnte die Warnung im Börsenprospekt kaum formuliert sein: "Wir haben eine beschränkte Geschäftserfahrung, eine Geschichte hoher Verluste, und wir erwarten Risiken und Unsicherheiten, wie sie bei jungen Unternehmen in Wachstumsmärkten üblich sind." Außerdem, so könnte das Unternehmen hinzufügen, müsse es am 1. Juni einen Drei-Millionen-Dollar-Kredit zurückzahlen, dafür bräuchte es dringend Geld. Natürlich von der Börse. Sind wir schon wieder so weit?
Das Unternehmen heißt Overstock.com, und sein genialer Business-Plan besteht darin, die Büros bankrotter Dot.coms zu plündern und den Kram zu verkaufen - online natürlich. "Internet-Geier" wird das Unternehmen aus Salt Lake City daher auch genannt. Dabei verkauft die Onlineversion von Rudis Resterampe auch noch anderen Überschuss: Bettwäsche, Teppiche, Staubsauger, Barbie-Puppen. Supersache. Das Geschäftsmodell ist so wasserdicht, dass Investor Amazon.com, der vom Online-Einzelhandel, dem so genannten E-Tailing, was versteht, seinen Sieben-Prozent-Anteil bei diesem Börsengang gerne loswerden möchte.
Reihenweise Technologie-Debütanten
Am Donnerstag feiert Overstock.com seine Premiere an der Nasdaq. Damit reiht es sich in eine ansehnliche Reihe von Tech-Firmen ein, die derzeit den Appetit der Anleger testen. Vergangene Woche debütierte Netflix, ein Online-DVD-Verleih. Ebenso stellten sich die Softwarehersteller Altiris und Computer Programs and Systems sowie IT-Berater SRA International dem Markt. Das Urteil fiel gemischt aus, Altiris etwa fielen gleich am ersten Tag unter den Emissionspreis. Dennoch: So viele Börsengänge von Technologie-Firmen in einer Woche hatte es seit Dezember 2001 nicht mehr gegeben.
Erleben wir das heiß ersehnte Revival des IPO-Marktes? So weit wollen Beobachter noch nicht gehen. Zwar könnten einzelne Firmen abräumen, aber insgesamt bleibe die Stimmung doch schlecht, sagen Analysten. Reine Internet-Börsengänge sind auch weiterhin Mangelware: Overstock.com und Netflix sind nach PayPal erst Nummer Zwei und Drei in diesem Jahr.
Anstelle von Startups gehen inzwischen vor allem Ableger großer Unternehmen an die Börse. Citigroup und Nestlé etwa haben dieses Jahr stattliche Unternehmensteile platziert. Mehr als die Hälfte der Neuemissionen im ersten Quartal fand an der New York Stock Exchange statt, früher hatte die Nasdaq das unangefochtene Monopol. Zunehmend wird von Börsenkandidaten auch erwartet, dass sie profitabel sind. 57 Prozent der seit Jahresbeginn angetretenen Newcomer schreiben schwarze Zahlen - gegenüber nur 35 Prozent in den ersten fünf Monaten des vergangenen Jahres.
Umso bemerkenswerter sind die Börsengänge von Netflix und Overstock.com. Beide Startups sind im roten Bereich, und beide wagen sich an die Nasdaq, die seit Jahresbeginn zweistellig eingebrochen ist. Immerhin hat Netflix das Anhängsel .com kurz vor dem Börsengang aus dem Namen gestrichen. Vielleicht war das der Grund, warum die Anleger positiv reagierten: Die Aktie legte am ersten Tag zwölf Prozent zu - der beste Neustart des Tages. Mittwoch schloss sie allerdings nur knapp über Ausgabekurs bei 15,45 Dollar.
Netflix verleiht DVDs. Für eine Monatsgebühr von 19,95 Dollar kann der Kunde so viele Filme ausleihen, wie er möchte. Zu jedem Zeitpunkt darf er maximal drei DVDs zu Hause haben - will er einen neuen Film, muss er einen anderen zurückschicken. Ausgesucht wird online, die DVDs kommen per Post.
Das Geschäftsmodell der Firma aus dem kalifornischen Los Gatos ist erfolgreich, die Quartalsberichte zeigen den richtigen Trend: Im ersten Quartal wuchs der Umsatz im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum um 79 Prozent auf 30,5 Millionen Dollar. Der Verlust fiel gleichzeitig um 82 Prozent auf 3,6 Millionen Dollar.
Overstock.com hingegen hat eine Problem-Bilanz: Für das erste Quartal wies das Unternehmen einen Verlust von 9,7 Millionen Dollar aus - bei einem Umsatz von zwölf Millionen Dollar. Das ist ein Verhältnis, wie es 1999 bei Dotcoms durchaus üblich war, inzwischen jedoch verpönt ist.
Kursanstiege wie in den besten Zeiten
Dass das Unternehmen dennoch über einen Börsengang nachdenkt, dürfte vor allem an PayPal liegen. Der Anbieter eines Online-Bezahlsystems hatte im Februar mit seinem Börsengang für eine Überraschung gesorgt: Gleich am ersten Tag schoss der Kurs um 55 Prozent nach oben, inzwischen hat die Aktie über hundert Prozent zugelegt. Das ist die beste Performance aller Neuemissionen der vergangenen sechs Monate.
Das hat den Appetit anderer Technologie-Firmen geweckt. Nächste Woche stehen insgesamt fünf Börsengänge an, drei davon sind Softwarehersteller. Und weitere Kandidaten stehen schon am Start: Vergangene Woche kündigte die Online-Reisebörse Orbitz an, 125 Millionen Dollar Kapital an der Nasdaq holen zu wollen. Beobachter geben dem Versuch gute Chancen, schließlich haben Reise-Websites die Internetkrise vergleichsweise unbeschadet überstanden. Die Aktie von Orbitz-Konkurrent Expedia notiert derzeit 470 Prozent über dem Ausgabekurs vom November 1999.
Nutzt Google die Gelegenheit?
Orbitz wurde von den fünf großen amerikanischen Fluggesellschaften gegründet. In nur anderthalb Jahren ist die Website zum drittgrößten Wettbewerber nach Expedia und Travelocity aufgestiegen. Durch den Börsengang wollen die selbst stark angeschlagenen Fluggesellschaften das verlustreiche Internet-Unternehmen finanziell auf eigene Beine stellen.
Als heißer Börsenkandidat gilt auch Google, der Suchmaschinenbetreiber. Bisher hat die Firma entsprechende Spekulationen immer zurückgewiesen. Doch mit dem Einsatz ihrer Technologie auf AOL und Yahoo!, sagen Analysten, sei der Zeitpunkt für den Börsengang gekommen.
Von Carsten Volkery, New York
Die Nasdaq erlebt in diesen Tagen ein Déjà-vu: Da gehen Unternehmen an die Börse, deren Verlust fast so hoch ist wie der Umsatz. Und eines trägt sogar ein ".com" im Namen.
New York - Abschreckender könnte die Warnung im Börsenprospekt kaum formuliert sein: "Wir haben eine beschränkte Geschäftserfahrung, eine Geschichte hoher Verluste, und wir erwarten Risiken und Unsicherheiten, wie sie bei jungen Unternehmen in Wachstumsmärkten üblich sind." Außerdem, so könnte das Unternehmen hinzufügen, müsse es am 1. Juni einen Drei-Millionen-Dollar-Kredit zurückzahlen, dafür bräuchte es dringend Geld. Natürlich von der Börse. Sind wir schon wieder so weit?
Das Unternehmen heißt Overstock.com, und sein genialer Business-Plan besteht darin, die Büros bankrotter Dot.coms zu plündern und den Kram zu verkaufen - online natürlich. "Internet-Geier" wird das Unternehmen aus Salt Lake City daher auch genannt. Dabei verkauft die Onlineversion von Rudis Resterampe auch noch anderen Überschuss: Bettwäsche, Teppiche, Staubsauger, Barbie-Puppen. Supersache. Das Geschäftsmodell ist so wasserdicht, dass Investor Amazon.com, der vom Online-Einzelhandel, dem so genannten E-Tailing, was versteht, seinen Sieben-Prozent-Anteil bei diesem Börsengang gerne loswerden möchte.
Reihenweise Technologie-Debütanten
Am Donnerstag feiert Overstock.com seine Premiere an der Nasdaq. Damit reiht es sich in eine ansehnliche Reihe von Tech-Firmen ein, die derzeit den Appetit der Anleger testen. Vergangene Woche debütierte Netflix, ein Online-DVD-Verleih. Ebenso stellten sich die Softwarehersteller Altiris und Computer Programs and Systems sowie IT-Berater SRA International dem Markt. Das Urteil fiel gemischt aus, Altiris etwa fielen gleich am ersten Tag unter den Emissionspreis. Dennoch: So viele Börsengänge von Technologie-Firmen in einer Woche hatte es seit Dezember 2001 nicht mehr gegeben.
Erleben wir das heiß ersehnte Revival des IPO-Marktes? So weit wollen Beobachter noch nicht gehen. Zwar könnten einzelne Firmen abräumen, aber insgesamt bleibe die Stimmung doch schlecht, sagen Analysten. Reine Internet-Börsengänge sind auch weiterhin Mangelware: Overstock.com und Netflix sind nach PayPal erst Nummer Zwei und Drei in diesem Jahr.
Anstelle von Startups gehen inzwischen vor allem Ableger großer Unternehmen an die Börse. Citigroup und Nestlé etwa haben dieses Jahr stattliche Unternehmensteile platziert. Mehr als die Hälfte der Neuemissionen im ersten Quartal fand an der New York Stock Exchange statt, früher hatte die Nasdaq das unangefochtene Monopol. Zunehmend wird von Börsenkandidaten auch erwartet, dass sie profitabel sind. 57 Prozent der seit Jahresbeginn angetretenen Newcomer schreiben schwarze Zahlen - gegenüber nur 35 Prozent in den ersten fünf Monaten des vergangenen Jahres.
Umso bemerkenswerter sind die Börsengänge von Netflix und Overstock.com. Beide Startups sind im roten Bereich, und beide wagen sich an die Nasdaq, die seit Jahresbeginn zweistellig eingebrochen ist. Immerhin hat Netflix das Anhängsel .com kurz vor dem Börsengang aus dem Namen gestrichen. Vielleicht war das der Grund, warum die Anleger positiv reagierten: Die Aktie legte am ersten Tag zwölf Prozent zu - der beste Neustart des Tages. Mittwoch schloss sie allerdings nur knapp über Ausgabekurs bei 15,45 Dollar.
Netflix verleiht DVDs. Für eine Monatsgebühr von 19,95 Dollar kann der Kunde so viele Filme ausleihen, wie er möchte. Zu jedem Zeitpunkt darf er maximal drei DVDs zu Hause haben - will er einen neuen Film, muss er einen anderen zurückschicken. Ausgesucht wird online, die DVDs kommen per Post.
Das Geschäftsmodell der Firma aus dem kalifornischen Los Gatos ist erfolgreich, die Quartalsberichte zeigen den richtigen Trend: Im ersten Quartal wuchs der Umsatz im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum um 79 Prozent auf 30,5 Millionen Dollar. Der Verlust fiel gleichzeitig um 82 Prozent auf 3,6 Millionen Dollar.
Overstock.com hingegen hat eine Problem-Bilanz: Für das erste Quartal wies das Unternehmen einen Verlust von 9,7 Millionen Dollar aus - bei einem Umsatz von zwölf Millionen Dollar. Das ist ein Verhältnis, wie es 1999 bei Dotcoms durchaus üblich war, inzwischen jedoch verpönt ist.
Kursanstiege wie in den besten Zeiten
Dass das Unternehmen dennoch über einen Börsengang nachdenkt, dürfte vor allem an PayPal liegen. Der Anbieter eines Online-Bezahlsystems hatte im Februar mit seinem Börsengang für eine Überraschung gesorgt: Gleich am ersten Tag schoss der Kurs um 55 Prozent nach oben, inzwischen hat die Aktie über hundert Prozent zugelegt. Das ist die beste Performance aller Neuemissionen der vergangenen sechs Monate.
Das hat den Appetit anderer Technologie-Firmen geweckt. Nächste Woche stehen insgesamt fünf Börsengänge an, drei davon sind Softwarehersteller. Und weitere Kandidaten stehen schon am Start: Vergangene Woche kündigte die Online-Reisebörse Orbitz an, 125 Millionen Dollar Kapital an der Nasdaq holen zu wollen. Beobachter geben dem Versuch gute Chancen, schließlich haben Reise-Websites die Internetkrise vergleichsweise unbeschadet überstanden. Die Aktie von Orbitz-Konkurrent Expedia notiert derzeit 470 Prozent über dem Ausgabekurs vom November 1999.
Nutzt Google die Gelegenheit?
Orbitz wurde von den fünf großen amerikanischen Fluggesellschaften gegründet. In nur anderthalb Jahren ist die Website zum drittgrößten Wettbewerber nach Expedia und Travelocity aufgestiegen. Durch den Börsengang wollen die selbst stark angeschlagenen Fluggesellschaften das verlustreiche Internet-Unternehmen finanziell auf eigene Beine stellen.
Als heißer Börsenkandidat gilt auch Google, der Suchmaschinenbetreiber. Bisher hat die Firma entsprechende Spekulationen immer zurückgewiesen. Doch mit dem Einsatz ihrer Technologie auf AOL und Yahoo!, sagen Analysten, sei der Zeitpunkt für den Börsengang gekommen.