Vor etwa vier Wochen war ich Gast bei einer sehr aufschlussreichen Veranstaltung. Es ging um ausserboersliche Kapitalanlagen, zum Beispiel Schiffsbeteiligungen, Container und um Investitionen in das in allen Medien auf das Breiteste gewuerdigte Luxushotelprojekt der Fundus-Gruppe in Heiligendamm. Die Unternehmen, die sich da praesentierten, waren natuerlich ueber jeden Zweifel erhaben, waren seit Jahren oder Jahrzehnten mit nachweisbaren Erfolgen auf ihrem jeweiligen Gebiet taetig. Insoweit hatte ich gegen deren Angebote auch nichts einzuwenden. Zumindest auf den ersten Blick.
Mich stoerte nur, dass die ganze Veranstaltung unter einem Motto stand und von einer Stimmung gepraegt war, die man kurz so zusammenfassen koennte: Die Boerse ist tot. Mit Aktien, so der allgemeine Tenor, koenne man ohnehin nichts mehr verdienen. Schliesslich sei die Rendite von Aktienanlagen in den vergangenen Jahren einfach katastrophal gewesen. Und die Anwesenden – groesstenteils gut bis sehr gut betuchte Privatiers – schienen diese Meinung durchaus zu teilen. Zumindest waren sie lebhaft an Investments interessiert, die nach den Worten der Anbieter eine relativ sichere Nachsteuerrendite von sechs Prozent pro Jahr abwerfen.
Nun versetzen Sie sich im Geiste mal um drei, vier Jahre zurueck. Damals ging es den allermeisten Anlegern nicht um sechs Prozent, sondern darum, ihr Kapital zu verdoppeln. Und zwar hurtig; moeglichst noch vor der naechsten Hauptversammlung derjenigen Internetklitsche, auf deren wolkiges Business-Modell sie hereingefallen waren.
Kurzes Gedaechtnis?
Es ist wirklich erstaunlich, wie sehr die Erwartungen der Anleger von den jeweils juengsten Erfahrungen gepraegt und wie vollstaendig fruehere Erfahrungen ausgeblendet werden.
Solche Veranstaltungen (ebenso wie die Tatsache, dass zehnjaehrige Bundesanleihen derzeit eine Rendite von 3,6 Prozent abwerfen) bestaerken mich in meiner Ueberzeugung, dass die Trendwende an der Boerse nicht mehr weit entfernt sein kann, vielleicht sogar schon stattgefunden hat. Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafuer ist unlaengst geschaffen worden: Die EZB hat die Leitzinsen im Euro-Raum um 50 Basispunkte gesenkt. Die Reaktion an den Boersen war zunaechst mau; ein Zinsschritt in dieser Hoehe war erwartet und an den vorangegangenen Tagen weitgehend eingepreist worden.
Eines duerfen wir aber niemals vergessen: Egal, was die Boersianer darueber denken, eine Leitzinsveraenderung ist ein knueppelhartes Faktum mit recht gut prognostizierbaren Folgen auf mittlere Sicht. Zunaechst erwarte ich mir davon das Ende der Euro-Staerke gegenueber dem Dollar. Die hohe Zinsdifferenz zwischen den USA und Euroland war der Hauptgrund fuer die Dollarschwaeche der vergangenen Monate. Natuerlich gibt es auch das Argument des immensen Leistungsbilanzdefizits der USA, aber das ist nun wahrlich nicht neu.
Neu war seit einigen Monaten die enorme Zinsdifferenz zwischen U.S. Treasury Bonds und europaeischen Staatsanleihen, die sich nun reduzieren wird.
Horrorprognosen
Ganz im Gegensatz zu den in juengster Zeit veroeffentlichten Horrorprognosen, wo man von einem Euro/Dollar-Wechselkurs von 1,40 oder 1,45 lesen konnte, gehe ich daher fuer die naechsten Monate von einem gegenueber dem Euro steigenden Dollar aus. Natuerlich hat auch die FED noch Spielraum fuer weitere Zinssenkungen, aber dieser Spielraum ist doch weit enger begrenzt als der, ueber den die EZB noch verfuegt .
Aus diesem Grund haben deutsche Anleger guten Grund, sich in den USA nach soliden, vernuenftig bewerteten Aktien umzusehen. Die Zeit, als die ohnehin raren Kursgewinne durch Wechselkursverluste aufgezehrt wurden, duerfte vorbei sein. Mit dieser Meinung scheine ich allerdings ziemlich allein dazustehen, liest man doch ueberall, amerikanische Aktien seien nach wie vor viel zu teuer. Das ist natuerlich Quatsch. Im S&P-500, ja selbst im Nasdaq-100 gibt es etliche sehr fair bewertete, sogar unterbewertete Aktien, und die teuren braucht man ja nicht zu kaufen.
Insofern ist das Durchschnitts-KGV, -KCV oder -KBV aller Aktien in einem Index voellig uninteressant. André Kostolany hat das einmal sehr schoen dargelegt: Auf die Durchschnittskennzahlen aller Aktien in einem Index zu achten ist etwa so, als wuerde der Chefarzt einer Klinik den Gesundheitszustand seiner Patienten an deren durchschnittlicher Koerpertemperatur messen. Liegt dieser Durchschnitt bei 37 Grad, wird der Arzt zu der Schlussfolgerung gelangen, alle Patienten seien gesund – obwohl der eine bei 41 Grad Fieber vor sich hin koechelt und ein anderer mit 33 Grad Temperatur schon vor ein paar Stunden den letalen Abgang vollzogen hat.
Ganz abgesehen davon muss, wer ueber die hohe Bewertung amerikanischer Aktien redet, natuerlich auch bedenken, dass die Rendite von U.S. Treasury Bonds juengst ein historisches Tief erreicht hat, und das relativiert doch einiges.
Fahne im Wind
Interessant ist auch, was sich derzeit in den Analyseabteilungen deutscher Banken abspielt: Da werden Aktien vom Urteil „verkaufen“ ohne weiteres und ohne den ueblichen Umweg ueber „neutral“, „Market Performer“, „akkumulieren“ oder „uebergewichten“ direkt auf „kaufen“ hochgestuft. Das laesst eigentlich nur den Schluss zu, dass die betreffenden Analysten wieder einmal das tun, was sie schon immer getan haben: Sie haengen ihr Faehnchen nach dem Wind und werden desto optimistischer, je hoeher die Kurse steigen. Das hatten wir doch schon mal. Besser: Das hatten wir eigentlich immer. Schoen ist auch, dass exakt diejenigen Aktien aus dem DAX, die noch vor Wochen kaum jemand mit der Kneifzange anfassen mochte, seit Maerz eine Kursentwicklung hingelegt haben, fuer die man mit einer Schiffsbeteiligung oder einem Containerkauf ein gutes Jahrzehnt einkalkulieren muesste.
Letztlich braucht man sich aber auch gar nicht darum zu kuemmern, was wirkliche oder vermeintliche Experten raten. Es genuegt voellig, sich an seit Jahrzehnten bewaehrten Kriterien zu orientieren, um zu erkennen, ob eine Aktie, eine Branche oder ein Gesamtmarkt so bewertet ist, dass ein Anleger mittel- bis langfristig gute Aussichten auf eine vernuenftige Gesamtrendite aus Kursgewinnen und Dividenden erzielen kann. Und solche Aktien gibt es derzeit viele. Nicht nur in Deutschland und in den USA, aber vor allem in diesen beiden Maerkten.
QUELLE: doersam-briefe.de
So long,
Calexa
www.investorweb.de
Mich stoerte nur, dass die ganze Veranstaltung unter einem Motto stand und von einer Stimmung gepraegt war, die man kurz so zusammenfassen koennte: Die Boerse ist tot. Mit Aktien, so der allgemeine Tenor, koenne man ohnehin nichts mehr verdienen. Schliesslich sei die Rendite von Aktienanlagen in den vergangenen Jahren einfach katastrophal gewesen. Und die Anwesenden – groesstenteils gut bis sehr gut betuchte Privatiers – schienen diese Meinung durchaus zu teilen. Zumindest waren sie lebhaft an Investments interessiert, die nach den Worten der Anbieter eine relativ sichere Nachsteuerrendite von sechs Prozent pro Jahr abwerfen.
Nun versetzen Sie sich im Geiste mal um drei, vier Jahre zurueck. Damals ging es den allermeisten Anlegern nicht um sechs Prozent, sondern darum, ihr Kapital zu verdoppeln. Und zwar hurtig; moeglichst noch vor der naechsten Hauptversammlung derjenigen Internetklitsche, auf deren wolkiges Business-Modell sie hereingefallen waren.
Kurzes Gedaechtnis?
Es ist wirklich erstaunlich, wie sehr die Erwartungen der Anleger von den jeweils juengsten Erfahrungen gepraegt und wie vollstaendig fruehere Erfahrungen ausgeblendet werden.
Solche Veranstaltungen (ebenso wie die Tatsache, dass zehnjaehrige Bundesanleihen derzeit eine Rendite von 3,6 Prozent abwerfen) bestaerken mich in meiner Ueberzeugung, dass die Trendwende an der Boerse nicht mehr weit entfernt sein kann, vielleicht sogar schon stattgefunden hat. Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafuer ist unlaengst geschaffen worden: Die EZB hat die Leitzinsen im Euro-Raum um 50 Basispunkte gesenkt. Die Reaktion an den Boersen war zunaechst mau; ein Zinsschritt in dieser Hoehe war erwartet und an den vorangegangenen Tagen weitgehend eingepreist worden.
Eines duerfen wir aber niemals vergessen: Egal, was die Boersianer darueber denken, eine Leitzinsveraenderung ist ein knueppelhartes Faktum mit recht gut prognostizierbaren Folgen auf mittlere Sicht. Zunaechst erwarte ich mir davon das Ende der Euro-Staerke gegenueber dem Dollar. Die hohe Zinsdifferenz zwischen den USA und Euroland war der Hauptgrund fuer die Dollarschwaeche der vergangenen Monate. Natuerlich gibt es auch das Argument des immensen Leistungsbilanzdefizits der USA, aber das ist nun wahrlich nicht neu.
Neu war seit einigen Monaten die enorme Zinsdifferenz zwischen U.S. Treasury Bonds und europaeischen Staatsanleihen, die sich nun reduzieren wird.
Horrorprognosen
Ganz im Gegensatz zu den in juengster Zeit veroeffentlichten Horrorprognosen, wo man von einem Euro/Dollar-Wechselkurs von 1,40 oder 1,45 lesen konnte, gehe ich daher fuer die naechsten Monate von einem gegenueber dem Euro steigenden Dollar aus. Natuerlich hat auch die FED noch Spielraum fuer weitere Zinssenkungen, aber dieser Spielraum ist doch weit enger begrenzt als der, ueber den die EZB noch verfuegt .
Aus diesem Grund haben deutsche Anleger guten Grund, sich in den USA nach soliden, vernuenftig bewerteten Aktien umzusehen. Die Zeit, als die ohnehin raren Kursgewinne durch Wechselkursverluste aufgezehrt wurden, duerfte vorbei sein. Mit dieser Meinung scheine ich allerdings ziemlich allein dazustehen, liest man doch ueberall, amerikanische Aktien seien nach wie vor viel zu teuer. Das ist natuerlich Quatsch. Im S&P-500, ja selbst im Nasdaq-100 gibt es etliche sehr fair bewertete, sogar unterbewertete Aktien, und die teuren braucht man ja nicht zu kaufen.
Insofern ist das Durchschnitts-KGV, -KCV oder -KBV aller Aktien in einem Index voellig uninteressant. André Kostolany hat das einmal sehr schoen dargelegt: Auf die Durchschnittskennzahlen aller Aktien in einem Index zu achten ist etwa so, als wuerde der Chefarzt einer Klinik den Gesundheitszustand seiner Patienten an deren durchschnittlicher Koerpertemperatur messen. Liegt dieser Durchschnitt bei 37 Grad, wird der Arzt zu der Schlussfolgerung gelangen, alle Patienten seien gesund – obwohl der eine bei 41 Grad Fieber vor sich hin koechelt und ein anderer mit 33 Grad Temperatur schon vor ein paar Stunden den letalen Abgang vollzogen hat.
Ganz abgesehen davon muss, wer ueber die hohe Bewertung amerikanischer Aktien redet, natuerlich auch bedenken, dass die Rendite von U.S. Treasury Bonds juengst ein historisches Tief erreicht hat, und das relativiert doch einiges.
Fahne im Wind
Interessant ist auch, was sich derzeit in den Analyseabteilungen deutscher Banken abspielt: Da werden Aktien vom Urteil „verkaufen“ ohne weiteres und ohne den ueblichen Umweg ueber „neutral“, „Market Performer“, „akkumulieren“ oder „uebergewichten“ direkt auf „kaufen“ hochgestuft. Das laesst eigentlich nur den Schluss zu, dass die betreffenden Analysten wieder einmal das tun, was sie schon immer getan haben: Sie haengen ihr Faehnchen nach dem Wind und werden desto optimistischer, je hoeher die Kurse steigen. Das hatten wir doch schon mal. Besser: Das hatten wir eigentlich immer. Schoen ist auch, dass exakt diejenigen Aktien aus dem DAX, die noch vor Wochen kaum jemand mit der Kneifzange anfassen mochte, seit Maerz eine Kursentwicklung hingelegt haben, fuer die man mit einer Schiffsbeteiligung oder einem Containerkauf ein gutes Jahrzehnt einkalkulieren muesste.
Letztlich braucht man sich aber auch gar nicht darum zu kuemmern, was wirkliche oder vermeintliche Experten raten. Es genuegt voellig, sich an seit Jahrzehnten bewaehrten Kriterien zu orientieren, um zu erkennen, ob eine Aktie, eine Branche oder ein Gesamtmarkt so bewertet ist, dass ein Anleger mittel- bis langfristig gute Aussichten auf eine vernuenftige Gesamtrendite aus Kursgewinnen und Dividenden erzielen kann. Und solche Aktien gibt es derzeit viele. Nicht nur in Deutschland und in den USA, aber vor allem in diesen beiden Maerkten.
QUELLE: doersam-briefe.de
So long,
Calexa
www.investorweb.de