Der Wurmfortsatz der USA
Von Bernd Niquet
Zunächst einmal fällt mir regelrecht ein Stein vom Herzen. Und erst dann registriere ich meine eigene Verwunderung. Das Worst-Case-Szenario ist bisher glücklicherweise nicht eingetroffen. Die Baisse der Technologieaktien hat nicht übergegriffen auf die Blue Chips aus den traditionellen Wirtschaftsbranchen. Zumindest nicht in den USA.
Kann Europa sich abkoppeln?
Doch nur das ist wichtig, denn Europa ist - trotz aller Dementis - letztlich nicht mehr als ein Wurmfortsatz der Amerikaner. Wie wir gerade im letzten Jahr sehen konnten: Die Nasdaq hat gewackelt, der Neue Markt hingegen ist untergegangen. Und während der Dow Jones nur noch 3 Prozent von seinem All-Time-High entfernt ist, beträgt die gleiche Differenz beim Dax etwa 25 Prozent - trotz all der Abkopplungs-, Unabhängigkeits- und Nachholpotenzialthesen, die immer wieder verbreitet werden.
Das bringt mich natürlich sofort zu George W. Bush. Denn der Wurmfortsatz von George W. Bush zu sein, ist in der Tat ein noch bittereres Schicksal, als der US-Geldpolitik und der US-Wirtschaft ausgeliefert zu sein. Selbst dann, wenn man mit seiner Geldanlage in US-Blue-Chips der Baisse bisher recht erfolgreich ein Schnippchen geschlagen hat.
Immer dann, wenn ich den heutigen US-amerikanischen Präsidenten sehe, muss ich mit Schaudern an meine eigene Grundschulzeit denken. Auch dort gab es Leute, die - aus hauptsächlich körperlichen Gründen - eine gewisse Überlegenheit entwickelt hatten, die sie überdies mit der Eigenschaft kombinierten, sie bei jeder Gelegenheit jedermann so deutlich wie möglich vorzuführen. Will sagen: Es läuft mir eiskalt über den Rücken, wenn ich George W. Bush sehe und bedenke, dass dieser letztlich im Stadium des Halbstarken Verbliebene nach Alan Greenspan der zweitmächtigste Mann der Welt ist. Und ich möchte lieber nicht daran denken, ob dieser Mann im Extremfall das Verantwortungsgefühl eines John F. Kennedys aufbringen würde, der sich in der Kuba-Krise nachgewiesenermaßen auf seine eigene Verantwortung verlassen und sich über den Rat seiner Berater hinweggesetzt hat - und damit der Welt eine Katastrophe erspart hat.
Die Käuflichkeit von Politik
Die gegenwärtige US-Politik zeigt auch dem letzten Gutgläubigen, in welcher Form Politik letztlich käuflich ist. 60 Millionen Dollar Wahlkampfspenden von der Energielobby - und jetzt sollen zwischen 1.300 und 1.900 (!) neue Kraftwerke gebaut werden. (Eigentlich ein Schleuderpreis für die Lobbyarbeit, 32.000 bis 46.000 Dollar pro neues Kraftwerk.) Dahinter steckt natürlich ein hartes marktwirtschaftliches Kalkül: Steigen die Energiepreise, dann übt nur eine massive Ausweitung des Energieangebots einen deutlich Abwärtsdruck auf das Preisniveau aus.
Doch, einmal ganz abgesehen von den Auswirkungen auf die Umwelt, ist diese Politik tatsächlich marktwirtschaftlich konsistent? Die US-amerikanische Automobilindustrie beispielsweise ist außerhalb der USA völlig chancenlos. Sie hat ihren Vorsprung der Nachkriegszeit vollkommen verspielt, weil der Rest der Welt durch vielfältigen Druck gezwungen war, seine Produktion wie seine Produkte rationeller und effizienter herzustellen.
Eine tragbare Zukunftsstrategie?
Die große Frage bleibt daher: Kann es einem Land gelingen, sich auf Dauer von den Weltmarktbedingungen abzukoppeln, ein weiteres Steigen der Energiepreise also aufzuhalten oder gar umzukehren? Sollte dies tatsächlich möglich sein - so wie dies den USA ja in Währungsdingen durch das Innehaben der Leitwährungsfunktion schon seit langem gelungen ist - dann ist die gegenwärtige US-Energiepolitik bezogen auf den Markt vernünftig. Sollte das jedoch nicht gelingen, dann wird die Anpassung an die Realitäten in der Post-Bush-Ära nur noch schwieriger werden. Man sollte also durchaus die kritische Brille nicht ganz vergessen, wenn man einen Blick auf die verarbeitende Industrie in den USA wirft.
Letztlich jedoch ist und bleibt dieses Thema eher ein kulturelles als ein wirtschaftliches. Denn da die US-Bürger es gleichsam als Naturrecht verstehen, Energie in maximaler Form zu verbrauchen, werden alle Appelle zum Energiesparen auf taube Ohren stoßen - genauso wie die Forderungen, die wirklichen Kosten der Energiegewinnung inclusive der Umweltkosten in die Preise einzurechnen und letzlich vom Verbraucher tragen zu lassen.
Apropos taube Ohren: Als ich am Wochenende eine Flasche wunderbaren "Chateauneuf du Pape" aufmachte, merkte ich, dass ich hier eine Flasche für den US-Export erwischt hatte. Denn natürlich weiß in den USA niemand, was sich hinter einem derartigen Namen verbirgt. Der Verweis darauf, dass es sich hierbei um einen Rhone-Wein handelt, ist also durchaus legitim. Doch was auf der Flasche stand, ließ vielmehr nicht nur auf taube Ohren, sondern überdies auf eine abgestorbene Zunge und blinde Augen schließen. Denn es fehlte doch tatsächlich nicht der Hinweis, dass in der Flasche Rot- und kein Weißwein enthalten ist.
Die Franzosen haben anscheinend also einen durchaus humorvolleren Weg gewählt, mit den Amis umzugehen als wir ernsten Deutschen. Und wahrscheinlich haben sie auch deutlich weniger US-Aktien in ihren Portefeuilles.
Von Bernd Niquet
Zunächst einmal fällt mir regelrecht ein Stein vom Herzen. Und erst dann registriere ich meine eigene Verwunderung. Das Worst-Case-Szenario ist bisher glücklicherweise nicht eingetroffen. Die Baisse der Technologieaktien hat nicht übergegriffen auf die Blue Chips aus den traditionellen Wirtschaftsbranchen. Zumindest nicht in den USA.
Kann Europa sich abkoppeln?
Doch nur das ist wichtig, denn Europa ist - trotz aller Dementis - letztlich nicht mehr als ein Wurmfortsatz der Amerikaner. Wie wir gerade im letzten Jahr sehen konnten: Die Nasdaq hat gewackelt, der Neue Markt hingegen ist untergegangen. Und während der Dow Jones nur noch 3 Prozent von seinem All-Time-High entfernt ist, beträgt die gleiche Differenz beim Dax etwa 25 Prozent - trotz all der Abkopplungs-, Unabhängigkeits- und Nachholpotenzialthesen, die immer wieder verbreitet werden.
Das bringt mich natürlich sofort zu George W. Bush. Denn der Wurmfortsatz von George W. Bush zu sein, ist in der Tat ein noch bittereres Schicksal, als der US-Geldpolitik und der US-Wirtschaft ausgeliefert zu sein. Selbst dann, wenn man mit seiner Geldanlage in US-Blue-Chips der Baisse bisher recht erfolgreich ein Schnippchen geschlagen hat.
Immer dann, wenn ich den heutigen US-amerikanischen Präsidenten sehe, muss ich mit Schaudern an meine eigene Grundschulzeit denken. Auch dort gab es Leute, die - aus hauptsächlich körperlichen Gründen - eine gewisse Überlegenheit entwickelt hatten, die sie überdies mit der Eigenschaft kombinierten, sie bei jeder Gelegenheit jedermann so deutlich wie möglich vorzuführen. Will sagen: Es läuft mir eiskalt über den Rücken, wenn ich George W. Bush sehe und bedenke, dass dieser letztlich im Stadium des Halbstarken Verbliebene nach Alan Greenspan der zweitmächtigste Mann der Welt ist. Und ich möchte lieber nicht daran denken, ob dieser Mann im Extremfall das Verantwortungsgefühl eines John F. Kennedys aufbringen würde, der sich in der Kuba-Krise nachgewiesenermaßen auf seine eigene Verantwortung verlassen und sich über den Rat seiner Berater hinweggesetzt hat - und damit der Welt eine Katastrophe erspart hat.
Die Käuflichkeit von Politik
Die gegenwärtige US-Politik zeigt auch dem letzten Gutgläubigen, in welcher Form Politik letztlich käuflich ist. 60 Millionen Dollar Wahlkampfspenden von der Energielobby - und jetzt sollen zwischen 1.300 und 1.900 (!) neue Kraftwerke gebaut werden. (Eigentlich ein Schleuderpreis für die Lobbyarbeit, 32.000 bis 46.000 Dollar pro neues Kraftwerk.) Dahinter steckt natürlich ein hartes marktwirtschaftliches Kalkül: Steigen die Energiepreise, dann übt nur eine massive Ausweitung des Energieangebots einen deutlich Abwärtsdruck auf das Preisniveau aus.
Doch, einmal ganz abgesehen von den Auswirkungen auf die Umwelt, ist diese Politik tatsächlich marktwirtschaftlich konsistent? Die US-amerikanische Automobilindustrie beispielsweise ist außerhalb der USA völlig chancenlos. Sie hat ihren Vorsprung der Nachkriegszeit vollkommen verspielt, weil der Rest der Welt durch vielfältigen Druck gezwungen war, seine Produktion wie seine Produkte rationeller und effizienter herzustellen.
Eine tragbare Zukunftsstrategie?
Die große Frage bleibt daher: Kann es einem Land gelingen, sich auf Dauer von den Weltmarktbedingungen abzukoppeln, ein weiteres Steigen der Energiepreise also aufzuhalten oder gar umzukehren? Sollte dies tatsächlich möglich sein - so wie dies den USA ja in Währungsdingen durch das Innehaben der Leitwährungsfunktion schon seit langem gelungen ist - dann ist die gegenwärtige US-Energiepolitik bezogen auf den Markt vernünftig. Sollte das jedoch nicht gelingen, dann wird die Anpassung an die Realitäten in der Post-Bush-Ära nur noch schwieriger werden. Man sollte also durchaus die kritische Brille nicht ganz vergessen, wenn man einen Blick auf die verarbeitende Industrie in den USA wirft.
Letztlich jedoch ist und bleibt dieses Thema eher ein kulturelles als ein wirtschaftliches. Denn da die US-Bürger es gleichsam als Naturrecht verstehen, Energie in maximaler Form zu verbrauchen, werden alle Appelle zum Energiesparen auf taube Ohren stoßen - genauso wie die Forderungen, die wirklichen Kosten der Energiegewinnung inclusive der Umweltkosten in die Preise einzurechnen und letzlich vom Verbraucher tragen zu lassen.
Apropos taube Ohren: Als ich am Wochenende eine Flasche wunderbaren "Chateauneuf du Pape" aufmachte, merkte ich, dass ich hier eine Flasche für den US-Export erwischt hatte. Denn natürlich weiß in den USA niemand, was sich hinter einem derartigen Namen verbirgt. Der Verweis darauf, dass es sich hierbei um einen Rhone-Wein handelt, ist also durchaus legitim. Doch was auf der Flasche stand, ließ vielmehr nicht nur auf taube Ohren, sondern überdies auf eine abgestorbene Zunge und blinde Augen schließen. Denn es fehlte doch tatsächlich nicht der Hinweis, dass in der Flasche Rot- und kein Weißwein enthalten ist.
Die Franzosen haben anscheinend also einen durchaus humorvolleren Weg gewählt, mit den Amis umzugehen als wir ernsten Deutschen. Und wahrscheinlich haben sie auch deutlich weniger US-Aktien in ihren Portefeuilles.