Von Markus Becker
Killer-Application von morgen oder Aprilscherz von gestern? Ein amerikanisches Unternehmen will das datentechnische Ei des Kolumbus gefunden haben: Dank eines neuen mathematischen Verfahrens sollen Dateien auf ein Hundertstel ihrer Normalgröße schrumpfen.
Die Firma ZeoSync sieht durch ihre Entdeckung ein neues Zeitalter in der Datenspeicherung aufziehen - und rechnet mit immensen Kosteneinsparungen etwa bei der Datenübertragung im Internet. Die Technologie soll nach Angaben des Unternehmens mit Sitz in Florida im Jahr 2003 marktreif sein.
DPA
Demnächst noch kleiner? Moderne Festplatte und 2-MB-Scheibe von 1971.
Bis dahin allerdings, räumt ZeoSync ein, gibt es noch viel zu tun. Denn bisher seien in Laborversuchen nur Datensätze von einigen hundert Bit komprimiert und verlustfrei wiederhergestellt worden. Dessen ungeachtet hätten Chiphersteller und Hollywood-Filmproduzenten bereits Interesse an der Technologie bekundet.
Die Firma will mit nicht namentlich genannten Experten der Harvard University, des MIT, der Stanford University, der University of California in Berkeley und weiteren Forschern in Warschau, Moskau, Peking und Nanking zusammengearbeitet haben. Die Frucht dieser Kooperation, so ZeoSync in einer Stellungnahme, sei der "Zero Space Tuner" mit Binärbeschleunigung. Er basiere auf den Prinzipien der klassischen Physik, statistischer Mechanik und Quantentheorie.
Shannon-Theorem überwunden?
Mit ihm sollen die bisher von Mathematikern und Informatikern allgemein akzeptierten Obergrenzen der Datenkompression deutlich überboten werden. Das diesbezügliche Maß aller Dinge ist seit 1948 das so genannte Shannon-Theorem, wonach sich Informationen nur bis zu einem bestimmten Grad verlustfrei komprimieren lassen.
Durch eine Mehrfach-Kompression will ZeoSync bei Daten jedweder Herkunft eine bis zu Einhundertfache Verkleinerung erreichen. Bisherige Verfahren wie JPEG für Bilder und MPEG für Filme und Musik erreichen dagegen nur ein Verhältnis von eins zu zehn, wenn die Qualitätsverluste im erträglichen Rahmen bleiben sollen.
Falls die ZeoSync-Technologie tatsächlich funktioniert und kein verfrühter Aprilscherz ist, würde sie ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Große Datenpakete, wie etwa hochauflösende Filme, könnten dann auch per Modem in zumutbaren Zeitspannen übertragen werden - was wiederum ein Schlag ins Kontor mancher Unternehmen wäre, die gewaltige Summen in den Ausbau breitbandiger Datennetze gesteckt haben.
Neue Perspektive für Online-Vertrieb
Denn wer große Dateien wie etwa Spielfilme oder ganze Musik-CDs aus dem Internet laden will, braucht mit einer Modem- oder ISDN-Verbindung viel Geduld: Selbst im Video CD-Format, das bestenfalls mittelmäßige Qualität bietet, ist ein Film je nach Länge um die 600 Megabyte groß. Ein Modem braucht für einen solchen Daten-Koloss volle 24 Stunden Ladezeit - gesetzt den Fall, die Leitung ist permanent voll ausgelastet, was eher selten der Fall ist. Bei den derzeitigen Internet-Tarifen schlägt ein solcher Download mit rund 20 Euro zu Buche. Da gehen Cineasten lieber in den nächsten DVD-Laden, wo sie fürs gleiche Geld qualitativ weit bessere Ware bekommen.
Doch Film- und Musikverlage, die ihre Ware online verschicken wollen, dürfen hoffen. "Ich halte es durchaus für denkbar, dass solche Daten in Zukunft weit stärker komprimiert werden können als bisher", sagt Ernst Mayr, Professor für Informatik an der Technischen Universität München. "Das ist aber keine Revolution, sondern hängt in erster Linie von der Leistungsfähigkeit zukünftiger Computersysteme ab."
Der Grund: Bilder und Filme werden mit Verlusten komprimiert, die dem Menschen kaum oder gar nicht auffallen. Das JPEG-Verfahren etwa eliminiert lange Folgen gleicher Informationen, wie etwa große einfarbige Flächen in Bildern. Die auf Musikdateien angewandte MP3-Methode wiederum filtert bei der Komprimierung Töne heraus, die von anderen überlagert werden und deshalb auch im Original nicht hörbar sind. Zusätzlich werden die beiden Stereo-Kanäle so weit wie möglich zusammengefasst. "Geht man davon aus, dass Computer immer schneller werden, und nimmt man einige Großspurigkeiten hinzu, kann man in diesen Bereichen durchaus ein Kompressionsverhältnis von eins zu hundert erreichen", meint Mayr, bei der Gesellschaft für Informatik (GI) zuständig für die Grundlagenforschung.
"Falsche Wortwahl oder blanke Lüge"
Zeosync aber behauptet, Daten, die laut Shannon-Theorem etwa um den Faktor zehn komprimierbar sind, um ein Vielfaches stärker zusammenstauchen zu können - und das ohne die Verluste, die bei bisherigen Verfahren auftauchen. Im Labor soll das mit Zufalls-Datensätzen von jeweils einigen Hundert Bit gelungen sein.
"Das ist entweder eine falsche Wortwahl oder eine blanke Lüge", sagt Mayr. Eine Folge von 1000 Einsen stark zu komprimieren, sei kein Problem. "Anstatt sie alle zu übertragen, sagt man seinem Gegenüber: Jetzt kommen tausend Einsen", so der Mathematiker. Bei Zufallsfolgen aber, wie ZeoSync sie verwendet haben will, sei das schlicht unmöglich. "Die muss man Bit für Bit übertragen", sagt der Informatiker. Im Übrigen sei das Shannon-Theorem keineswegs, wie ZeoSync behaupte, zu umgehen. Das Fazit des Professors: "Von denen würde ich nichts kaufen."
Quelle. spiegel.de
Killer-Application von morgen oder Aprilscherz von gestern? Ein amerikanisches Unternehmen will das datentechnische Ei des Kolumbus gefunden haben: Dank eines neuen mathematischen Verfahrens sollen Dateien auf ein Hundertstel ihrer Normalgröße schrumpfen.
Die Firma ZeoSync sieht durch ihre Entdeckung ein neues Zeitalter in der Datenspeicherung aufziehen - und rechnet mit immensen Kosteneinsparungen etwa bei der Datenübertragung im Internet. Die Technologie soll nach Angaben des Unternehmens mit Sitz in Florida im Jahr 2003 marktreif sein.
DPA
Demnächst noch kleiner? Moderne Festplatte und 2-MB-Scheibe von 1971.
Bis dahin allerdings, räumt ZeoSync ein, gibt es noch viel zu tun. Denn bisher seien in Laborversuchen nur Datensätze von einigen hundert Bit komprimiert und verlustfrei wiederhergestellt worden. Dessen ungeachtet hätten Chiphersteller und Hollywood-Filmproduzenten bereits Interesse an der Technologie bekundet.
Die Firma will mit nicht namentlich genannten Experten der Harvard University, des MIT, der Stanford University, der University of California in Berkeley und weiteren Forschern in Warschau, Moskau, Peking und Nanking zusammengearbeitet haben. Die Frucht dieser Kooperation, so ZeoSync in einer Stellungnahme, sei der "Zero Space Tuner" mit Binärbeschleunigung. Er basiere auf den Prinzipien der klassischen Physik, statistischer Mechanik und Quantentheorie.
Shannon-Theorem überwunden?
Mit ihm sollen die bisher von Mathematikern und Informatikern allgemein akzeptierten Obergrenzen der Datenkompression deutlich überboten werden. Das diesbezügliche Maß aller Dinge ist seit 1948 das so genannte Shannon-Theorem, wonach sich Informationen nur bis zu einem bestimmten Grad verlustfrei komprimieren lassen.
Durch eine Mehrfach-Kompression will ZeoSync bei Daten jedweder Herkunft eine bis zu Einhundertfache Verkleinerung erreichen. Bisherige Verfahren wie JPEG für Bilder und MPEG für Filme und Musik erreichen dagegen nur ein Verhältnis von eins zu zehn, wenn die Qualitätsverluste im erträglichen Rahmen bleiben sollen.
Falls die ZeoSync-Technologie tatsächlich funktioniert und kein verfrühter Aprilscherz ist, würde sie ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Große Datenpakete, wie etwa hochauflösende Filme, könnten dann auch per Modem in zumutbaren Zeitspannen übertragen werden - was wiederum ein Schlag ins Kontor mancher Unternehmen wäre, die gewaltige Summen in den Ausbau breitbandiger Datennetze gesteckt haben.
Neue Perspektive für Online-Vertrieb
Denn wer große Dateien wie etwa Spielfilme oder ganze Musik-CDs aus dem Internet laden will, braucht mit einer Modem- oder ISDN-Verbindung viel Geduld: Selbst im Video CD-Format, das bestenfalls mittelmäßige Qualität bietet, ist ein Film je nach Länge um die 600 Megabyte groß. Ein Modem braucht für einen solchen Daten-Koloss volle 24 Stunden Ladezeit - gesetzt den Fall, die Leitung ist permanent voll ausgelastet, was eher selten der Fall ist. Bei den derzeitigen Internet-Tarifen schlägt ein solcher Download mit rund 20 Euro zu Buche. Da gehen Cineasten lieber in den nächsten DVD-Laden, wo sie fürs gleiche Geld qualitativ weit bessere Ware bekommen.
Doch Film- und Musikverlage, die ihre Ware online verschicken wollen, dürfen hoffen. "Ich halte es durchaus für denkbar, dass solche Daten in Zukunft weit stärker komprimiert werden können als bisher", sagt Ernst Mayr, Professor für Informatik an der Technischen Universität München. "Das ist aber keine Revolution, sondern hängt in erster Linie von der Leistungsfähigkeit zukünftiger Computersysteme ab."
Der Grund: Bilder und Filme werden mit Verlusten komprimiert, die dem Menschen kaum oder gar nicht auffallen. Das JPEG-Verfahren etwa eliminiert lange Folgen gleicher Informationen, wie etwa große einfarbige Flächen in Bildern. Die auf Musikdateien angewandte MP3-Methode wiederum filtert bei der Komprimierung Töne heraus, die von anderen überlagert werden und deshalb auch im Original nicht hörbar sind. Zusätzlich werden die beiden Stereo-Kanäle so weit wie möglich zusammengefasst. "Geht man davon aus, dass Computer immer schneller werden, und nimmt man einige Großspurigkeiten hinzu, kann man in diesen Bereichen durchaus ein Kompressionsverhältnis von eins zu hundert erreichen", meint Mayr, bei der Gesellschaft für Informatik (GI) zuständig für die Grundlagenforschung.
"Falsche Wortwahl oder blanke Lüge"
Zeosync aber behauptet, Daten, die laut Shannon-Theorem etwa um den Faktor zehn komprimierbar sind, um ein Vielfaches stärker zusammenstauchen zu können - und das ohne die Verluste, die bei bisherigen Verfahren auftauchen. Im Labor soll das mit Zufalls-Datensätzen von jeweils einigen Hundert Bit gelungen sein.
"Das ist entweder eine falsche Wortwahl oder eine blanke Lüge", sagt Mayr. Eine Folge von 1000 Einsen stark zu komprimieren, sei kein Problem. "Anstatt sie alle zu übertragen, sagt man seinem Gegenüber: Jetzt kommen tausend Einsen", so der Mathematiker. Bei Zufallsfolgen aber, wie ZeoSync sie verwendet haben will, sei das schlicht unmöglich. "Die muss man Bit für Bit übertragen", sagt der Informatiker. Im Übrigen sei das Shannon-Theorem keineswegs, wie ZeoSync behaupte, zu umgehen. Das Fazit des Professors: "Von denen würde ich nichts kaufen."
Quelle. spiegel.de