Der Neue Markt

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9745400lopi:

Der Neue Markt

 
01.10.01 10:39
Der Neue Markt, das Marktsegment der Deutschen Börse für Wachstumsunternehmen, hat sein bisher schlechtestes Jahr hinter sich. Erstmals seit seiner Gründung im März 1997 ging der Markt mit Verlusten aus dem Jahr. Der Gesamtmarkt verlor durchschnittlich rund 40 Prozent an Wert. Erste Insolvenzen erschütterten das junge Segment. Der einstige Börsenliebling, das Medienunternehmen EM-TV, mußte finanzielle Schwierigkeiten einräumen. Der Kurs rutschte von seinem Höchststand von mehr als 100 Euro auf unter 10 Euro - keine Seltenheit im vergangenen Jahr.
Dennoch geht niemand davon aus, daß der Neue Markt nun bald seine Türen schließen muß. Die Deutsche Börse bezeichnet Insolvenzen als normale Ereignisse in einem Markt für Risikokapital, wie es der Neue Markt darstellt. Nicht jedes Unternehmen könne erfolgreich sein. Das zeige auch das Vorbild, die amerikanische Technologiebörse Nasdaq. Dort hätten sich die Zahl der Börsengänge und die Zahl der Abgänge in diesem Jahr in etwa die Waage gehalten. Insolvenzen seien sogar ein Zeichen von zunehmender Reife des Marktes.
Die Bilanz für das Wachstumssegment fällt nicht nur negativ aus. Das durchschnittliche Volumen eines Börsenganges hat nach Angaben der Deutschen Börse mit rund 100 Millionen Euro schon rund zwei Drittel des Niveaus der Nasdaq erreicht. Mit 132 Emissionen im Jahr 2000 zählt der Neue Markt immerhin rund ein Viertel der Börsengänge der Nasdaq. Dabei ist der deutsche Wirtschaftsraum, aus dem immer noch rund 80 Prozent der Unternehmen des Wachstumssegmentes stammen, bedeutend kleiner als der amerikanische. Für das Jahr 2001 erwarten die Experten aus den Emissionsabteilungen nochmals mehr als 100 Börsengänge, von denen die Mehrheit an den Neuen Markt gehen werde.

Derzeit sind am Neuen Markt 337 Unternehmen notiert. 55 stammen davon aus dem Ausland, insbesondere aus den Vereinigten Staaten, Schweiz und den Niederlanden. In Europa ist der Neue Markt weiter der mit Abstand bedeutendste Wachstumsmarkt. Er macht rund 56 Prozent des Börsenwertes aller europäischen neuen Märkte aus. Die paneuropäische Technologiebörse Easdaq folgt mit 14 Prozent mit großem Abstand. Von den täglichen Umsätzen vereint der Neue Markt rund 70 Prozent in Europa auf sich. Besonders deutlich ist der Unterschied bei den Emissionen. Das gesamte Emissionsvolumen einschließlich Sekundärplazierungen hat sich nach Angaben der Deutschen Börse in diesem Jahr am Neuen Markt auf mehr als 12 Milliarden Euro verdoppelt. Ihm folgt der britische Aim-Markt mit lediglich rund 2 Milliarden Euro. An der Nasdaq emittierten die Unternehmen im Volumen von mehr als 50 Milliarden Euro.
9745400lopi:

Die Geldmaschine stottert

 
01.10.01 11:02
Das Ende der Illusionen am Neuen Markt
Was haben ein ehemaliger Schlagersänger, ein Hochschulprofessor und ein
Kfz-Mechaniker gemeinsam? Sie sind Akteure oder Vorstände von Unternehmen am
Neuen Markt. Aus diesem Börsenbereich für Wachstumswerte, der anfangs von Kritikern als Randgruppenveranstaltung belächelt worden war, ist längst eine
Geldmaschine geworden. Sie schien lange Zeit unbegrenzte Kursgewinne bei
scheinbar vernachlässigbarem Risiko zu bieten. Mittlerweile hat sich das Blatt
gewendet. Die Kurse vieler Unternehmen haben sich halbiert. Die Geldmaschine
stottert. Außerdem scheint das Treiben am Neuen Markt immer bunter zu werden: Da
sitzen Studienabbrecher und Diplomsportler im Vorstand, und viele Unternehmen
bestechen weniger durch ihr Geschäftsmodell als durch eine von inhaltsleeren
Anglizismen geprägte Selbstdarstellung. Selbstdarstellung statt harter Fakten, bunte Bilder statt spröder Bilanzen - es ist längst nicht mehr alles Gold, was
am Neuen Markt zu glänzen versucht.
Einen vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung stellen die Vorgänge um Gigabell,
Infomatec und Metabox dar: Gigabell hat nach nur dreizehn Monaten fortwährender
Kapitalvernichtung Insolvenz angemeldet, und die versprochene Rettung des Unternehmens steht auf tönernen Füßen. Bei Infomatec ist die Rede von Kursbetrug
und Insiderhandel. Metabox leidet unter den Vorgängen um den unbekannten
Großinvestor, dessen Namen das Unternehmen nicht nennen will. Weitere Probleme
am Neuen Markt sind oft mangelnde Transparenz sowie der teilweise katastrophale
Umgang einiger Unternehmen mit Ad-hoc-Meldungen und Bilanzierungsvorschriften:
Selbst das Marktschwergewicht EM-TV hat eingeräumt, in den Halbjahreszahlen

fälschlicherweise Umsätze verbucht zu haben, die dort nichts zu suchen haben.
Ist aus dem Markt ein Spielsalon geworden, in dem sich dubiose Gestalten mit
unlauteren Absichten tummeln? Mitnichten. Stellt man die genannten Beispiele
einmal in Relation zu den mittlerweile mehr als 300 Unternehmen am Neuen Markt,
so kommt man auf eine Ausfallquote von einem Prozent - eigentlich ein ganz gutes Ergebnis. Und die von den Anlegern beklagten Kursverluste am breiten Markt sind
nicht ausschließlich das Ergebnis einer schlechten Qualität der dort notierten
Titel, sondern die Korrektur einer spekulativen Übertreibung, vor der viele
Analysten gewarnt hatten.
Bei der Diskussion um Kursgewinne oder Kursverluste wird vergessen, daß der Neue
Markt natürlich nicht als Geldmaschine gedacht war, sondern als
Refinanzierungsmöglichkeit für junge Unternehmen - die eigentliche Aufgabe einer
Börse. Mittlerweile arbeiten rund 120 000 Beschäftigte in Unternehmen rund um
den Neuen Markt. Das Staunen vieler Kritiker über schillernde Unternehmerpersönlichkeiten am Neuen Markt steht im Widerspruch zu den in vielen
Sonntagsreden geforderten Gründerzeiten. Sollte nicht jeder, ob Sportlehrer oder Hochschulprofessor, die Chance haben, unternehmerisch tätig zu werden? Der
unternehmerische Erfolg des Neuen Marktes ist aber eben nur die eine Seite der
Medaille, die andere ist das Risiko des Scheiterns. Insofern sind der Fall
Gigabell oder mögliche weitere Insolvenzen kein Weltuntergang, sondern normale
Erscheinungen unternehmerischer Tätigkeit.
Auch der Umstand, daß erfolgreiche Geschäftsmodelle mehr oder weniger
erfolgreich kopiert werden, ist nicht neu. Die meisten dieser Unternehmen, die
lediglich bereits bestehende Geschäftsmodelle mehr oder weniger erfolgreich
kopieren und überwiegend mit Selbstdarstellung statt Leistung glänzen, werden so rasch vom Markt verschwunden sein, wie sie gekommen sind. Insofern hat die
Kurskorrektur auch ein Gutes: Nach der Korrektur, so glauben viele Analysten,
werden überwiegend Unternehmen am Markt sein, deren Geschäftsmodelle nachhaltig
sind und Gewinne versprechen.
Wo bleibt in dieser unternehmerischen Perspektive der Anleger? Für ihn sind
solche Überlegungen wenig tröstlich angesichts horrender Verluste. Was mögliche
Betrugsfälle oder die Täuschung von Anlegern angeht, so muß man auf die
Verantwortlichkeit der Börsenaufsicht hinweisen: Eine gute Börsenaufsicht ist
der beste Anlegerschutz. Was die vielen Unternehmen angeht, die an den Markt
gebracht wurden, obwohl sie nur wenig unternehmerische Aussichten boten, so
tragen hier auch die Banken einen Teil Verantwortung: Sie haben auf dem
Höhepunkt des Goldrausches einige Unternehmen zu grotesk hohen Bewertungen an
den Markt gebracht. Inzwischen liegen deren Kurse weit unter den Emissionspreisen - ohne Hoffnung auf Genesung. Die Banken können zu Recht darauf
verweisen, daß niemand gezwungen worden ist, diese Aktien zu kaufen. Sie dürfen
sich nur nicht wundern, wenn dann ihre Geschäftsmethoden und ihre Beratungsqualität in Verruf kommen.
Die enttäuschten Anleger werden jetzt vermutlich auch die mit der Hausse ins
Kraut geschossenen Börsenmagazine und Fernsehsendungen kritischer betrachten. In
zahlreichen Fällen wurde da noch auf dem Höhepunkt der Hausse zum Einstieg getrommelt und fast jedes Papier zu jedem Kurs empfohlen. So wurde die
Gigabell-Aktie beispielsweise noch bei 113 Euro zum Kauf empfohlen - nur sechs
Monate später dümpelt der Kurs bei 6 Euro. Einige der Magazine spüren den
Kurseinbruch bereits an ihren Verkaufszahlen. Auch hier wird sich wohl auf Dauer
die Spreu vom Weizen trennen.
Das alles ändert nichts daran, daß letztlich die Verantwortung bei den Anlegern
selbst liegt. Aktien sind Risikopapiere und keine Freifahrtscheine zu
unbegrenzten Kursgewinnen. Die derzeitigen Kursverluste sind die Kehrseite der
hohen Gewinnchancen. Jedermann hatte ausreichend Gelegenheit, sich über die
Risiken gerade am Neuen Markt zu informieren. Immer wieder ist vor dem Irrglauben gewarnt worden, die Börse sei eine Einbahnstraße nach oben. Doch
viele Anleger haben sich von den spektakulären Gewinnen einzelner Papiere
blenden lassen. Insofern ist der Kursrutsch am Neuen Markt auch eine Lehre für
diejenigen, die die Börse mit einer Geldmaschine verwechselt haben.Was haben ein ehemaliger Schlagersänger, ein Hochschulprofessor und ein
Kfz-Mechaniker gemeinsam? Sie sind Akteure oder Vorstände von Unternehmen am
Neuen Markt. Aus diesem Börsenbereich für Wachstumswerte, der anfangs von Kritikern als Randgruppenveranstaltung belächelt worden war, ist längst eine
Geldmaschine geworden. Sie schien lange Zeit unbegrenzte Kursgewinne bei
scheinbar vernachlässigbarem Risiko zu bieten. Mittlerweile hat sich das Blatt
gewendet. Die Kurse vieler Unternehmen haben sich halbiert. Die Geldmaschine
stottert. Außerdem scheint das Treiben am Neuen Markt immer bunter zu werden: Da
sitzen Studienabbrecher und Diplomsportler im Vorstand, und viele Unternehmen
bestechen weniger durch ihr Geschäftsmodell als durch eine von inhaltsleeren
Anglizismen geprägte Selbstdarstellung. Selbstdarstellung statt harter Fakten, bunte Bilder statt spröder Bilanzen - es ist längst nicht mehr alles Gold, was
am Neuen Markt zu glänzen versucht.
Einen vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung stellen die Vorgänge um Gigabell,
Infomatec und Metabox dar: Gigabell hat nach nur dreizehn Monaten fortwährender
Kapitalvernichtung Insolvenz angemeldet, und die versprochene Rettung des Unternehmens steht auf tönernen Füßen. Bei Infomatec ist die Rede von Kursbetrug
und Insiderhandel. Metabox leidet unter den Vorgängen um den unbekannten
Großinvestor, dessen Namen das Unternehmen nicht nennen will. Weitere Probleme
am Neuen Markt sind oft mangelnde Transparenz sowie der teilweise katastrophale
Umgang einiger Unternehmen mit Ad-hoc-Meldungen und Bilanzierungsvorschriften:
Selbst das Marktschwergewicht EM-TV hat eingeräumt, in den Halbjahreszahlen
fälschlicherweise Umsätze verbucht zu haben, die dort nichts zu suchen haben.
Ist aus dem Markt ein Spielsalon geworden, in dem sich dubiose Gestalten mit
unlauteren Absichten tummeln? Mitnichten. Stellt man die genannten Beispiele
einmal in Relation zu den mittlerweile mehr als 300 Unternehmen am Neuen Markt,
so kommt man auf eine Ausfallquote von einem Prozent - eigentlich ein ganz gutes Ergebnis. Und die von den Anlegern beklagten Kursverluste am breiten Markt sind
nicht ausschließlich das Ergebnis einer schlechten Qualität der dort notierten
Titel, sondern die Korrektur einer spekulativen Übertreibung, vor der viele
Analysten gewarnt hatten.
Bei der Diskussion um Kursgewinne oder Kursverluste wird vergessen, daß der Neue
Markt natürlich nicht als Geldmaschine gedacht war, sondern als
Refinanzierungsmöglichkeit für junge Unternehmen - die eigentliche Aufgabe einer
Börse. Mittlerweile arbeiten rund 120 000 Beschäftigte in Unternehmen rund um
den Neuen Markt. Das Staunen vieler Kritiker über schillernde Unternehmerpersönlichkeiten am Neuen Markt steht im Widerspruch zu den in vielen
Sonntagsreden geforderten Gründerzeiten. Sollte nicht jeder, ob Sportlehrer oder Hochschulprofessor, die Chance haben, unternehmerisch tätig zu werden? Der
unternehmerische Erfolg des Neuen Marktes ist aber eben nur die eine Seite der
Medaille, die andere ist das Risiko des Scheiterns. Insofern sind der Fall
Gigabell oder mögliche weitere Insolvenzen kein Weltuntergang, sondern normale
Erscheinungen unternehmerischer Tätigkeit.
Auch der Umstand, daß erfolgreiche Geschäftsmodelle mehr oder weniger
erfolgreich kopiert werden, ist nicht neu. Die meisten dieser Unternehmen, die
lediglich bereits bestehende Geschäftsmodelle mehr oder weniger erfolgreich
kopieren und überwiegend mit Selbstdarstellung statt Leistung glänzen, werden so rasch vom Markt verschwunden sein, wie sie gekommen sind. Insofern hat die
Kurskorrektur auch ein Gutes: Nach der Korrektur, so glauben viele Analysten,
werden überwiegend Unternehmen am Markt sein, deren Geschäftsmodelle nachhaltig
sind und Gewinne versprechen.
Wo bleibt in dieser unternehmerischen Perspektive der Anleger? Für ihn sind
solche Überlegungen wenig tröstlich angesichts horrender Verluste. Was mögliche
Betrugsfälle oder die Täuschung von Anlegern angeht, so muß man auf die
Verantwortlichkeit der Börsenaufsicht hinweisen: Eine gute Börsenaufsicht ist
der beste Anlegerschutz. Was die vielen Unternehmen angeht, die an den Markt
gebracht wurden, obwohl sie nur wenig unternehmerische Aussichten boten, so
tragen hier auch die Banken einen Teil Verantwortung: Sie haben auf dem
Höhepunkt des Goldrausches einige Unternehmen zu grotesk hohen Bewertungen an
den Markt gebracht. Inzwischen liegen deren Kurse weit unter den Emissionspreisen - ohne Hoffnung auf Genesung. Die Banken können zu Recht darauf
verweisen, daß niemand gezwungen worden ist, diese Aktien zu kaufen. Sie dürfen
sich nur nicht wundern, wenn dann ihre Geschäftsmethoden und ihre Beratungsqualität in Verruf kommen.
Die enttäuschten Anleger werden jetzt vermutlich auch die mit der Hausse ins
Kraut geschossenen Börsenmagazine und Fernsehsendungen kritischer betrachten. In
zahlreichen Fällen wurde da noch auf dem Höhepunkt der Hausse zum Einstieg getrommelt und fast jedes Papier zu jedem Kurs empfohlen. So wurde die
Gigabell-Aktie beispielsweise noch bei 113 Euro zum Kauf empfohlen - nur sechs
Monate später dümpelt der Kurs bei 6 Euro. Einige der Magazine spüren den
Kurseinbruch bereits an ihren Verkaufszahlen. Auch hier wird sich wohl auf Dauer
die Spreu vom Weizen trennen.
Das alles ändert nichts daran, daß letztlich die Verantwortung bei den Anlegern
selbst liegt. Aktien sind Risikopapiere und keine Freifahrtscheine zu
unbegrenzten Kursgewinnen. Die derzeitigen Kursverluste sind die Kehrseite der
hohen Gewinnchancen. Jedermann hatte ausreichend Gelegenheit, sich über die
Risiken gerade am Neuen Markt zu informieren. Immer wieder ist vor dem Irrglauben gewarnt worden, die Börse sei eine Einbahnstraße nach oben. Doch
viele Anleger haben sich von den spektakulären Gewinnen einzelner Papiere
blenden lassen. Insofern ist der Kursrutsch am Neuen Markt auch eine Lehre für
diejenigen, die die Börse mit einer Geldmaschine verwechselt haben.Was haben ein ehemaliger Schlagersänger, ein Hochschulprofessor und ein
Kfz-Mechaniker gemeinsam? Sie sind Akteure oder Vorstände von Unternehmen am
Neuen Markt. Aus diesem Börsenbereich für Wachstumswerte, der anfangs von Kritikern als Randgruppenveranstaltung belächelt worden war, ist längst eine
Geldmaschine geworden. Sie schien lange Zeit unbegrenzte Kursgewinne bei
scheinbar vernachlässigbarem Risiko zu bieten. Mittlerweile hat sich das Blatt
gewendet. Die Kurse vieler Unternehmen haben sich halbiert. Die Geldmaschine
stottert. Außerdem scheint das Treiben am Neuen Markt immer bunter zu werden: Da
sitzen Studienabbrecher und Diplomsportler im Vorstand, und viele Unternehmen
bestechen weniger durch ihr Geschäftsmodell als durch eine von inhaltsleeren
Anglizismen geprägte Selbstdarstellung. Selbstdarstellung statt harter Fakten, bunte Bilder statt spröder Bilanzen - es ist längst nicht mehr alles Gold, was
am Neuen Markt zu glänzen versucht.
Einen vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung stellen die Vorgänge um Gigabell,
Infomatec und Metabox dar: Gigabell hat nach nur dreizehn Monaten fortwährender
Kapitalvernichtung Insolvenz angemeldet, und die versprochene Rettung des Unternehmens steht auf tönernen Füßen. Bei Infomatec ist die Rede von Kursbetrug
und Insiderhandel. Metabox leidet unter den Vorgängen um den unbekannten
Großinvestor, dessen Namen das Unternehmen nicht nennen will. Weitere Probleme
am Neuen Markt sind oft mangelnde Transparenz sowie der teilweise katastrophale
Umgang einiger Unternehmen mit Ad-hoc-Meldungen und Bilanzierungsvorschriften:
Selbst das Marktschwergewicht EM-TV hat eingeräumt, in den Halbjahreszahlen
fälschlicherweise Umsätze verbucht zu haben, die dort nichts zu suchen haben.
Ist aus dem Markt ein Spielsalon geworden, in dem sich dubiose Gestalten mit
unlauteren Absichten tummeln? Mitnichten. Stellt man die genannten Beispiele
einmal in Relation zu den mittlerweile mehr als 300 Unternehmen am Neuen Markt,
so kommt man auf eine Ausfallquote von einem Prozent - eigentlich ein ganz gutes Ergebnis. Und die von den Anlegern beklagten Kursverluste am breiten Markt sind
nicht ausschließlich das Ergebnis einer schlechten Qualität der dort notierten
Titel, sondern die Korrektur einer spekulativen Übertreibung, vor der viele
Analysten gewarnt hatten.
Bei der Diskussion um Kursgewinne oder Kursverluste wird vergessen, daß der Neue
Markt natürlich nicht als Geldmaschine gedacht war, sondern als
Refinanzierungsmöglichkeit für junge Unternehmen - die eigentliche Aufgabe einer
Börse. Mittlerweile arbeiten rund 120 000 Beschäftigte in Unternehmen rund um
den Neuen Markt. Das Staunen vieler Kritiker über schillernde Unternehmerpersönlichkeiten am Neuen Markt steht im Widerspruch zu den in vielen
Sonntagsreden geforderten Gründerzeiten. Sollte nicht jeder, ob Sportlehrer oder Hochschulprofessor, die Chance haben, unternehmerisch tätig zu werden? Der
unternehmerische Erfolg des Neuen Marktes ist aber eben nur die eine Seite der
Medaille, die andere ist das Risiko des Scheiterns. Insofern sind der Fall
Gigabell oder mögliche weitere Insolvenzen kein Weltuntergang, sondern normale
Erscheinungen unternehmerischer Tätigkeit.
Auch der Umstand, daß erfolgreiche Geschäftsmodelle mehr oder weniger
erfolgreich kopiert werden, ist nicht neu. Die meisten dieser Unternehmen, die
lediglich bereits bestehende Geschäftsmodelle mehr oder weniger erfolgreich
kopieren und überwiegend mit Selbstdarstellung statt Leistung glänzen, werden so rasch vom Markt verschwunden sein, wie sie gekommen sind. Insofern hat die
Kurskorrektur auch ein Gutes: Nach der Korrektur, so glauben viele Analysten,
werden überwiegend Unternehmen am Markt sein, deren Geschäftsmodelle nachhaltig
sind und Gewinne versprechen.
Wo bleibt in dieser unternehmerischen Perspektive der Anleger? Für ihn sind
solche Überlegungen wenig tröstlich angesichts horrender Verluste. Was mögliche
Betrugsfälle oder die Täuschung von Anlegern angeht, so muß man auf die
Verantwortlichkeit der Börsenaufsicht hinweisen: Eine gute Börsenaufsicht ist
der beste Anlegerschutz. Was die vielen Unternehmen angeht, die an den Markt
gebracht wurden, obwohl sie nur wenig unternehmerische Aussichten boten, so
tragen hier auch die Banken einen Teil Verantwortung: Sie haben auf dem
Höhepunkt des Goldrausches einige Unternehmen zu grotesk hohen Bewertungen an
den Markt gebracht. Inzwischen liegen deren Kurse weit unter den Emissionspreisen - ohne Hoffnung auf Genesung. Die Banken können zu Recht darauf
verweisen, daß niemand gezwungen worden ist, diese Aktien zu kaufen. Sie dürfen
sich nur nicht wundern, wenn dann ihre Geschäftsmethoden und ihre Beratungsqualität in Verruf kommen.
Die enttäuschten Anleger werden jetzt vermutlich auch die mit der Hausse ins
Kraut geschossenen Börsenmagazine und Fernsehsendungen kritischer betrachten. In
zahlreichen Fällen wurde da noch auf dem Höhepunkt der Hausse zum Einstieg getrommelt und fast jedes Papier zu jedem Kurs empfohlen. So wurde die
Gigabell-Aktie beispielsweise noch bei 113 Euro zum Kauf empfohlen - nur sechs
Monate später dümpelt der Kurs bei 6 Euro. Einige der Magazine spüren den
Kurseinbruch bereits an ihren Verkaufszahlen. Auch hier wird sich wohl auf Dauer
die Spreu vom Weizen trennen.
Das alles ändert nichts daran, daß letztlich die Verantwortung bei den Anlegern
selbst liegt. Aktien sind Risikopapiere und keine Freifahrtscheine zu
unbegrenzten Kursgewinnen. Die derzeitigen Kursverluste sind die Kehrseite der
hohen Gewinnchancen. Jedermann hatte ausreichend Gelegenheit, sich über die
Risiken gerade am Neuen Markt zu informieren. Immer wieder ist vor dem Irrglauben gewarnt worden, die Börse sei eine Einbahnstraße nach oben. Doch
viele Anleger haben sich von den spektakulären Gewinnen einzelner Papiere
blenden lassen. Insofern ist der Kursrutsch am Neuen Markt auch eine Lehre für
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