Der Ruf der Analysten an der Wall Street war noch nie so schlecht wie heute. Aber keine Sorge, es kommt noch schlimmer. Die Rating-Agentur Moody’s, spezialisiert auf die Beurteilung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten, hat im Rahmen einer Studie ermittelt, dass bei den meisten der untersuchten 771 US-Unternehmen eine Zeitbombe tickt.
Deren Verträge mit den Geldgebern enthalten nämlich "Rating-Trigger"-Klauseln: Wird die Kreditfähigkeit herabgestuft, muss sich das Unternehmen gegenüber den Gläubigern oder der Bank bestimmten Verpflichtungen unterwerfen. Ähnliche Vereinbarungen sind schon dem Energiehändler Enron zum Verhängnis geworden - auch dort gab es Rating-Trigger. Das Überraschende am Bericht von Moody’s ist deshalb nicht, dass auch andere Unternehmen mit diesen Triggern arbeiten, sondern dass diese für Anleger wichtige Tatsache nicht offen gelegt wurde.
Der Bericht belegt dabei so ganz nebenbei, wie ernst die Einschätzungen der Rating-Agenturen genommen werden. Investoren wissen, dass die ungeliebten Neunmalklugen eine der wenigen verbliebenen Quellen für zuverlässiges Research sind. Die vielen Kritiker von Moody’s und der beiden anderen großen Rating-Agenturen Standard & Poor’s und Fitch Ratings werden angesichts dieser Situation mit den Zähnen knirschen.
Telekom-Blase nicht erkannt
Denn noch vor wenigen Wochen galten die Rating-Agenturen als angeschlagen. Neben Enron ist auch der Niedergang der Telekombranche für sie kein Ruhmesblatt. "Ich würde mir in unserem eigenen Interesse wünschen, wir hätten den Abschwung im Telekommunikationsbereich bereits ein Jahr zuvor vorausgesehen - haben wir aber leider nicht", meint Paul Taylor, Managing Director bei Fitch. "Wir haben nicht erkannt, wie groß die Telekom-Blase tatsächlich geworden ist."
Den Rating-Agenturen macht das Desaster der Telekommunikationsbranche und die allgemeine Krise der amerikanischen Wirtschaft allerdings nicht so stark zu schaffen wie anderen Säulen der Finanzmärkte, zum Beispiel Investmentbanken und Wirtschaftsprüfern. Leitende Angestellte der Branche geben zu, dass das Geschäft deshalb floriert, weil mehr Unternehmen eine Bewertung ihrer Kreditwürdigkeit wünschen. Auch nach Ansicht der Investoren ist der Bedarf nach intelligenten und rechtzeitigen Bewertungen auf den zunehmend komplexer werdenden Kreditmärkten größer denn je.
Dies wirft zwei Fragen auf: Zum einen muss gefragt werden, ob die Rating-Agenturen auf Grund ihrer Leistungen der letzten Jahre wirklich diejenigen sind, die derartige Bewertungen vornehmen sollten. Dabei lohnt es, sich den Fall Enron noch mal ins Gedächtnis zu rufen.
Enron musste beispielsweise unbedingt sein Kredit-Rating beibehalten, um ein In-Kraft-treten der Rating-Trigger zu verhindern. Das oberste Management des Unternehmens stand den Agenturen deshalb bis zum bitteren Ende jederzeit zur Verfügung. Auf Grundlage der Informationen, die sie erhielten, behielten sie das Rating bei, gaben andererseits aber an, es senken zu wollen, falls eine Fusion von Enron und Dynergy nicht zustande kommen und Enron keine Kapitalspritze erhalten sollte.
Das Verhalten der Agenturen im Fall Vivendi Universal ist ein weiteres Beispiel. Einige Investoren beschuldigen sie, die Lage des Unternehmens durch Absenken des Kredit-Ratings und Warnungen vor weiteren Herabstufungen noch verschlimmert zu haben. Ihr Verhalten bei Vivendi und der Bericht von Moody’s zu Rating-Triggern sind als Reaktion auf die Auswirkungen der Enron-Pleite zu werten. Ray McDaniel, President von Moody’s, stimmt zwar zu, dass Enron für die Branche ein Wendepunkt gewesen sei, erklärt jedoch auch, dass die Kritiker die Rolle der Agenturen bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit missverstehen.
Größere Verantwortung
Nach dem Zusammenbruch von Enron haben die Agenturen ihr kriminalistisches Know-how verstärkt. McDaniel warnt Investoren aber davor, in Rating-Analysten eine Art Elliot Ness der Finanzmärkte zu sehen. Dies wäre nie ihre Aufgabe gewesen und werde es auch in Zukunft nicht sein.
"Es ist uns bewusst, dass wir eine größere Verantwortung haben und kritischer und genauer nachfragen müssen als andere", sagt Mc Daniel. "Es wir uns aber trotzdem niemals gelingen, Betrug systematisch aufzudecken. Genau wie viele andere Akteure auf dem Markt brauchen wir einen umfassenden Einblick in die finanzielle Situation eines Unternehmens und zuverlässige Zahlen, um unsere Arbeit tun zu können."
Anleger müssen mehr recherchieren
Investoren, die Geld auf den Finanzmärkten verloren haben, sind mit Kritik schnell bei der Hand. Brad Thomas, Chief Risk Officer bei der US Central Credit Union, die 30 Mrd. $ in festverzinslichen Wertpapieren angelegt hat, räumt allerdings ein, dass manche Anleger sich zu sehr auf die Rating-Agenturen verlassen und zu wenig eigene Recherche betreiben. "Rating-Agenturen sind ja nur ein Mosaiksteinchen, wenn man sich ein Bild von einem potenziellen Anlageobjekt machen will", sagt Thomas. "Wir sind mit dieser Sicht der Dinge bisher gut gefahren. Rating-Agenturen sind lediglich eines von mehreren Instrumenten, derer man sich bei einer Investitionsentscheidung bedienen kann - nicht mehr und nicht weniger."
Der wachsende Einfluss der Rating-Agenturen wirft aber auch die Frage auf, ob die Branche nicht einer strukturellen Grundüberholung bedarf. Moody’s, Standard &Poor’s und Fitch sind nicht die einzigen Rating-Agenturen an der Wall Street, aber die einzigen, die den Status eines "national anerkannten statistischen Rating-Unternehmens" (NRSROs) genießen. Die Konkurrenz kommt da nicht hoch.
ftd.de
Deren Verträge mit den Geldgebern enthalten nämlich "Rating-Trigger"-Klauseln: Wird die Kreditfähigkeit herabgestuft, muss sich das Unternehmen gegenüber den Gläubigern oder der Bank bestimmten Verpflichtungen unterwerfen. Ähnliche Vereinbarungen sind schon dem Energiehändler Enron zum Verhängnis geworden - auch dort gab es Rating-Trigger. Das Überraschende am Bericht von Moody’s ist deshalb nicht, dass auch andere Unternehmen mit diesen Triggern arbeiten, sondern dass diese für Anleger wichtige Tatsache nicht offen gelegt wurde.
Der Bericht belegt dabei so ganz nebenbei, wie ernst die Einschätzungen der Rating-Agenturen genommen werden. Investoren wissen, dass die ungeliebten Neunmalklugen eine der wenigen verbliebenen Quellen für zuverlässiges Research sind. Die vielen Kritiker von Moody’s und der beiden anderen großen Rating-Agenturen Standard & Poor’s und Fitch Ratings werden angesichts dieser Situation mit den Zähnen knirschen.
Telekom-Blase nicht erkannt
Denn noch vor wenigen Wochen galten die Rating-Agenturen als angeschlagen. Neben Enron ist auch der Niedergang der Telekombranche für sie kein Ruhmesblatt. "Ich würde mir in unserem eigenen Interesse wünschen, wir hätten den Abschwung im Telekommunikationsbereich bereits ein Jahr zuvor vorausgesehen - haben wir aber leider nicht", meint Paul Taylor, Managing Director bei Fitch. "Wir haben nicht erkannt, wie groß die Telekom-Blase tatsächlich geworden ist."
Den Rating-Agenturen macht das Desaster der Telekommunikationsbranche und die allgemeine Krise der amerikanischen Wirtschaft allerdings nicht so stark zu schaffen wie anderen Säulen der Finanzmärkte, zum Beispiel Investmentbanken und Wirtschaftsprüfern. Leitende Angestellte der Branche geben zu, dass das Geschäft deshalb floriert, weil mehr Unternehmen eine Bewertung ihrer Kreditwürdigkeit wünschen. Auch nach Ansicht der Investoren ist der Bedarf nach intelligenten und rechtzeitigen Bewertungen auf den zunehmend komplexer werdenden Kreditmärkten größer denn je.
Dies wirft zwei Fragen auf: Zum einen muss gefragt werden, ob die Rating-Agenturen auf Grund ihrer Leistungen der letzten Jahre wirklich diejenigen sind, die derartige Bewertungen vornehmen sollten. Dabei lohnt es, sich den Fall Enron noch mal ins Gedächtnis zu rufen.
Enron musste beispielsweise unbedingt sein Kredit-Rating beibehalten, um ein In-Kraft-treten der Rating-Trigger zu verhindern. Das oberste Management des Unternehmens stand den Agenturen deshalb bis zum bitteren Ende jederzeit zur Verfügung. Auf Grundlage der Informationen, die sie erhielten, behielten sie das Rating bei, gaben andererseits aber an, es senken zu wollen, falls eine Fusion von Enron und Dynergy nicht zustande kommen und Enron keine Kapitalspritze erhalten sollte.
Das Verhalten der Agenturen im Fall Vivendi Universal ist ein weiteres Beispiel. Einige Investoren beschuldigen sie, die Lage des Unternehmens durch Absenken des Kredit-Ratings und Warnungen vor weiteren Herabstufungen noch verschlimmert zu haben. Ihr Verhalten bei Vivendi und der Bericht von Moody’s zu Rating-Triggern sind als Reaktion auf die Auswirkungen der Enron-Pleite zu werten. Ray McDaniel, President von Moody’s, stimmt zwar zu, dass Enron für die Branche ein Wendepunkt gewesen sei, erklärt jedoch auch, dass die Kritiker die Rolle der Agenturen bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit missverstehen.
Größere Verantwortung
Nach dem Zusammenbruch von Enron haben die Agenturen ihr kriminalistisches Know-how verstärkt. McDaniel warnt Investoren aber davor, in Rating-Analysten eine Art Elliot Ness der Finanzmärkte zu sehen. Dies wäre nie ihre Aufgabe gewesen und werde es auch in Zukunft nicht sein.
"Es ist uns bewusst, dass wir eine größere Verantwortung haben und kritischer und genauer nachfragen müssen als andere", sagt Mc Daniel. "Es wir uns aber trotzdem niemals gelingen, Betrug systematisch aufzudecken. Genau wie viele andere Akteure auf dem Markt brauchen wir einen umfassenden Einblick in die finanzielle Situation eines Unternehmens und zuverlässige Zahlen, um unsere Arbeit tun zu können."
Anleger müssen mehr recherchieren
Investoren, die Geld auf den Finanzmärkten verloren haben, sind mit Kritik schnell bei der Hand. Brad Thomas, Chief Risk Officer bei der US Central Credit Union, die 30 Mrd. $ in festverzinslichen Wertpapieren angelegt hat, räumt allerdings ein, dass manche Anleger sich zu sehr auf die Rating-Agenturen verlassen und zu wenig eigene Recherche betreiben. "Rating-Agenturen sind ja nur ein Mosaiksteinchen, wenn man sich ein Bild von einem potenziellen Anlageobjekt machen will", sagt Thomas. "Wir sind mit dieser Sicht der Dinge bisher gut gefahren. Rating-Agenturen sind lediglich eines von mehreren Instrumenten, derer man sich bei einer Investitionsentscheidung bedienen kann - nicht mehr und nicht weniger."
Der wachsende Einfluss der Rating-Agenturen wirft aber auch die Frage auf, ob die Branche nicht einer strukturellen Grundüberholung bedarf. Moody’s, Standard &Poor’s und Fitch sind nicht die einzigen Rating-Agenturen an der Wall Street, aber die einzigen, die den Status eines "national anerkannten statistischen Rating-Unternehmens" (NRSROs) genießen. Die Konkurrenz kommt da nicht hoch.
ftd.de