Quelle: WO
Das Phantom der Währungshüter
Inflationsberechnung müsste Aktienkurse mit berücksichtigen
Europas Notenbanker haben mehr Angst vor der Inflation als vor weiter abnehmendem Wirtschaftswachstum. Das ist verständlich. Die Banker müssen „nur“ die Währung hüten. Für die Wirtschaft ist die Regierung zuständig, die sich in Gesundbeten versucht.
Kanzler und Minister fügen sich brav in das Zinsdiktat, auch wenn eine wahrscheinlich noch weiter abnehmende Wirtschaftsdynamik die Chancen auf Wiederwahl im nächsten Jahr beeinträchtigt.
Die Situation wirkt umso kurioser, als Inflation in jüngster Vergangenheit praktisch nur an der Börse zu finden war. Die Kurse, die dort im Frühjahr 2000 notiert und bezahlt wurden, waren zweifellos inflationär. Nur niemand fühlte und fühlt sich für diese neue Sichtweise der Börsedinge verantwortlich; für die Vermeidung solcher Übertreibungen und für die Verhinderung solch negativer Prozesse, wie sie durch den inzwischen eingetretenen Kurssturz ausgelöst werden.
Klar, die amerikanische Notenbank hat inzwischen viermal die Leitzinsen gesenkt und kann wahrscheinlich doch nicht verhindern, dass die US-Verbraucher wegen geschwundener Vermögenswerte anfangen zu sparen. Ihr weniger schwungvolles Ausgabeverhalten lässt nun zunächst die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate sinken und dann die Wirtschaftsleistung womöglich sogar in eine Rezession hinein schrumpfen. Mehr als 30 andere Notenbanken der Welt haben sich dieser Sichtweise angeschlossen.
In Deutschland war und ist Aktiensparen noch nicht so weit verbreitet wie in den USA. Dort gibt es seit mehr als zehn Jahren Steuerrabatte, wenn man Aktien für die Rente zurücklegt. Die Auswirkungen des Crash schlagen zwischen Flensburg und Freilassung denn auch nicht so durch wie im Aktionärsland USA. Doch über ihre Exportgeschäfte sind die Europäer ebenfalls von der amerikanischen Aktien- und Konjunkturflaute betroffen; von zunehmendem Wettbewerb und starkem Preisdruck – nach unten wohlgemerkt.
Wenn die Börse wirklich recht hat, signalisiert sie nicht Inflation sondern Deflation. Die Übertreibungen und Untertreibungen, die dort seit dem Tulpenzwiebelskandal vor fast 400 Jahren zu beobachten waren und sind, gilt es durch intelligente Maßnahmen wenigstens in Zukunft zu verhindern.
Eine Einrechnung des Aktienindex in den Lebenshaltungskostenindex hat natürlich ihre systematischen Probleme. Aber irgendwie müsste ein Weg gefunden werden, um die neue Art der Inflation rechtzeitig mit zu berücksichtigen oder - besser noch - gleich ganz zu verhindern. Das scheint mir lohnenswerter als einem Inflations-Phantom nachzujagen, dass vor allem steigende Ölpreise und staatliche Mineralölsteuern bestimmt wird.
Autor: Martin Beier, 14:37 26.04.01
Das Phantom der Währungshüter
Inflationsberechnung müsste Aktienkurse mit berücksichtigen
Europas Notenbanker haben mehr Angst vor der Inflation als vor weiter abnehmendem Wirtschaftswachstum. Das ist verständlich. Die Banker müssen „nur“ die Währung hüten. Für die Wirtschaft ist die Regierung zuständig, die sich in Gesundbeten versucht.
Kanzler und Minister fügen sich brav in das Zinsdiktat, auch wenn eine wahrscheinlich noch weiter abnehmende Wirtschaftsdynamik die Chancen auf Wiederwahl im nächsten Jahr beeinträchtigt.
Die Situation wirkt umso kurioser, als Inflation in jüngster Vergangenheit praktisch nur an der Börse zu finden war. Die Kurse, die dort im Frühjahr 2000 notiert und bezahlt wurden, waren zweifellos inflationär. Nur niemand fühlte und fühlt sich für diese neue Sichtweise der Börsedinge verantwortlich; für die Vermeidung solcher Übertreibungen und für die Verhinderung solch negativer Prozesse, wie sie durch den inzwischen eingetretenen Kurssturz ausgelöst werden.
Klar, die amerikanische Notenbank hat inzwischen viermal die Leitzinsen gesenkt und kann wahrscheinlich doch nicht verhindern, dass die US-Verbraucher wegen geschwundener Vermögenswerte anfangen zu sparen. Ihr weniger schwungvolles Ausgabeverhalten lässt nun zunächst die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate sinken und dann die Wirtschaftsleistung womöglich sogar in eine Rezession hinein schrumpfen. Mehr als 30 andere Notenbanken der Welt haben sich dieser Sichtweise angeschlossen.
In Deutschland war und ist Aktiensparen noch nicht so weit verbreitet wie in den USA. Dort gibt es seit mehr als zehn Jahren Steuerrabatte, wenn man Aktien für die Rente zurücklegt. Die Auswirkungen des Crash schlagen zwischen Flensburg und Freilassung denn auch nicht so durch wie im Aktionärsland USA. Doch über ihre Exportgeschäfte sind die Europäer ebenfalls von der amerikanischen Aktien- und Konjunkturflaute betroffen; von zunehmendem Wettbewerb und starkem Preisdruck – nach unten wohlgemerkt.
Wenn die Börse wirklich recht hat, signalisiert sie nicht Inflation sondern Deflation. Die Übertreibungen und Untertreibungen, die dort seit dem Tulpenzwiebelskandal vor fast 400 Jahren zu beobachten waren und sind, gilt es durch intelligente Maßnahmen wenigstens in Zukunft zu verhindern.
Eine Einrechnung des Aktienindex in den Lebenshaltungskostenindex hat natürlich ihre systematischen Probleme. Aber irgendwie müsste ein Weg gefunden werden, um die neue Art der Inflation rechtzeitig mit zu berücksichtigen oder - besser noch - gleich ganz zu verhindern. Das scheint mir lohnenswerter als einem Inflations-Phantom nachzujagen, dass vor allem steigende Ölpreise und staatliche Mineralölsteuern bestimmt wird.
Autor: Martin Beier, 14:37 26.04.01