"Das Ende einer Illusion"
von Dr. Friedhelm Busch
Im Grunde ist es nicht zu verstehen: Die Signale von den US-Märkten künden durchaus nicht von einer langanhaltenden Rezession, eher von einem - wenn auch maßvollen - Anstieg der Konjunktur, doch die Anleger nehmen diese Botschaften nicht wahr. Im Gegenteil, wie in der tiefsten Depression werden Aktien aller Branchen an den Finanzmärkten zu Ausverkaufpreisen verramscht. In Amerika, wie in Asien oder Europa vermag keine noch so gute Konjunkturmeldung die Stimmung auf dem Börsenparkett aufzuhellen. Private wie institutionelle Anleger meiden die Aktien wie der Teufel das Weihwasser.
Es mag viele Gründe für diese Abkehr geben: Die Enttäuschung über die verschwundenen Buchgewinne im Depot, das Ende der Illusion vom schnellen Reichtum durch die Börse, die Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz oder eine steigende Schuldenlast. Alles Argumente, die mal mehr, mal weniger die Kaufzurückhaltung an den Börsen erklären mögen, die aber mit der leichten aber doch andauernden Konjunkturerholung allmählich an Bedeutung verlieren müssten.
Lautstarke Erfolgsmeldungen aus den Unternehmen schnurren unter dem misstrauischen Blick nüchterner Beobachter zu kläglichen Als-ob-Gewinnen zusammen, die eher den Wünschen der Unternehmer als der Realität entsprechen. Operative Ergebnisse vor Abzug von Zinsausgaben, Steuerzahlungen, Abschreibungen und strukturbedingten Einmalaufwendungen verlieren erheblich an Glanz, weil sie letztlich kaum etwas aussagen über den tatsächlichen Zustand des Unternehmens. Erwartete Gewinne erweisen sich zunehmend als Hirngespinste oder faule Wechsel auf eine ferne Zukunft. Millionenschwere Verbindlichkeiten werden urplötzlich in kleinen Unternehmen entdeckt, die von skrupellosen Managern nur zu dem Zweck gegründet wurden, die Konzernmutter von diesem gewinnmindernden Aufwand zu befreien, um die Finanzmärkte mit glänzenden Ergebnissen blenden zu können. Was natürlich die Preise der eigenen Aktienoptionen in die Höhe trieb.
Jetzt werden alle Umsatzzuwächse misstrauisch auf ihr Zustandekommen hin abgeklopft. Ist das Unternehmen nicht durch eine schrittweise Markteroberung gewachsen, sondern durch spektakuläre Zukäufe oder Übernahmen, muss sich die Unternehmensleitung peinliche Fragen nach dem Sinn der Expansion, ihrem Preis und den innerbetrieblichen Kosten gefallen lassen. In den meisten Fällen stellen sich heute die unternehmerischen Großtaten aus den Jahren der High-Tech-Euphorie als teure Fehler heraus, die in der Bilanz auf einen Schlag im Wert berichtigt werden müssen. Milliarden-Verluste in den Quartalsbilanzen sind die Folge. Was vor kurzem noch wie ein Treibsatz für Aktienkurse wirkte, heute vernichtet es jede noch so kleine Hoffnung auf eine Erholung an den Finanzmärkten.
Kleinlaut müssen zudem immer mehr Unternehmer eingestehen, dass in den vergangenen Jahren die Personalkosten trotz wachsender Belegschaft auf einem niedrigen Niveau gehalten werden konnten, weil den Mitarbeitern bescheidene Gehälter mit horrenden Zusagen auf Aktienoptionen versüßt worden waren. Aktienoptionen aber sind nicht unbedingt als Personalaufwand zu verbuchen. Kein Wunder, dass bei einer derartig geschönten Rechnungslegung strahlende Bilanzgewinne die Aktienkurse in lichte Höhen trieben.
Und noch eine Illusion hat sich im Nichts aufgelöst: Das Vertrauen der Anleger in die Arbeit der Wirtschaftsprüfer, deren Aufgabe es ist, die Angaben der Unternehmen zu überprüfen. Stimmt der Abschluss des Unternehmens mit der wirtschaftlichen Lage tatsächlich überein, erteilt der beauftragte Wirtschaftsprüfer dem Abschluss sein Testat und garantiert damit Außenstehenden die Ordnungsmäßigkeit und Aussagefähigkeit des Jahresabschlusses. Die Wirklichkeit aber sieht anders aus, muss anders aussehen, denn sonst wären die dramatischen Firmenzusammenbrüchen und Bilanzbetrügereien nicht zu erklären. Offensichtlich waren viele Prüfer in diesem Spiel oft nur Randfiguren. Überfordert und getäuscht oder, schlimmer noch, Teilhaber.
Mag auch die überwiegende Mehrzahl der Abschlüsse gänzlich unspektakulär den Regeln entsprechen und kein Misstrauen verdienen, nach den dramatischen Firmenzusammenbrüchen in den USA wird grundsätzlich jede Bilanz bezweifelt, jedes Umsatz- und Gewinnwachstum der Fassadenmalerei verdächtigt. Auch bei uns in Europa.
Nun gilt es, das verlorene Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen.
Entscheidend aber wird es sein, dass die Wirtschaftsprüfer ihre Reputation zurückgewinnen. Als erstes muss die Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers vom zu prüfenden Unternehmen gewährleistet sein. Der Wirtschaftsprüfer muss sich im Grunde als Gegner des Vorstandes verstehen und dessen Aussagen mit Misstrauen begegnen. Dies aber ist wohl kaum möglich, wenn der Prüfer - wie bisher üblich - gleichzeitig dem Unternehmen beratend zur Seite steht. Prüfung und Beratung müssen folglich klar und eindeutig getrennt werden.
Eine formale Trennung in Prüfungs- - und Beratungsfirma unter dem Dach eines gemeinsamen Unternehmens wird dabei wohl nicht reichen. Dies aber kann zur Folge haben, dass die Prüfung teurer wird. Offensichtlich sind viele Prüfer bereit, ihre Dienste billig anzubieten, um sich dann an der folgenden lukrativen Beratung schadlos halten zu können. Ein unerträglicher Zustand, der sofort beendet werden muss. Prüfungshonorare müssen künftig eindeutig festgeschrieben werden und dürfen nicht Gegenstand eines Preiswettbewerbs der Prüfer untereinander sein.
So, wie die Fernsehbilder von verhafteten Wirtschaftsmanagern, die in Handschellen dem Untersuchungsrichter vorgeführt werden, wohl manchem Unternehmensführer die Illusion nehmen, der Bilanzbetrug sei ein einträgliches Kavaliersdelikt.
von Dr. Friedhelm Busch
Im Grunde ist es nicht zu verstehen: Die Signale von den US-Märkten künden durchaus nicht von einer langanhaltenden Rezession, eher von einem - wenn auch maßvollen - Anstieg der Konjunktur, doch die Anleger nehmen diese Botschaften nicht wahr. Im Gegenteil, wie in der tiefsten Depression werden Aktien aller Branchen an den Finanzmärkten zu Ausverkaufpreisen verramscht. In Amerika, wie in Asien oder Europa vermag keine noch so gute Konjunkturmeldung die Stimmung auf dem Börsenparkett aufzuhellen. Private wie institutionelle Anleger meiden die Aktien wie der Teufel das Weihwasser.
Es mag viele Gründe für diese Abkehr geben: Die Enttäuschung über die verschwundenen Buchgewinne im Depot, das Ende der Illusion vom schnellen Reichtum durch die Börse, die Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz oder eine steigende Schuldenlast. Alles Argumente, die mal mehr, mal weniger die Kaufzurückhaltung an den Börsen erklären mögen, die aber mit der leichten aber doch andauernden Konjunkturerholung allmählich an Bedeutung verlieren müssten.
Böses Erwachen
Doch das Gegenteil ist der Fall. Der Frust der Anleger speist sich offensichtlich aus einer anderen Quelle, die leider nicht so schnell versiegen wird wie eine vorübergehende Konjunkturflaute: Fassungslos sehen wir uns Tag für Tag neuen Wahrheiten über die fachlichen und moralischen Qualitäten unserer Wirtschaftsbosse ausgesetzt. Was in den Zeiten einer boomenden Aktienkultur wie eine Droge unseren Verstand umnebelt hat, nun - in der Baisse - wird es als Lug und Trug entlarvt.Lautstarke Erfolgsmeldungen aus den Unternehmen schnurren unter dem misstrauischen Blick nüchterner Beobachter zu kläglichen Als-ob-Gewinnen zusammen, die eher den Wünschen der Unternehmer als der Realität entsprechen. Operative Ergebnisse vor Abzug von Zinsausgaben, Steuerzahlungen, Abschreibungen und strukturbedingten Einmalaufwendungen verlieren erheblich an Glanz, weil sie letztlich kaum etwas aussagen über den tatsächlichen Zustand des Unternehmens. Erwartete Gewinne erweisen sich zunehmend als Hirngespinste oder faule Wechsel auf eine ferne Zukunft. Millionenschwere Verbindlichkeiten werden urplötzlich in kleinen Unternehmen entdeckt, die von skrupellosen Managern nur zu dem Zweck gegründet wurden, die Konzernmutter von diesem gewinnmindernden Aufwand zu befreien, um die Finanzmärkte mit glänzenden Ergebnissen blenden zu können. Was natürlich die Preise der eigenen Aktienoptionen in die Höhe trieb.
Jetzt werden alle Umsatzzuwächse misstrauisch auf ihr Zustandekommen hin abgeklopft. Ist das Unternehmen nicht durch eine schrittweise Markteroberung gewachsen, sondern durch spektakuläre Zukäufe oder Übernahmen, muss sich die Unternehmensleitung peinliche Fragen nach dem Sinn der Expansion, ihrem Preis und den innerbetrieblichen Kosten gefallen lassen. In den meisten Fällen stellen sich heute die unternehmerischen Großtaten aus den Jahren der High-Tech-Euphorie als teure Fehler heraus, die in der Bilanz auf einen Schlag im Wert berichtigt werden müssen. Milliarden-Verluste in den Quartalsbilanzen sind die Folge. Was vor kurzem noch wie ein Treibsatz für Aktienkurse wirkte, heute vernichtet es jede noch so kleine Hoffnung auf eine Erholung an den Finanzmärkten.
Kleinlaut müssen zudem immer mehr Unternehmer eingestehen, dass in den vergangenen Jahren die Personalkosten trotz wachsender Belegschaft auf einem niedrigen Niveau gehalten werden konnten, weil den Mitarbeitern bescheidene Gehälter mit horrenden Zusagen auf Aktienoptionen versüßt worden waren. Aktienoptionen aber sind nicht unbedingt als Personalaufwand zu verbuchen. Kein Wunder, dass bei einer derartig geschönten Rechnungslegung strahlende Bilanzgewinne die Aktienkurse in lichte Höhen trieben.
Verlorenes Vertrauen
Diese und ähnliche Entdeckungen haben wohl auch den letzten Privatanleger aus seinen Kinderglauben gerissen, das veröffentlichte Zahlenwerk in den regelmäßigen Bilanzen der Unternehmen entspräche ohne "wenn und aber" dem Gebot der Bilanzwahrheit und - klarheit. Am Ende all seiner Illusionen muss der Anleger erkennen, dass viele Unternehmer vor allem auf ihr eigenes Wohl bedacht waren, wenn sie die Trommel des "Shareholder Value" schlugen. Mit beispielloser Unverfrorenheit wurden in Einzelfällen Bilanzen gefälscht und Bewertungsspielräume der Bilanzierungsregeln bis zum Zerreißen überdehnt. Umsatz - und Gewinnexplosionen, die lediglich auf allzu geduldigem Papier standen, dienten der Begründung horrender Gehälter und Erfolgsbeteiligungen, die aber häufig den Anlegern verborgen blieben.Und noch eine Illusion hat sich im Nichts aufgelöst: Das Vertrauen der Anleger in die Arbeit der Wirtschaftsprüfer, deren Aufgabe es ist, die Angaben der Unternehmen zu überprüfen. Stimmt der Abschluss des Unternehmens mit der wirtschaftlichen Lage tatsächlich überein, erteilt der beauftragte Wirtschaftsprüfer dem Abschluss sein Testat und garantiert damit Außenstehenden die Ordnungsmäßigkeit und Aussagefähigkeit des Jahresabschlusses. Die Wirklichkeit aber sieht anders aus, muss anders aussehen, denn sonst wären die dramatischen Firmenzusammenbrüchen und Bilanzbetrügereien nicht zu erklären. Offensichtlich waren viele Prüfer in diesem Spiel oft nur Randfiguren. Überfordert und getäuscht oder, schlimmer noch, Teilhaber.
Mag auch die überwiegende Mehrzahl der Abschlüsse gänzlich unspektakulär den Regeln entsprechen und kein Misstrauen verdienen, nach den dramatischen Firmenzusammenbrüchen in den USA wird grundsätzlich jede Bilanz bezweifelt, jedes Umsatz- und Gewinnwachstum der Fassadenmalerei verdächtigt. Auch bei uns in Europa.
Nun gilt es, das verlorene Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen.
Ist der Ruf mal ruiniert...
Ein erster Schritt wird von der US-Börsenaufsicht SEC gewagt. Von jetzt an müssen die Chefs und Finanzvorstände der bilanzierenden Unternehmen die Abschlüsse selber unterzeichnen und persönlich für ihre Aussagen einstehen. Notfalls auch vor Gericht. Hinzu kommt die Absicht der amerikanischen Regierung, härter als bisher gegen Bilanzbetrüger vorzugehen und Zahlungen an die betrügerischen Bosse unter Umständen rückgängig zu machen.Entscheidend aber wird es sein, dass die Wirtschaftsprüfer ihre Reputation zurückgewinnen. Als erstes muss die Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers vom zu prüfenden Unternehmen gewährleistet sein. Der Wirtschaftsprüfer muss sich im Grunde als Gegner des Vorstandes verstehen und dessen Aussagen mit Misstrauen begegnen. Dies aber ist wohl kaum möglich, wenn der Prüfer - wie bisher üblich - gleichzeitig dem Unternehmen beratend zur Seite steht. Prüfung und Beratung müssen folglich klar und eindeutig getrennt werden.
Eine formale Trennung in Prüfungs- - und Beratungsfirma unter dem Dach eines gemeinsamen Unternehmens wird dabei wohl nicht reichen. Dies aber kann zur Folge haben, dass die Prüfung teurer wird. Offensichtlich sind viele Prüfer bereit, ihre Dienste billig anzubieten, um sich dann an der folgenden lukrativen Beratung schadlos halten zu können. Ein unerträglicher Zustand, der sofort beendet werden muss. Prüfungshonorare müssen künftig eindeutig festgeschrieben werden und dürfen nicht Gegenstand eines Preiswettbewerbs der Prüfer untereinander sein.
Ein langer Weg steht noch bevor
Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Dies können nur die ersten Schritte sein, um den desillusionierten Anleger wieder für die Aktienanlage zu interessieren.So, wie die Fernsehbilder von verhafteten Wirtschaftsmanagern, die in Handschellen dem Untersuchungsrichter vorgeführt werden, wohl manchem Unternehmensführer die Illusion nehmen, der Bilanzbetrug sei ein einträgliches Kavaliersdelikt.