Ein weiteres Symbol amerikanischer Dominanz erscheint plötzlich verwundbar: Der Dollar hat seinen Ruf als sicherer Hafen verloren, ausländische Investoren ziehen ihr Geld aus Amerika ab. Währungsexperten warnen vor einer "Abwärtsspirale".
New York - "Eine Liebesaffäre geht zu Ende", proklamierte der Amerikaner Barton Biggs kürzlich, nachdem er von einer Europareise zurückgekehrt war. Was den Morgan-Stanley-Banker zu solcher Poesie veranlasste, war folgende Erkenntnis: Die Ausländer wenden sich vom Dollar ab. Das wäre an sich nicht weiter bemerkenswert - wenn nicht der Dollar bis vor kurzem noch als unbesiegbar gegolten hätte. Der vermeintliche Herausforderer Euro? Ein Witz. Der Yen? Oh, bitte.
Doch die US-Währung ist seit Februar gegenüber dem Euro und dem Yen um neun Prozent gefallen. Zunächst wiegelten Währungsexperten noch ab: Es handele sich nur um einen momentanen Schwächeanfall. Doch inzwischen sind sie sich nicht mehr so sicher. Zunehmend äußern Beobachter die Sorge, dass der schwache Dollar ein neues, fundamentales Misstrauen der Welt gegenüber den USA spiegele: Fragwürdige Bilanzpraktiken, stagnierende Unternehmensgewinne, fallende Aktienkurse und Terrorangst haben demnach die Amerika-Begeisterung in Ernüchterung umschlagen lassen.
Die Investitionen versiegen
Die Zahlen untermauern diese Diagnose: Die Direktinvestitionen von Ausländern sind im vergangenen Jahr um 60 Prozent gegenüber 2000 gefallen, meldete das US-Handelsministerium am Mittwoch. Briten und Japaner haben den Geldhahn am weitesten zugedreht, sie investierten über 80 Prozent weniger in amerikanische Unternehmen. Auch die Aktien- und Anleihenkäufe von Europäern sind im selben Zeitraum um über die Hälfte eingebrochen - von 112 Milliarden Dollar auf 50 Milliarden Dollar. Im ersten Quartal dieses Jahres fielen sie auf schlappe 5,9 Milliarden Dollar.
Ausgeglichen wurde dieser Rückzug bisher teilweise durch die Asiaten (ohne Japan), deren Nachfrage nach amerikanischen Wertpapieren sich im vergangenen Jahr auf 111 Milliarden Dollar verdoppelt hat. Doch die meisten Ausländer zeigen den USA die kalte Schulter: In den ersten zwei Monaten dieses Jahres hat sich der Kapitalstrom, der sich im Wesentlichen aus Direktinvestitionen und Wertpapieranlagen zusammensetzt, auf durchschnittlich 14,6 Milliarden Dollar verlangsamt. Letztes Jahr hatten die USA monatlich noch durchschnittlich 44 Milliarden Dollar an Zuflüssen erhalten.
Mexiko statt Amerika
Die Abwanderung des Kapitals ist wenig verwunderlich: Die amerikanischen Börsen schneiden im internationalen Vergleich im Moment schlecht ab. Der Nasdaq Composite Index ist seit Jahresbeginn um rund zwanzig Prozent eingebrochen, der S&P 500 um knapp zehn Prozent. Auch am Anleihenmarkt sind in Europa und Japan die besseren Renditen zu erzielen. Pimco-Fondsmanager Bill Gross, der "Warren Buffett des Anleihenmarktes", empfiehlt Anlegern bereits, sich in Richtung "Emerging Markets" wie Mexiko zu orientieren.
Pro Tag braucht die US-Wirtschaft über eine Milliarde Dollar aus dem Ausland, um ihr Leistungsbilanzdefizit von 465 Milliarden Dollar zu finanzieren. Fließt weniger, steigt der Druck auf den Dollar - wie in den vergangenen Monaten. Die meisten Ökonomen glauben daher, dass der lang erwartete Zeitpunkt für das Platzen der Dollarblase gekommen ist. Nach dem Börsencrash sei dies sei der logische "nächste Schritt", schrieb William Dudley, Direktor der Wirtschaftsforschung bei Goldman Sachs, in einer Analyse.
Wenn der Dollar crasht, reißt er die Märkte mit
Unklar ist noch, ob es eine weiche oder harte Landung wird. An den Märkten kursiert derzeit folgendes Grusel-Szenario, dass die Investmentbank Morgan Stanley in einer neuen Studie detailliert dargestellt hat: Fällt der Dollar in den nächsten Monaten rapide, dann könnte er eine fatale Abwärtsspirale in Gang setzen. Wenn eine Währung erst einmal angeschlagen ist, tendieren die Märkte zu Überreaktionen. Eine regelrechte Kapitalflucht könnte die Folge sein. Die Zentralbanken, deren Währungsreserven weltweit zu 76 Prozent aus Dollar bestehen, würden den Dollar-Anteil ihrer Portfolios vermutlich reduzieren - und damit den Abwärtstrend noch verstärken. Auch die letzten Amerikafans, die Asiaten, würden ihr Geld dann womöglich abziehen, die Amerikaner selbst würden ihr Geld im Ausland anlegen, Aktien und Anleihenkurse fielen ins Bodenlose. "Ein Dollarcrash", warnt Stephen Roach, Chefvolkswirt von Morgan Stanley, "würde die Finanzmärkte zum Einsturz bringen".
Als Folge würden die Amerikaner sich ärmer fühlen ("negativer Wohlstandseffekt"), ihren Konsum einschränken, und die US-Wirtschaft würde erneut in die Rezession fallen ("Double Dip"). Der Dollarcrash wäre eine Katastrophe nicht nur für die USA, sondern für die gesamte Weltwirtschaft. In Euroland würde er Roach zufolge ein Prozent Wirtschaftswachstum kosten, in Japan ein halbes Prozent.
Weiche Landung wahrscheinlicher
Doch dieser schlimmste aller möglichen Fälle würde nur eintreten, wenn der Dollar bis zum Jahresende um 20 Prozent gegenüber dem Euro und dem Yen fiele. Die Wahrscheinlichkeit dafür liege aber nur bei 15 Prozent, beruhigt Roach. Wahrscheinlicher sei eine weiche Landung, also eine graduelle Abwertung des Dollars, sieben Prozent dieses Jahr, sieben Prozent nächstes Jahr. Ende 2003 hätte er dann ungefähr seinen "fairen Wert" erreicht.
Die weiche Landung wäre durchaus positiv für die USA. Denn mit dem sinkenden Dollar werden Exporte billiger und damit wettbewerbsfähiger. Die amerikanische Industrie fordert seit langem, den Dollarkurs zu drücken. Der starke Dollar habe sie in den vergangenen 18 Monaten 140 Milliarden Dollar an Einnahmen und 500.000 Arbeitsplätze gekostet, klagte Jerry Jasinowski, der Präsident der National Association of Manufacturers, kürzlich vor dem Kongress. Amerikanische Produkte seien rund 25 Prozent teurer als die der ausländischen Konkurrenz.
Die Japaner wollen einen starken Dollar
Die Verbraucher allerdings dürften wenig begeistert sein: Importgüter werden teurer, die Federal Reserve könnte zu einer Erhöhung der Leitzinsen gezwungen, um die Inflation zu bekämpfen. Dadurch steigen auch die Kreditzinsen. Und auch psychologisch ist die Dollarschwäche für die erfolgsgewohnten Amerikaner ein Schock, schließlich ist sie ein Armutszeugnis in Sachen wirtschaftlicher Potenz. Wie sehr die Währung das Image des Landes prägt, erklärte das Wirtschaftsmagazin "Forbes" kürzlich in einem Anfall von Selbstironie: "Der Dollar ist amerikanisch, und selbstverständlich muss er stark sein - genauso wie Amerikas Schulen und Amerikas Militär stark sein müssen. Stark ist gut."
Das finden auch die Japaner, die als einzige gegen den fallenden Dollar ankämpfen. Denn Japan kann sich einen starken Yen schlicht nicht leisten - sein Wirtschaftsmotor, die Exportindustrie, würde ins Stottern geraten. So kaufte die japanische Zentralbank viermal innerhalb von zwei Wochen Dollar, insgesamt rund 20 Milliarden, um den nach oben schießenden Yen zu deckeln.
Noch steht keinesfalls fest, dass der Dollar überhaupt weiter fällt. Optimisten weisen darauf hin, dass die USA weiterhin das produktivste Land der Welt sind. Die Wirtschaft soll dieses Jahr um vier Prozent wachsen - ein Wert, von dem Europa und Japan nur träumen können. Doch Bilanzskandale, Börsendepression und der Protektionismus der Bush-Regierung haben im Ausland das Image Amerikas nachhaltig beschädigt. David Wyss, Chef-Volkswirt von Standard and Poors, spürt es auch: "Es steht ein Regimewechsel an."
New York - "Eine Liebesaffäre geht zu Ende", proklamierte der Amerikaner Barton Biggs kürzlich, nachdem er von einer Europareise zurückgekehrt war. Was den Morgan-Stanley-Banker zu solcher Poesie veranlasste, war folgende Erkenntnis: Die Ausländer wenden sich vom Dollar ab. Das wäre an sich nicht weiter bemerkenswert - wenn nicht der Dollar bis vor kurzem noch als unbesiegbar gegolten hätte. Der vermeintliche Herausforderer Euro? Ein Witz. Der Yen? Oh, bitte.
Doch die US-Währung ist seit Februar gegenüber dem Euro und dem Yen um neun Prozent gefallen. Zunächst wiegelten Währungsexperten noch ab: Es handele sich nur um einen momentanen Schwächeanfall. Doch inzwischen sind sie sich nicht mehr so sicher. Zunehmend äußern Beobachter die Sorge, dass der schwache Dollar ein neues, fundamentales Misstrauen der Welt gegenüber den USA spiegele: Fragwürdige Bilanzpraktiken, stagnierende Unternehmensgewinne, fallende Aktienkurse und Terrorangst haben demnach die Amerika-Begeisterung in Ernüchterung umschlagen lassen.
Die Investitionen versiegen
Die Zahlen untermauern diese Diagnose: Die Direktinvestitionen von Ausländern sind im vergangenen Jahr um 60 Prozent gegenüber 2000 gefallen, meldete das US-Handelsministerium am Mittwoch. Briten und Japaner haben den Geldhahn am weitesten zugedreht, sie investierten über 80 Prozent weniger in amerikanische Unternehmen. Auch die Aktien- und Anleihenkäufe von Europäern sind im selben Zeitraum um über die Hälfte eingebrochen - von 112 Milliarden Dollar auf 50 Milliarden Dollar. Im ersten Quartal dieses Jahres fielen sie auf schlappe 5,9 Milliarden Dollar.
Ausgeglichen wurde dieser Rückzug bisher teilweise durch die Asiaten (ohne Japan), deren Nachfrage nach amerikanischen Wertpapieren sich im vergangenen Jahr auf 111 Milliarden Dollar verdoppelt hat. Doch die meisten Ausländer zeigen den USA die kalte Schulter: In den ersten zwei Monaten dieses Jahres hat sich der Kapitalstrom, der sich im Wesentlichen aus Direktinvestitionen und Wertpapieranlagen zusammensetzt, auf durchschnittlich 14,6 Milliarden Dollar verlangsamt. Letztes Jahr hatten die USA monatlich noch durchschnittlich 44 Milliarden Dollar an Zuflüssen erhalten.
Mexiko statt Amerika
Die Abwanderung des Kapitals ist wenig verwunderlich: Die amerikanischen Börsen schneiden im internationalen Vergleich im Moment schlecht ab. Der Nasdaq Composite Index ist seit Jahresbeginn um rund zwanzig Prozent eingebrochen, der S&P 500 um knapp zehn Prozent. Auch am Anleihenmarkt sind in Europa und Japan die besseren Renditen zu erzielen. Pimco-Fondsmanager Bill Gross, der "Warren Buffett des Anleihenmarktes", empfiehlt Anlegern bereits, sich in Richtung "Emerging Markets" wie Mexiko zu orientieren.
Pro Tag braucht die US-Wirtschaft über eine Milliarde Dollar aus dem Ausland, um ihr Leistungsbilanzdefizit von 465 Milliarden Dollar zu finanzieren. Fließt weniger, steigt der Druck auf den Dollar - wie in den vergangenen Monaten. Die meisten Ökonomen glauben daher, dass der lang erwartete Zeitpunkt für das Platzen der Dollarblase gekommen ist. Nach dem Börsencrash sei dies sei der logische "nächste Schritt", schrieb William Dudley, Direktor der Wirtschaftsforschung bei Goldman Sachs, in einer Analyse.
Wenn der Dollar crasht, reißt er die Märkte mit
Unklar ist noch, ob es eine weiche oder harte Landung wird. An den Märkten kursiert derzeit folgendes Grusel-Szenario, dass die Investmentbank Morgan Stanley in einer neuen Studie detailliert dargestellt hat: Fällt der Dollar in den nächsten Monaten rapide, dann könnte er eine fatale Abwärtsspirale in Gang setzen. Wenn eine Währung erst einmal angeschlagen ist, tendieren die Märkte zu Überreaktionen. Eine regelrechte Kapitalflucht könnte die Folge sein. Die Zentralbanken, deren Währungsreserven weltweit zu 76 Prozent aus Dollar bestehen, würden den Dollar-Anteil ihrer Portfolios vermutlich reduzieren - und damit den Abwärtstrend noch verstärken. Auch die letzten Amerikafans, die Asiaten, würden ihr Geld dann womöglich abziehen, die Amerikaner selbst würden ihr Geld im Ausland anlegen, Aktien und Anleihenkurse fielen ins Bodenlose. "Ein Dollarcrash", warnt Stephen Roach, Chefvolkswirt von Morgan Stanley, "würde die Finanzmärkte zum Einsturz bringen".
Als Folge würden die Amerikaner sich ärmer fühlen ("negativer Wohlstandseffekt"), ihren Konsum einschränken, und die US-Wirtschaft würde erneut in die Rezession fallen ("Double Dip"). Der Dollarcrash wäre eine Katastrophe nicht nur für die USA, sondern für die gesamte Weltwirtschaft. In Euroland würde er Roach zufolge ein Prozent Wirtschaftswachstum kosten, in Japan ein halbes Prozent.
Weiche Landung wahrscheinlicher
Doch dieser schlimmste aller möglichen Fälle würde nur eintreten, wenn der Dollar bis zum Jahresende um 20 Prozent gegenüber dem Euro und dem Yen fiele. Die Wahrscheinlichkeit dafür liege aber nur bei 15 Prozent, beruhigt Roach. Wahrscheinlicher sei eine weiche Landung, also eine graduelle Abwertung des Dollars, sieben Prozent dieses Jahr, sieben Prozent nächstes Jahr. Ende 2003 hätte er dann ungefähr seinen "fairen Wert" erreicht.
Die weiche Landung wäre durchaus positiv für die USA. Denn mit dem sinkenden Dollar werden Exporte billiger und damit wettbewerbsfähiger. Die amerikanische Industrie fordert seit langem, den Dollarkurs zu drücken. Der starke Dollar habe sie in den vergangenen 18 Monaten 140 Milliarden Dollar an Einnahmen und 500.000 Arbeitsplätze gekostet, klagte Jerry Jasinowski, der Präsident der National Association of Manufacturers, kürzlich vor dem Kongress. Amerikanische Produkte seien rund 25 Prozent teurer als die der ausländischen Konkurrenz.
Die Japaner wollen einen starken Dollar
Die Verbraucher allerdings dürften wenig begeistert sein: Importgüter werden teurer, die Federal Reserve könnte zu einer Erhöhung der Leitzinsen gezwungen, um die Inflation zu bekämpfen. Dadurch steigen auch die Kreditzinsen. Und auch psychologisch ist die Dollarschwäche für die erfolgsgewohnten Amerikaner ein Schock, schließlich ist sie ein Armutszeugnis in Sachen wirtschaftlicher Potenz. Wie sehr die Währung das Image des Landes prägt, erklärte das Wirtschaftsmagazin "Forbes" kürzlich in einem Anfall von Selbstironie: "Der Dollar ist amerikanisch, und selbstverständlich muss er stark sein - genauso wie Amerikas Schulen und Amerikas Militär stark sein müssen. Stark ist gut."
Das finden auch die Japaner, die als einzige gegen den fallenden Dollar ankämpfen. Denn Japan kann sich einen starken Yen schlicht nicht leisten - sein Wirtschaftsmotor, die Exportindustrie, würde ins Stottern geraten. So kaufte die japanische Zentralbank viermal innerhalb von zwei Wochen Dollar, insgesamt rund 20 Milliarden, um den nach oben schießenden Yen zu deckeln.
Noch steht keinesfalls fest, dass der Dollar überhaupt weiter fällt. Optimisten weisen darauf hin, dass die USA weiterhin das produktivste Land der Welt sind. Die Wirtschaft soll dieses Jahr um vier Prozent wachsen - ein Wert, von dem Europa und Japan nur träumen können. Doch Bilanzskandale, Börsendepression und der Protektionismus der Bush-Regierung haben im Ausland das Image Amerikas nachhaltig beschädigt. David Wyss, Chef-Volkswirt von Standard and Poors, spürt es auch: "Es steht ein Regimewechsel an."