Comeback der Baubranche

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Nassie:

Comeback der Baubranche

 
26.10.03 11:44
BAUBRANCHE: Auferstehung aus Beton (EuramS)

   
Die Dauerkrise der Baubranche ist zu Ende, verkündete Hochtief. Die Aktienkurse steigen, die großen Konzerne holen lukrative Aufträge herein und spekulieren mit Übernahmen. Ist dem Comeback zu trauen?
von Thorsten Schüller

Solch einen schnellen Kurszuwachs bei einem Bauwert haben Anleger schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Kaum hatte Hans-Peter Keitel, Vorstandsvorsitzender des größten deutschen Baukonzerns Hochtief, kundgetan, dass die Dauerkrise der hiesigen Mörtelbranche im kommenden Jahr überwunden sein wird, sprang der Kurs der Hochtief-Aktie um über fünf Prozent nach oben – auf den höchsten Stand seit einem Jahr.

Die Nachricht kommt einer Sensation gleich. Denn seit sieben Jahren hören Anleger nur Schlechtes: Überkapazitäten, die nach der Wende aufgebaut worden waren, zwangen zahllose Unternehmen in die Knie. Selbst Riesen wie der Frankfurter Holzmann-Konzern überlebten den Konkurrenzdruck nicht. 78000 Baufirmen gibt es heute noch. Doch auch von denen werden nach Einschätzung von Klaus Wiesehügel, Chef der IG Bau, noch einige verschwinden. Hinzu kommt, dass osteuropäische Billigarbeiter das Lohnniveau drücken. 700000 von einst 1,5 Millionen Jobs gingen verloren.

Nun sollen also wieder bessere Zeiten anbrechen? Hochtief-Chef Keitel jedenfalls scheint davon überzeugt zu sein. Kommendes Jahr werde die Krise ein Ende haben, der Verlust an Arbeitsplätzen gestoppt, behauptet der Manager. Sein eigenes Unternehmen habe den Turnaround im deutschen Baugeschäft bereits geschafft, seit Mitte des Jahres operiere der Konzern in den schwarzen Zahlen. Der Gewinnzuwachs in diesem Jahr dürfte höher ausfallen als bislang prognostiziert.

Zahlreiche Branchenkenner schütteln erstaunt den Kopf. "Das ist reiner Zweckoptimismus", poltert Gewerkschafter Wiesehügel. Auch Jens Jung, Bau-Analyst von Independent Research, sieht wenig Anzeichen für Optimismus: "Es deutet fast nichts auf einen Aufschwung hin. Das erste Halbjahr 2003 war noch sehr schwach." Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes sank der Auftragseingang von Januar bis August 2003 gegenüber der Vorjahreszeit um 11,4 Prozent, die Zahl der Beschäftigten ging um 10,3 Prozent zurück.

Im zweiten Halbjahr 2003 werde es wegen der geplanten Kürzung oder Streichung der Eigenheimzulage einen kleinen Boom bei den Bauanträgen von Privatleuten geben, sagt Jung. Doch längerfristig seien die Impulse aus dem privaten Sektor zu schwach. Außerdem halten sich viele Privatleute mit Erhaltungsinvestitionen zurück. Jung: "Wenn ein Fenster quietscht, wird nicht mehr gleich der Handwerker geholt." Auch von den Kommunen als Träger öffentlicher Bauten oder der Industrie sei auf absehbare Zeit keine Stimulanz zu erwarten: "Woher sollen die das Geld nehmen?"

Immerhin rechnet der Analyst im nächsten Jahr nicht mehr mit einem Rückgang in der Bauwirtschaft, sondern mit einer Stagnation: "Das ist bereits eine Verbesserung." Den Firmen könnte dabei zugute kommen, dass der Wettbewerbsdruck allmählich nachlässt. Bleiben die Zinsen niedrig, könnte dies außerdem manches Bauvorhaben erleichtern. Im Übrigen sollten von der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 Impulse für die Bauwirtschaft ausgehen. Nicht zuletzt sieht Jung die Chance, dass durch Private Public Partnership, also die gemeinsame Baufinanzierung durch öffentliche Hand und private Finanziers, die Branche neue Aufträge erhält.

Doch der große Durchbruch ist das nicht. Arndt Frauenrath, Präsident des Zentralverbandes des deutschen Baugewerbes, rechnet frühestens 2005 mit einer Stabilisierung. Investitionen, Umsatz und die Zahl der Beschäftigten werden bis dahin nochmal sinken. "Das ist die grausame Wahrheit."

Ähnlich argumentiert Heinz-Werner Bonjean, Vorsitzender der Bundesvereinigung Bauwirtschaft, dem Dachverband des mittelständischen Baugewerbes: "Behutsame" Auswirkungen auf die Bau-Investitionen erwartet er frühestens 2005, positive Effekte auf die Beschäftigung nicht vor 2006.

Trotz aller Skepsis können die Besitzer von Bau-Aktien erst mal aufatmen. Große börsennotierte Werte wie Hochtief, Bilfinger Berger oder Strabag haben in den vergangenen Wochen eine durchwegs gute bis sehr gute Performance hingelegt. Einer der Gründe: Im Gegensatz zur überwiegend mittelständisch geprägten Bauindustrie machen die Big Player einen Großteil ihres Umsatzes im Ausland. Und dort läuft es vielfach deutlich positiver als hier zu Lande. "Die Rahmenbedingungen sind in vielen Ländern besser als bei uns", sagt Ilona Klein, Sprecherin des Zentralverbandes des Baugewerbes. Gleichzeitig treten die Konzerne bei ihren Deutschlandgeschäften verstärkt als Projektentwickler auf. Die eigentliche Bautätigkeit überlassen sie meist Subunternehmen.

So hat Hochtief nach Angaben von Konzernchef Keitel seine hiesigen Aktivitäten zu Gunsten eines "deutlich schärferen Risikomanagements" stark runtergefahren. "Die Zahl der von uns abgegebenen Angebote ist drastisch gesunken. Die Anzahl der erfolgreichen Angebote steigt dafür deutlich an."

Dank der Umstrukturierungen rechnet er damit, 2003 das Vorsteuerergebnis des vergangenen Jahres von 121 Millionen Euro klar zu übertreffen. Damit nicht genug: Vor allem im Dienstleistungsgeschäft wie dem Gebäudemanagement und der Projektentwicklung habe das Unternehmen noch einiges an Wachstumspotenzial. Keitel: "Es ist noch sehr viel Vorstellungskraft bei Hochtief vorhanden."

Wie die aussehen könnte, zeigt ein Blick auf die Referenzliste des Konzerns. In Lübeck baut und finanziert Hochtief gemeinsam mit Bilfinger Berger den Herrentunnel, der künftig gegen Maut durchfahren werden kann. Das Unternehmen, das sich mehrheitlich im Besitz des Energiekonzerns RWE befindet, ist außerdem an den Flughäfen Hamburg, Düsseldorf, Sydney und Athen beteiligt. Hochtief hat die Brücken über den Öresund und den Bosporus gebaut sowie den Commerzbank-Turm in Frankfurt und das Sony-Center in Berlin hochgezogen. Und soeben hat die australische Tochter Leighton Holdings Limited einen Riesenauftrag im Volumen von 1,02 Milliarden Euro zum Ausbau mehrerer Minen in Südostasien hereingeholt.

In einer guten Position befindet sich auch Deutschlands zweitgrößter Bauriese Bilfinger Berger. Nach dem Verkauf seiner Buderus-Anteile für 551 Millionen Euro verfügt der Konzern über eine mit 1,3 Milliarden gefüllte Kriegskasse. Damit will das Management andere Unternehmen kaufen. Im Blick haben die Mannheimer die australische Abigroup, die sie für 110 Millionen Euro übernehmen wollen. "Durch die Akquisition will Bilfinger Berger den zweitgrößten Baukonzern des Kontinents formen und insbesondere seine Position auf dem wachsenden Markt für anspruchsvolle Infrastrukturprojekte in Australien ausbauen", teilte das Unternehmen mit.

Licht am Ende des Tunnels sieht auch die auf den Straßenbau spezialisierte Strabag. Für das laufende Jahr erwartet das Management eine deutliche Gewinnsteigerung. Über die österreichische Muttergesellschaft Bauholding Beteiligungs AG ist das Unternehmen zudem sehr gut in Osteuropa positioniert, wo für die kommenden Jahre ein Bauboom erwartet wird. Zusätzliche Phantasie bietet der Wert durch seine Forderungen gegenüber dem Irak. Inklusive Zinsen schuldet der Wüstenstaat dem Unternehmen 407 Millionen Euro, die die Regierung in Bagdad wegen des bislang bestehenden Embargos nicht begleichen konnte. Nun, nach Aufhebung des Embargos, könnte Strabag in den Genuss außerordentlicher Einnahmen kommen. Allerdings dämpft ein Firmensprecher die Erwartungen: "Das wird sicher nicht kurzfristig passieren."

Theoretisch könnte sich die Firma das Geld auch auf ungewöhnlichem Wege besorgen. Da Strabag Rechtstitel über 176,5 Millionen Euro hat, ist das Unternehmen berechtigt, ein irakisches Schiff in europäischen Gewässern zu beschlagnahmen.
 
-red- / -red-

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