von Ronny-D, 23.02.00 19:07:00 517370
Einige werden sicher mein Thread "Leserbrief an die Telebörse" schon gelesen haben. Für die, die noch nicht, ein kleines Trostpflaster. Jedenfalls dann, wenn er veröffentlich wird.Hallo Telebörse-Team, in ihrer Ausgabe 8/2000 vom 17.2.2000 habe sie auf Seite 42 ff. ein Interview mit Herrn Bernt Weber, dem Chef der Comdirect Bank, gedruckt.
Dabei sind sie auch auf die Probleme der Comdirect Bank eingegangen.
Leider wird die wahre Dimension der Probleme in ihrem Artikel nicht deutlich. Dazu kommt die bewuste Verharmlosung durch Herrn Bernt Weber.
Tatsache ist, das seit Monaten die Comdirect häufig nicht zu erreichen ist, weder per I-Net noch per Telefon.
Originalton Weber: „Es ist richtig, daß die Comdirect Bank in den vergangenen Wochen schwer erreichbar war."
Falsch. Die Probleme häufen sich schon seit November 1999. Das sind immerhin fast vier Monate.
Originalton Weber: „Leider kamen drei Faktoren zusammen, die wir in dieser Form so nicht einkalkuliert haben: Das steigende Interesse an Discount Brokern, die Euphorie für Neuemissionen und der Höhenflug des Neuen Marktes. Für das Jahr 2000 hatten wir mit 10.000 bis 15.000 Neukunden pro Monat gerechnet. Im Januar waren es bereits 17.000".
Falsch. Im Januar 1998 und im September/Oktober 1998 legte der Neue Markt ebenfalls stark zu. Auch damals kam es zu Problemen mit den gleichen Entschuldigungen. 1997 kam es am Neuen Markt zu 15 Neuemissionen, 1998 waren es 45 und 1999 waren es bereits 141 Neuemissionen.Wieviel hatten wir in den ersten anderthalb Monaten im Jahre 2000 ? Schauen sie selber nach.Auch der Hinweis auf 17.000 Neukunden statt 15.000 kann nicht unwidersprochen bleiben. Das sind gerade mal 13,3% über dem geplanten Höchstzahlen. Wird hier tatsächlich so eng kalkuliert, obwohl seit mehreren Jahren die I-Net Nutzerzahlen „explodieren"? Das weis inzwischen jeder Hinterwäldler.
Originalton Weber: „Wer ins Call-Center nicht durchkommt, kann sehr bequem mit der Interactive-Voice-Response-Technik (IVR) Aktien über das Telefon ordern. Kunden können uns natürlich auch ein Fax schicken".
Falsch. Die IVR Technik funktioniert nicht. Der Computer reagiert nicht auf die Tasten-Eingaben des Telefons, obwohl ich vorher das Telefon auf das Tonwahlverfahren umgestellt habe.Auch Faxe wurden nicht oder nur verspätet bearbeitet.
Originalton Weber: „... An einzelnen Januartagen verzeichneten wir das Dreifache des sonst üblichen Orderaufkommens..."
Meine Antwort Jeder Comdirect Kunde, der sich beschwerte, bekam das gleiche
Antwortschreiben. Darin wird u.a. ausgeführt:
„Im Oktober letzten Jahres wickelten wir 279.000 Orders ab, im November 99 waren es bereits 529.000, im Dezember 609.000 und im Januar 2000 konnten wir mehr als 1 Million Orders platzieren".
Legt man 21 Arbeitstage zugrunde, komme ich bei einem 24 Stunden Tag auf 1,8 Millionen Sekunden pro Monat. Das waren im Januar dann 0,56 Aufträge pro Sekunde.Diese Rechnung würde der Sache aber nicht gerecht, so kalkulieren wir also mit dem Haupteil der Aufträge mit 10 Stunden pro Tag. Das sind 756.000 Sekunden oder 1,32 Aufträge pro Sekunde, die die Comdirect im Januar hat abwickeln müssen. Da sind meine EXCEL Datenbanken (und das ist ein Kalkulations- u. keine Datenbankprogramm) ja schneller. Selbst wenn man berücksichtigen muß, das jede Transaktion Prüfungen nach sich zieht und das Ganze übers Netz läuft. Hier muß ich die Frage stellen: Mit welcher Technik wird hier gearbeitet ?
Fazit:
Herr Bernt Weber arbeitet nach den bekannten Methoden diverser Vorstände und baut auf das schlechte Gedächnis der Leser.
1. Probleme hat es zwar gegeben, wurden erkannt und die Lösung angegangen (Einstellung von 50 Leuten pro Woche) .War alles nicht so schlimm.
2. Dazu ein Hinweis auf die Klasse Technik, die man verwendet. Interactive-Voice-Response Technik hört sich für einen Laien oder Neuling an, als hätte man sie gerade von einem UFO geschenkt bekommen. Muß einfach was tolles sein.
3. Durch Verschweigen von Tatsachen oder deren Verharmlosung wird beim Leser ein falsches Bild erzeugt.
4. Bernt Weber weis natürlich, das es seinen Kunden schwer fällt, den Beweis über einen finanziellen Schaden zu erbringen und nutzt dies für meine Begriffe schamlos aus.
Der Gipfel der Frechheit oder besser die Verarschung der Kunden ist aber die Antwort auf ihre Frage, ob Herr Weber Anlass sieht, sich bei seinen Kunden zu entschuldigen.Der sieht diese Anlass nicht, obwohl viele tatsächlich Geld verloren haben Diese Arroganz ist schwer zu überbieten.
Bedenkt man nun noch, daß die Probleme nicht nur bei den Mitgliedern des Aktienboards „Wallstreet Online" aufgetreten sind - obwohl eines der größten Communities im deutschen Internet - , so sehen wir hier nur die Spitze des Eisberges.
Trotz allem wirbt die Comdirect weiterhin fleißig für Internetaktienhandel, Daytrading (wie soll das
bloß gehen !), sprich sekundenschnellen Handel oder Tradematrix usw., ohne in der Lage zu sein, dieses Versprechen auch tatsächlich halten zu können.
Im rechtlichen Sinne nennt man dies „Unlauterer Wettbewerb".
Mit freundlichem Gruß
Roland Derkum
eMail: Ronny_D.@gmx.de
PS: Ich weis das aus platzgründen Leserbriefe häufig gekürzt werden. Im Namen aller
geschädigten Comdirectkunden und den Usern von Wallstreet Online bitte ich sie, den Brief
ungekürzt zu veröffentlichen.
Im Sinne der Kunden und der immer noch fehlenden Aktionärskultur.
Danke.
Mal sehen ob es was nützt.
Ronny