Chinas "Great Depression"

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Pate100:

Chinas "Great Depression"

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17.02.06 10:57

Chinas "Great Depression"

Die chinesische Wirtschaft eilt von einem Wachstumsrekord zum nächsten. Doch hinter der beindruckenden Fassade rumort es gewaltig, wie Krassimir Petrov in diesem Artikel darlegt. Er stützt sich dabei auf die Einsichten der Konjunkturzyklustheorie der „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“ und kommt zu dem für viele sicherlich überraschenden Schluß, daß sich China aktuell in derselben Situation befindet wie die USA in den 1920ern. Die unausweichliche „Great Depression“ erwartet er allerdings erst für die Zeit nach den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking.

Nachdem ich vor kurzem Rothbards “America’s Great Depression” gelesen hatte, konnte ich nicht anders, als Parallelen zwischen Amerikas „Roaring 20s“ und Chinas boomender Wirtschaft von heute zu ziehen, und konnte nichts anderes schließen, als daß China unausweichlich in eine Depression fallen wird wie Amerika in den 1930ern. Das Ziel dieses Artikels ist es, ein österreichisches Argument [d.h. den Standpunkt der Österreichischen Schule der Nationalökonomie] zu präsentieren, warum dies letztendlich geschehen muß; um meine Argumente zu untermauern, werde ich – wo notwendig – aus Rothbards 5. Auflage zitieren.


Bevor ich fortsetze, möchte ich alle Leser, die Rothbards “America’s Great Depression” noch nicht gelesen haben, nachdrücklich auffordern, ein Exemplar zu Hand zu nehmen und zu lesen. [pdf-Download hier; Anm. d. Ü.] Erstens, weil es angenehm zu lesen ist und Rothbards geistreicher Stil das Buch zu einem Lesevergnügen macht. Zweitens, weil im ersten Teil des Buches die österreichische Konjunkturzyklustheorie entwickelt wird, die für das Verständnis eines Kreditbooms und dessen unausweichlicher Folge, der Wirtschaftskrise, unentbehrlich ist. Und drittens, weil der zweite Teil des Buches die Entwicklung und die Gründe des inflationären Booms der 1920er sorgfältig bespricht und damit die Basis für den Vergleich mit der heutigen chinesischen Wirtschaftspolitik legt.

Um die Parallelen aufzuzeigen, benötigen wir eine historische Perspektive von der Beziehung zwischen einer Weltmacht und einem aufstrebenden Wirtschaftsgiganten. In den 1920ern war Großbritannien die Weltmacht und die USA waren der aufstrebende Wirtschaftsgigant. Daher konnte Großbritannien seine Wirtschaftspolitik unabhängig gestalten, während die USA ihre eigene Wirtschaftspolitik unterordnen und anpassen mußten. Heute sind die USA die hegemoniale Supermacht und China ist der aufstrebende Wirtschaftsgigant. Wenig überraschend verfolgen die USA ihre Politik nun unabhängig, während China dementsprechend seine anpaßt.

Wir setzen die parallele Analyse fort; während der 1920er war das britische Weltreich bereits am absteigenden Ast, es war militärisch überdehnt und um seine imperialen Abenteuer zu bezahlen, minderten sie den Wert ihrer eigenen Währung und verzeichneten fortwährende Handelsbilanz- und Budgetdefizite. Anders gesagt, Großbritannien sparte zu wenig, war ein Netto-Schuldner und der Rest der Welt finanzierte die Briten. Indessen verzeichneten die USA Handelsbilanzüberschüsse und die USA waren ein Netto-Gläubiger. Von einem historischen Standpunkt aus wichtig, kollabierte das britische Weltreich in dem Augenblick, als der Rest der Welt den Kredithahn zudrehte und begann, Kapital zu repatriieren. Heute befindet sich das amerikanische Weltreich am absteigenden Ast, es ist militärisch überdehnt und finanziert sein überdehntes Reich mit den „altbewährten“ Methoden der Geldabwertung und endloser Handelsbilanz- und Budgetdefizite. Anders gesagt, Amerika spart überhaupt nicht mehr, ist eine Netto-Schuldnernation und der Rest der Welt finanziert Amerika. Wenn der Rest der Welt schließlich den Kredithahn für Amerika zudreht, wird dann das amerikanische Imperium ebenfalls kollabieren?

Der Grund der Depression war, wie Rothbard erklärt, eine den Boom anheizende Ausweitung der Kreditmenge. Laut Rothbard „erhöhte sich während des gesamten Booms die Geldmenge um $28,0 Milliarden, was ein 61,8% Anstieg über die Periode von 8 Jahren [von 1921-1929; im Original] ist. Das entspricht einem jährlichen Anstieg von 7,7 Prozent, ein sehr beträchtlicher Anstieg der Inflation (S. 93) … Die gesamte Ausweitung der Geldmenge erfolgte in Geld-Surrogaten, die ein Produkt der Kreditausweitung sind … Der Hauptfaktor, der die Inflation der 1920er verursachte, war der Anstieg der gesamten Bankreserven“ (S. 102). Anders gesagt, während der 1920er durchlebten die Vereinigten Staaten einen inflationären Kreditboom. Dies manifestierte sich im boomenden Aktien- und Immobilienmarkt. Darüber hinaus gab es einen „spektakulären Boom in Fremdwährungsanleihen … Das war eine direkte Folge der amerikanischen Kreditausweitung und insbesondere der niedrigen Zinssätze, die aus dieser Ausweitung resultierten“ (S. 130). Um gegen diesen Boom anzukämpfen, versuchte die FED vergebens, dies durch gütliches Zureden zu erreichen und die Ausweitung der Kreditmenge auf „legitime Geschäftszweige“ zu beschränken. Die Verbraucher“preise blieben im Allgemeinen stabil und fielen sogar leicht während dieser Zeitspanne.“ (S. 86). Ohne Zweifel trugen die stabilen Verbraucherpreise zum allgemeinen Gefühl wirtschaftlicher Stabilität bei und der Großteil der Berufsökonomen realisierte zu diesem Zeitpunkt nicht, daß die Wirtschaft fundamental nicht intakt war. Für sie kam die Wirtschaftskrise überraschend.

Heute sind die Samen einer Depression in China auf gleiche Weise gesät. Die Ökonomen bejubeln das Wachstum in China, allerdings bemerken viele nicht, daß China einen inflationären Kreditboom erlebt, der den amerikanischen während der „Roaring 20s“ in den Schatten stellt. Laut den offiziellen Regierungsstatistiken war das chinesische BIP-Wachstum 2002 8% und 8,5% im Jahr 2003, und einige Analysten glauben, daß diese Zahlen vorsichtig geschätzt sind. Laut der Webseite der chinesischen Zentralbank http://www.pbc.gov.cn/english/baogaoyutongjishuju/), war „Money & Quasi Money Supply“ im Jänner 2001 bei 11,89 Billionen, im Jänner 2002 bei 15,96 Billionen und im Jänner 2004 bei 22,51 Billionen yuan. Anders gesagt, die Geldmenge stieg in den Jahren 2001, 2002, 2003 um 34,2%, 19,3% und 18,1%. [Die Zahlen für das Jahr 2004 sind wie folgt: „Money and Quasi Money“: Jänner 2005 25,8 Billionen; Geldmengenanstieg 2004 14,6%; November 2005 29,2 Billionen; Geldmengenanstieg 2005 (Jänner-November) 13,2% (http://www.china.org.cn/e-company/06-01-15/page051121.htm); Anm. d. Ü.] Daher stieg die Geldmenge in China in den letzten drei Jahren ungefähr drei Mal schneller als die Geldmenge in den USA während der 1920er.

Kein Wunder, daß der chinesische Aktienmarkt und der chinesische Immobilienmarkt boomen. So wie in den USA in den 20ern, finanziert China heute andere Länder, vor allem die USA, indem China mit seinem Handelsbilanzüberschuß amerikanische Staatsanleihen kauft. So wie die FED mit ihrem gütlichen Zureden in den 20ern scheiterte, versucht die chinesische Regierung heute vergeblich, das Kreditwachstum zu begrenzen, indem sie nur den Industriezweigen Kredit zur Verfügung stellt, die Kredit benötigen, das heißt, nur den Industrien, die die Regierung aus gewöhnlich politischen Gründen gutheißt. Auch war die Entwicklung der chinesischen Verbraucherpreise während des großteils des aktuellen Booms moderat und sogar fallend, während die Preise für Rohstoffe explodiert sind, was perfekt mit der „österreichischen“ Position übereinstimmt, daß die Preise von Gütern höherer Ordnung, wie beispielsweise Rohstoffe, relativ zu den Preisen von Gütern niedriger Ordnung, wie beispielsweise Konsumgüter, steigen sollten. Dies bestätigt in der Tat, daß die Ausweitung der Kreditmenge schon seit geraumer Zeit durchgeführt wurde und daß sich die Inflation jetzt in einem fortgeschrittenen Stadion befindet, obwohl sie noch nicht außer Kontrolle geraten ist. Daher ist die ökonomische Situation Chinas auffallend ähnlich zu der Amerikas in den 1920ern und die langjährige Ausweitung der Kreditmenge impliziert, daß eine Wirtschaftskrise unausweichlich ist.

Es gibt auch wichtige Parallelen hinsichtlich der Währung und der Exportpolitik. Während der 1920er war das Britische Pfund überbewertet und es wurde von vielen kleineren Ländern als Reservewährung verwendet. Während Großbritannien in den 1920ern seine inflationäre Politik verfolgte, verlor es Gold an andere Länder, vor allem an die Vereinigten Staaten. Folglich galt, „falls die Regierung der Vereinigten Staaten das amerikanische Geld inflationierte, würde Großbritannien kein Gold mehr an die Vereinigten Staaten verlieren“ (S. 143). Die Amerikaner verschärften das Problem jedoch noch zusätzlich, weil sie künstlich die Kreditgewährung ans Ausland stimulierten, was den Export von amerikanischen landwirtschaftlichen Gütern zusätzlich stärkte, somit aber das Problem der Netto-Exporte verschlimmerte und den Fluß von Gold in die USA beschleunigte. „Sie [die Kreditgewährung ans Ausland; im Original] ließ auch amerikanischen Handel aufkommen, der nicht auf dem soliden Fundament von reziproken und produktiven Tausch, sonder auf der fieberhaften Förderung von Darlehen fußte, die sich später als unseriös entpuppten“ (S.139). „[Präsident] Hoover was so enthusiastisch über die Subventionierung von Darlehen ans Ausland, daß er später bemerkte, daß sogar schlechte Darlehen den amerikanischen Exporten halfen und demzufolge eine günstige Unterstützung für die amerikanische Wirtschaft und die Beschäftigungslage waren – eine billige Methode, die später teure Insolvenzen und eine finanzielle Notlage verursachte“ (S. 141). Daher verdeutlicht die vorangegangene Diskussion, daß die Hauptgründe für Amerikas inflationäre Politik die folgenden waren: (1) um den Abfluß von Gold aus Großbritannien in die USA einzudämmen, (2) um die Kreditgewährung ans Ausland zu stimulieren und (3) um landwirtschaftliche Exporte zu stimulieren.

Heute ist der Dollar überbewertet und wird als Weltreservewährung verwendet. Die USA betreiben eine inflationäre Politik und sie verlieren Dollar an den Rest der Welt, hauptsächlich an China (und Japan). Heute ist die Geld- und Exportpolitik Chinas durch Chinas Bindung an den Dollar verankert. Der Hauptgrund dafür ist, daß mit der künstlichen Unterbewertung der eigenen Währung, und daher Überbewertung des Dollars, China die Exporte seiner verarbeitenden Industrie stimuliert. Der zweite Grund ist, daß China durch den Kauf der überschüssigen US-Dollar und durch die Reinvestition in amerikanische Staatsanleihen als ausländischer Kreditgeber für die Vereinigten Staaten agiert. Der dritte Grund ist, daß die Kreditgewährung ans Ausland die amerikanische Nachfrage nach chinesischen Exporten stimuliert und so der chinesischen Regierung erlaubt, ihr aktuelles Arbeitslosigkeitsproblem zu lindern. Anders gesagt, die Motive hinter der chinesischen Währungs- und Exportpolitik sind identisch mit denen Amerikas während der 1920er: (1) Unterstützung des überbewerteten US-Dollar, (2) Stimulierung der Kreditgewährung ans Ausland und (3) Stimulierung der Exporte im verarbeitenden Gewerbe. So wie Amerika in den 1920ern, etabliert China heute seinen Handel nicht auf der soliden Basis des reziproken und produktiven Tausches, sondern auf Basis von Auslandsanleihen. Ohne Zweifel werden sich die meisten dieser Anleihen als sehr teuer herausstellen, da sie mit stark abgewerteten Dollar zurückgezahlt werden, was wiederum irgendwann die wachsenden finanziellen Schwierigkeiten des chinesischen Bankensektors verschärfen wird.

Daher ist es klar, daß sich China heute auf den Weg in die Depression befindet. Wie ausgeprägt diese Depression sein wird, wird kritisch von zwei Entwicklungen abhängen. Erstens, wie viel länger die chinesische Regierung ihre inflationäre Politik betreiben wird und zweitens, wie hartnäckig sie die Wirtschaftskrise bekämpfen wird. Je länger sie die Kreditmenge ausdehnt und je stärker sie die Krise bekämpft, desto wahrscheinlicher ist es, daß sich die chinesische Depression zu einer „Great Depression“ entwickeln wird. Es ist auch wichtig zu erkennen, daß, so wie die „Great Depression“ in den 1930ern eine weltweite Depression auslöste, eine chinesische Depression gleichfalls eine Wirtschaftskrise in den USA und damit eine Rezession im Rest der Welt auslösen wird.

Außer wenn es eine unvorhergesehene Bank-, Währungs- oder Derivatkrise gibt, die sich über die Welt ausbreitet, ist es meine Überzeugung, daß sich die chinesische Wirtschaftskrise irgendwann in 2008/2009 ereignen wird, weil die chinesische Regierung ihre expansive Politik bis zu den Olympischen Spielen 2008 in China weiterführen wird. Bis dahin wird die Inflation vermutlich außer Kontrolle geraten sein, wahrscheinlich bereits hyperinflationär sein, und die Regierung wird vermutlich keine andere Wahl haben als auf die Bremse zu steigen und eine Kontraktion auszulösen. 1929 stoppte die Expansion im Juli, die Börse crashte im Oktober und die Wirtschaft kollabierte zu Beginn des Jahres 1930. Wenn wir daher eine Latenzzeit von ungefähr einem halben Jahr zwischen der Kontraktion der Kreditmenge und dem wirtschaftlichen Kollaps vorsehen, würde ich, basierend auf meinem Timing mit den Olympischen Spielen, die Wirtschaftskrise für 2009 erwarten. Zugegeben, dies ist reine Spekulation meinerseits; natürlich könnte die Wirtschaftskrise früher oder später ausbrechen.

Während ich mein Timing für das Erscheinen der Wirtschaftskrise auf die Olympischen Spiele 2008 basiere, glaubt Marc Faber, die weltweit führende Autorität innerhalb der „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“ hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas, daß die Wirtschaftskrise früher passieren wird. Nach seiner Meinung werden die USA relativ bald in eine ausgeprägte Rezession schlittern, die wiederum die bereits existierenden Überkapazitäten im verarbeitenden Gewerbe weiter verschlimmern wird. Dieser Umstand gepaart mit steigenden Problemen im Kreditbereich, führt ihn zu der Überzeugung, daß China vor den Olympischen Spielen in eine Rezession schlittern wird. Anders gesagt, Dr. Faber glaubt, daß eine Rezession in den USA die Depression in China auslösen wird. Das kann tatsächlich der Auslöser sein, aber selbst wenn das der Fall ist, bleibt abzuwarten, ob die chinesische Regierung die Wirtschaftskrise sich selbst überlassen wird oder ob sie auf Biegen und Brechen einen „crack-up“ Boom [Hyperinflation; Anm. d. Ü.] wählen wird.

Wir sollten noch einen anderen möglichen Auslöser für die Wirtschaftskrise bedenken, nämlich daß sich infolge eines beschleunigten Anstiegs von Rohstoffen, die China importieren muß, die chinesischen Handelbilanzüberschüsse in Handelbilanzdefizite verwandeln. Mit Handelsbilanzdefiziten konfrontiert, könnte China entscheiden, sich seiner überschüssigen US-Staatsanleihen zu entledigen, oder die Koppelung an den US-Dollar aufzugeben. In jedem Fall wird das die Probleme der schwächlichen US-Wirtschaft verschärfen und auf China wie ein Bummerrang zurückfallen.

Schließlich kann die Wirtschaftskrise von einer weltweiten Krise des Rohölangebots ausgelöst werden. Die Spitze der Ölförderung ist nah, wenn nicht bereits hinter uns und die politische Instabilität im Nahen Osten und um das Kaspische Meer könnte das Ölangebot stark reduzieren. In der Geschichte hat ein Mangel an Öl und der daraus resultierende Anstieg des Ölpreises immer eine Rezession ausgelöst. Chinas wachsende Abhängigkeit von Öl ist eine Garantie dafür, daß China, falls eine Ölkrise auftreten sollte, in eine Rezession schlittern wird.

Als Resümee läßt sich sagen, daß die wahrscheinlichen Auslöser der chinesischen Depression die folgenden sind: (1) eine weltweite Währungs-, Banken- oder Derivatenkrise, (2) eine Rezession in den USA, (3) die Eindämmung einer Hyperinflation, (4) das Verschwinden des chinesischen Handelsbilanzüberschusses und (5) eine Ölkrise.
Es gibt wenig Zweifel, daß, was auch immer die Wirtschaftskrise in China auslösen wird, dies den Beginn einer weltweiten Depression einläuten wird. So wie die USA aus der „Great Depression“ als die konkurrenzlose Weltmacht hervorging, so ist es wahrscheinlich, daß China als die nächste Weltmacht hervorgehen wird.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 9. Februar 2004 unter dem Originaltitel “China’s Great Depression” auf Financial Sense Online - www.financialsense.com.

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