China ist der Maßstab

Beiträge: 2
Zugriffe: 296 / Heute: 1
EinsamerSam.:

China ist der Maßstab

 
26.01.06 09:21
World Economic Forum

China ist der Maßstab

Trotz dramatisch gestiegener Ölpreise und erheblicher struktureller Ungleichgewichte steht die Weltkonjunktur nach wie vor unter Dampf. Doch gerade im Wirtschaftswunderland China könnte der Ofen ausgehen, wenn sich nicht einiges ändert.

DAVOS. Die Investmentbank Goldman Sachs rechnet mit einer Zunahme des globalen Bruttoinlandsprodukts um 4,2 Prozent. „Ich bin recht zuversichtlich“, sagte Chefvolkswirt Jim O’Neill in Davos am Rande des Weltwirtschaftsforums im Schweizer Skiort Davos.

Die wichtigsten Lokomotiven der globalen Wirtschaft sind China und die USA. Darüber waren sich auch andere Experten zum Auftakt des Forums in Davos einig. Die US-Bürger müssten allerdings mehr sparen und weniger ausgeben. In China sei es genau umgekehrt. Falls die „Selbstgefälligkeit der Märkte und Unternehmer“ anhalte, könnten sich die globalen Ungleichgewichte vergrößern, warnte Stephen Roach, Chefökonom der Investmentbank Morgan Stanley.

Die Volksrepublik ist mit fast zehn Prozent Wachstum in 2005 zwar eines der Zugpferde der Weltwirtschaft, leidet aber ebenso wie die USA unter einem gravierenden Strukturproblem. Zwar weist China nicht wie die USA ein Doppeldefizit in Haushalt und Leistungsbilanz auf. Doch in China wird das Wachstum fast ausschließlich durch Investitionen und Exporte erzeugt.

„Das Wachstumsmodell aus hoher Sparquote und Auslandsinvestitionen ist auf Dauer nicht tragbar“, warnt Zhu Min, Vizepräsident der Bank of China. „China muss den Konsum und die Binnennachfrage ankurbeln und den hohen Exportüberschuss abbauen.“ In China beträgt die Sparquote etwa 45 Prozent, in den USA wurde 2005 gar nicht gespart.

Schwächstes Glied in der globalen Wachstumskette sei derzeit der US-Konsum, sagte Roach. Nachdem amerikanische Verbraucher jahrelang kreditfinanzierte Investitionen in die Kapital- und Immobilienmärkte getätigt haben, geht ihnen nun langsam die Luft aus. Das macht sich auch beim Hauskauf bemerkbar. „Die Leute haben weniger Geld in der Tasche, die Verbrauchernachfrage ist in den USA gesunken“, sagte Roach. „Das kann sich zu einem ernsten Problem für die Weltwirtschaft entwickeln, wenn es China und anderen Ländern nicht gelingt, die Binnennachfrage erheblich anzukurbeln.“ Goldman-Sachs-Chefvolkswirt O’Neill rechnet trotz möglicher Turbulenzen auf dem US-Häusermarkt nicht mit einem Crash. „Es wird keine Tränen der Verzweiflung geben“, sagte er.

Die Top-Unternehmer der Welt sind offenbar ebenfalls überzeugt, dass die Weltwirtschaft günstige Perspektiven aufweist, vor allem in den Schwellenländern. Sie investieren dort in erster Line, weil sie von den Marktchancen überzeugt sind und neue Kunden erobern wollen, nicht um Kosten zu senken. Das geben über 1 400 Vorstandschefs aus der ganzen Welt in einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PWC) zu erkennen.

Die schnell wachsenden Volkswirtschaften der Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien und China (bekannt unter der Abkürzung BRIC) seien in der Vergangenheit von den CEOs vornehmlich als verlängerte Werkbänke mit niedrigen Lohnkosten gesehen worden, sagte PWC-Chef Samuel Di Piazza bei der Vorstellung der Umfrage am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. „Das ist jetzt anders“ sagte er. „Jetzt sehen über zwei Drittel der Unternehmensführer, dass es in diesen Ländern große Wachstumschancen für international tätige Unternehmen gibt.“

Die neunte PWC-Umfrage dieser Art fand im vierten Quartal 2005 statt. 463 der 1410 Interviews fanden in Europa statt, davon 75 in Deutschland. Rund 71 Prozent der Befragten sagten, sie wollten in den nächsten drei Jahren in mindestens einem der BRIC-Staaten investieren. Favorit ist China: 78 Prozent planen Engagements im Reich der Mitte. 64 Prozent zieht es nach Indien, 48 Prozent nach Russland und 46 Prozent nach Brasilien. Favorit der Deutschen ist aber Russland, 80 Prozent der in Deutschland Befragten planen dort Investitionen. Die BRIC-Schwellenländer werden nach einer Analyse von Goldman Sachs die führenden Wirtschaftsnationen der Welt im Jahr 2050 sein. China werde die Rangliste der größten Volkswirtschaften dann vor den USA, Indien, Japan und Brasilien anführen. Deutschland liegt in diesem Ranking hinter Russland auf dem siebten Platz.

Die Erwartungen der Unternehmer an gute Geschäfte in aufstrebenden Staaten werden auch nicht durch die Preisschocks auf den Energiemärkten und die dadurch entstehenden Inflationsrisiken eingetrübt. Jakob Frenkel, Vizepräsident der American International Group, geht davon aus, dass eine Rückkehr zu moderaten Ölpreisen 2006 nicht erfolgt. „Die Preise bleiben hoch, aber sie schlagen noch nicht auf die Inflation durch.“ Auch Goldman Sachs ist in Sorge über die Preisentwicklung am Ölmarkt. „Das steckt ein großes Gefährdungspotenzial drin“, sagt O’Neill. „Ab einer bestimmten Höhe wird es negative Effekte für die Weltwirtschaft geben.“ Doch dieser Punkt sei noch nicht erreicht. „Vielleicht bleibt er auch ganz aus.“

Quelle: HANDELSBLATT, Donnerstag, 26. Januar 2006, 08:11 Uhr

...be invested
 
Der Einsame Samariter

China ist der Maßstab 2354359
EinsamerSam.:

Die Qualität des chinesischen Wachstums

 
19.07.06 09:10
Konjunktur

Die Qualität des chinesischen Wachstums

Wachstum ist gut. Schnelles Wachstum ist besser. Es steigert den Wohlstand, erzeugt Vertrauen der Konsumenten und Investoren, schafft Arbeitsplätze und verleiht einem Staat Handlungsspielraum und oft auch politische Stabilität. Gerade Entwicklungsländer sind auf hohe Wachstumsraten angewiesen, da sie das Land nur dank einer florierenden Wirtschaft aufbauen und eine ausreichende Beschäftigung bieten können.

Grundsätzlich ist es also eine gute Nachricht, wenn China jetzt mit 11,3 Prozent die höchste Wachstumsrate seit einem Jahrzehnt meldet. Fragen sind dennoch angebracht - nach der Verläßlichkeit der Daten, der Nachhaltigkeit der Zuwachsraten und vor allem zur Qualität des Wachstums.

Statistische Werte aus China sind Ungefährwerte

Die Chinesen korrigieren ihre Wachstumswerte in schöner Regelmäßigkeit erheblich. Das Berichtswesen im Lande ist wenig fundiert und zugleich so stark von Partikularinteressen der Provinzen und Parteigrößen geprägt, daß auch die korrigierten Zahlen nicht in Übereinstimmung mit den Daten einzelner Regionen zu bringen sind. Jeder statistische Wert, der aus China kommt, ist ein Ungefährwert.

Doch er gibt eine Richtung vor - und diese Richtung überrascht. Denn die meisten Beobachter hatten mit einer langsamen Abschwächung der Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes in China gerechnet. Die Regierung selber strebt einen jährlichen Ausbau der Volkswirtschaft um neun Prozent an. Davon ist sie weit entfernt: Im zweiten Quartal wuchs Chinas Wirtschaft um die jetzt verkündeten 11,3 Prozent.

Spiegel der Machtlosigkeit und Selbstüberschätzung

Kritik macht sich nicht an der Höhe dieses Wertes fest, sondern an der Qualität. So geben die Begleiterscheinungen des raschen Wachstums aus mehreren Gründen zu denken: Die Wachstumsrate zeigt, daß die Regierung in Peking die chinesische Volkswirtschaft längst nicht so zu steuern vermag, wie sie selber dies wünscht und vorgibt - in den Daten spiegeln sich Machtlosigkeit und Selbstüberschätzung wider.

Das hohe Wachstum gründet auf einem Investitionsboom, nicht auf dem - gesünderen - Konsum der Chinesen. Hinter dem Wert verbirgt sich die gefährlich wachsende Ungleichheit der Verteilung des Wohlstands, denn das Wachstum findet vor allem entlang der Ostküste statt. Zudem deutet er auf einen Mangel an Nachhaltigkeit, da China unkontrolliert Ressourcen verschleudert.

Die Dominosteine Chinas könnten ins Wanken geraten

Sorge bereiten die hohe Geldmenge, das hohe Kreditvolumen und der deshalb vielerorts drohende Aufbau von Überkapazitäten. Fabriken werden aus dem Boden gestampft, die sich dauerhaft nicht werden halten können, weil sie schlechte Qualität liefern. Bricht der Gewinn aufgrund mangelnder Qualität und Überkapazitäten ein, könnten die Dominosteine in China ins Wanken geraten: Die Unternehmen haben in der Regel nur eine geringe Kapitalausstattung, eine Krise überstehen sie nicht. Dies führte zu steigenden Kreditausfällen der Banken. Brechen erst Banken zusammen, leidet die Börse. Platzt die Immobilienblase, verlieren die Verbraucher ihr Vertrauen, weil sie ihre Altersvorsorge verlieren. Der Schlußpunkt der Kettenreaktion wäre politische Instabilität, die China mit Hilfe hoher Wachstumsraten vermeiden will.

Peking muß erkennen, daß die Versuche, das Wachstum überhitzter Bereiche auf das angestrebte, nachhaltige Maß zu beschränken, fehlgeschlagen sind. Eine Ursache liegt darin, daß sich die Regierung vor dem großen Schritt scheut, den Kurs des Yuan freizugeben und seine Wirtschaft damit voll dem internationalen Wettbewerb auszusetzen.

Yuan-Anpassung würde die Spreu vom Weizen trennen

Die Begründung für das Zögern hat eine irrationale und eine rationale Seite. Die irrationale ist Pekings Wunsch, unbeeinflußt vom Drängen der Weltmächte eigene Entscheidungen zu einem selbstgewählten Zeitpunkt zu treffen. Rational betrachtet, wird Peking wohl nur die Möglichkeit haben, schrittweise und im Einklang mit dem Aufbau des eigenen Finanzmarktes den Yuan freizugeben.

Dies wird dauern. Denn die Regierung fürchtet ein Szenario, wie es etwa die Analysten von Standard & Poor's gerade beschrieben haben: Ein Anstieg des Yuan-Kurses um 25 Prozent und eine Anhebung des Zinssatzes von zwei Prozentpunkten ließen die Gewinne der chinesischen Unternehmen um ein Drittel einbrechen. Damit trennte sich zwar die Spreu vom Weizen. Der Prozeß aber wäre so abrupt, daß auch hier Instabilität drohte.

Staatsregierung wird in den Provinzen kaum gehört

Die zweite Ursache für das überschießende Wachstum ist für China-Kenner beängstigender: Belegt der deutlich über den Vorstellungen Pekings liegende Wert doch, daß die Staatsregierung in den Provinzen kaum gehört wird. Jeder Provinzfürst achtet eher darauf, sein eigenes Heil zu suchen, als den Anordnungen aus der Hauptstadt Folge zu leisten. Und dieses eigene Heil liegt zu oft darin, seine Schäfchen etwa durch zweifelhafte Immobiliengeschäfte ins trockene zu bringen. Deshalb sah sich Ministerpräsident Wen Jiabao am Sonntag gezwungen, die Provinzen ein weiteres Mal zum Maßhalten aufzufordern. Nützen wird dies wenig.

So bleiben kleine Schritte aus Pekings Sicht wohl der einzige Weg, Überhitzung und Überinvestition in einzelnen Bereichen einzudämmen. Im Vordergrund steht ein weiterer Zinsschritt. Folgen dürfte eine nochmalige Anhebung der Reserveanforderungen der Banken. Mittelfristig muß China von einem investitionsgetriebenen Wachstum auf ein nachfragegetriebenes Wachstum umschalten. Dazu aber sind die chinesischen Verbraucher dieser Generation noch zu vorsichtig, erscheint ihnen die Politik Pekings zu unverläßlich: So sparen sie lieber auf eine ungewisse Zukunft, als in großem Stile zu konsumieren. Das Vertrauen der Verbraucher in das eigene System steht auf dem niedrigsten Stand seit drei Jahren.


Quelle: F.A.Z.

Euch,

   Einsamer Samariter

Es gibt keine neuen Beiträge.


Börsen-Forum - Gesamtforum - Antwort einfügen - zum ersten Beitrag springen
--button_text--