Bulle oder Bär - was die Profis raten

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Bulle oder Bär - was die Profis raten

 
24.11.01 11:28
Wer die Diskussion um Wirtschafts- und Börsenentwicklung verfolgt, wird feststellen, dass Optimisten und Pessimisten mit ihren Positionen himmelweit auseinanderliegen.

Im Lager der Optimisten ist von einer nachhaltigen Trendwende die Rede. Die Rückkehr auf den Wachstumspfad stehe kurz bevor und damit sei die Baisse an den Börsen vorüber. Im Lager der Pessimisten wird zur Vorsicht gemahnt. Fundamental habe sich nicht viel geändert und der jüngste Kursanstieg basiere hauptsächlich auf den Cash-Beständen, die jetzt wieder investiert würden. Da der Wirtschaftsaufschwung im kommenden Jahr spät einsetzen und vergleichsweise flach ausfallen werde, müsse mit einer Ernüchterung der Marktteilnehmer in 2002 gerechnet werden.

Stock-World hat die Investmentprofis Klaus Hagedorn, Dr. Jens Erhardt und Thomas Steinemann gebeten, ihre Prognose für Wirtschaft und Börse und ihre daraus resultierende Strategie und Aktienfavoriten argumentativ darzustellen. Den Lesern soll auf diese Weise Einblick in die Hintergründe zurückhaltender und optimistischer Prognosen gegeben werden, als Basis, um sich eine eigene Meinung zu bilden.

Klaus Hagedorn: Nasdaq bei 2.500 Punkten

Klaus Hagedorn hat nach dem Studium der Volkswirtschaft zunächst als Analyst gearbeitet. 1987 wechselte er zu Metzler Investment. Hagedorn managt den bekannten Metzler Wachstum International Fonds.

Wegen der Attentate vom 11. September haben die Analysten ihre Wachstums- und Gewinnschätzungen für die USA drastisch reduziert und dabei vor allem auf das schlechtere Konsumklima verwiesen. Dabei sind Fehler unterlaufen. Die Situation der Konsumenten in den Vereinigten Staaten ist nicht so schlecht wie oft dargestellt, die Probleme sind psychologischer Natur.

Fundamental sprechen zahlreiche Daten für eine robuste Nachfrage der Verbraucher. Die Bürger profitieren von den Zinssenkungen der Notenbank, da sie weniger Zinsen für ihre Hypotheken zahlen müssen. Die jährliche Ersparnis daraus summiert sich auf 65 Milliarden Dollar. Steuersenkungen spülen weitere 40 Milliarden Dollar in die Geldbörsen. Der stark fallende Ölpreis bringt ebenfalls eine erhebliche Entlastung mit sich. Die Gallone bleifreies Benzin kostete in Spitzenzeiten 2,01 Dollar, heute sind es noch 1,26 Dollar. Die Autofahrer zahlen 75 Milliarden Dollar weniger für Benzin. Die Ersparnis bei Gas bewegt sich in einer ähnlichen Größenordnung.

Dazu steht der amerikanische Kongress vor der Verabschiedung eines 100-Milliarden-Dollar-Maßnahmenpakets, dass erneut Steuerentlastungen enthält. Alle Posten zusammen belaufen sich auf rund 250 Milliarden Dollar im Jahr. So viel mehr Geld haben die Verbraucher zur Verfügung. Im Vergleich dazu bedeutet ein Anstieg der Arbeitslosenrate um 1,0 Prozent lediglich einen Verlust an Kaufkraft von 40 Milliarden Dollar.

Die Frage ist nur, ob die Bürger bereit sind, das zusätzliche Geld auch auszugeben. Mit zeitlichem Abstand zu den Terroranschlägen wird das sicher der Fall sein. Das Konsumverhalten ist ein wichtiger Faktor für die Entwicklung der US-Wirtschaft und wir halten aufgrund der guten Ausgangslage positive Überraschungen für möglich. Vielleicht müssen die Wirtschaftsinstitute, die gerade noch ihre Wachstumsprognosen für 2002 gesenkt haben, im kommenden Jahr wieder nach oben anpassen.

Die Auswirkungen auf Gewinnentwicklung


Anpassungen nach oben könnten auch bei den Unternehmensgewinnen wieder die Regel werden, die Dominanz der Gewinnwarnungen dürfte vorbei sein. Bis zum zweiten Quartal 2001 warnten regelmäßig zwischen 650 und 800 Unternehmen. Daran waren nicht zuletzt unrealistische Prognosen seitens der Analysten schuld. Seit Jahresmitte verweigern immer mehr Unternehmen Aussagen über den Geschäftsverlauf. Die Analysten haben daraufhin einfach ihre Prognosen drastisch gesenkt.

Nach dem 11. September kürzten die Experten ein weiteres mal. Anstelle von durchschnittlich 14 Prozent Gewinnrückgang im Jahresvergleich befürchteten sie jetzt 22 Prozent weniger Gewinn für das dritte Quartal. Inzwischen hat der Großteil der Firmen die Ergebnisse bekannt gegeben und 51 Prozent lagen über den Schätzungen. Die Analysten hinken erneut hinter der Realität her, doch dieses mal liegen Sie zu niedrig.

Ein weiteres Indiz spricht für positive Ergebnisüberraschungen im kommenden Jahr. Normalerweise geht in Rezessionen auch die Produktivität der Unternehmen zurück. Firmenchefs entlassen in der Flaute nicht sofort ihre Angestellten, sondern warten zunächst ab. In der laufenden Konjunkturschwäche ist die Produktivität noch gewachsen. Springt die Konjunktur wieder an, steigt die Produktivität in der Regel weiter. Das birgt Potenzial für Überraschungen.

Dow Jones bei 12.500 bis 13.500, Nasdaq 2.500

Viele Aktien erwecken auf dem jetzigen Kursniveau schon wieder den Anschein, teuer zu sein. Die oben erwähnten Gewinnsprünge werden diesen Eindruck relativieren. Dazu erhalten Aktien Unterstützung von der Preisentwicklung.

Folgt man dem Modell des amerikanischen Autors Graham, hängt das Bewertungsniveau von Wachstumstiteln zentral von der Inflation ab. Bei 2,0 Prozent Inflationsrate ist demnach ein durchschnittliches KGV für die Indizes von 25 in Ordnung, bei einer Rate von 1,0 Prozent von 30. Wir glauben, dass die Inflationsrate Richtung 1,0 Prozent tendieren wird.

Um das Potenzial nach einer Rezession auszuloten haben wir uns bei Metzler die Kursentwicklung nach vergangenen Rezessionen angesehen. Es lässt sich festhalten, dass die Erholung stets vor - zwischen vier und neuen Monate - der Trendwende in der Wirtschaft einsetzte. Die Kurse stiegen dann 40 bis 60 Prozent vom Tief. Für den Dow Jones errechnet sich so ein Kursziel von 12.500 bis 13.500 Punkte im kommenden Jahr, für den Nasdaq etwa 2.500 Zähler. Dabei haben wir die Tiefstkurse vor den Anschlägen zugrunde gelegt, da diese eine Sondersituation darstellten.

Für den Metzler Wachstum International haben wir das Portfolio zuletzt offensiver ausgerichtet, sprich verstärkt in Technologie investiert. Halbleiter- und PC-Titel sind vielversprechend, das Geschäft der Datenspeicherung aussichtsreich. Da die Telekomanbieter noch zurückhaltend investieren, warten wir bei Telekomausrüstern noch ab. Dell [Nasdaq: DELL Kurs/Chart ], Intel [Nasdaq: INTC Kurs/Chart ], Veritas, ARM Holding [Nasdaq: ARMHY Kurs/Chart ] und  ASM Lithography sind einige Beispiele für kaufenswerte Aktien.

Jens Ehrhardt: Keine große Wende in Sicht

Dr.Jens Ehrhardt ist Vermögensverwalter, Fondsmanager und Herausgeber des Börsenbriefs Finanzwoche. Von 1969 bis 1974 war er als Mitinhaber der seinerzeit größten Vermögensverwaltungsgesellschaft für Wertpapiere (PM-Portfolio anagement)tätig.1974 gründete er die Dr.Ehrhardt Vermögensverwaltung.

Das nächste Jahr wird keine große Konjunkturwende bringen. Sehen Sie sich nur einmal die derzeitige Situation in den USA an: Hohe Arbeitslosigkeit, hohe Verschuldung der Privathaushalte. Ich wüsste nicht, was sich daran so schnell ändern sollte. Zumal auch die Maßnahmen zur Konjunkturbelebung bislang nicht gegriffen haben. Die Steuergeschenke an die amerikanischen Bürger haben dazu geführt, dass die Sparquote deutlich gestiegen ist. Die Zinssenkungen sind quasi verpufft.

Aber die Anleger müssen sich nicht unbedingt wieder auf ein trostloses Börsenjahr gefasst machen. Bei einem starken Konjunkturaufschwung wird aus den Finanzmärkten Liquidität abgezogen. Dies geschieht aus folgendem Grund: Wenn Großinvestoren merken, dass mit Investitionen in der freien Wirtschaft mehr zu verdienen ist als an den Börsen, dann schichten sie um. Das Beste für die Börse wäre, wenn sich die Konjunktur weiter so entwickeln würde wie derzeit.

Ich bin der Meinung, dass die Indizes weiterhin sehr volatil bleiben. Dem DAX traue ich bis Jahresende einen Aufschwung bis auf 5.500 Punkte zu. Auch der Neue Markt hat Luft nach oben. Anleger sollten investiert sein. Empfehlenswert ist ein Kauf von MobilCom [ Kurs/Chart ]-Aktien. Potenzial haben aber auch Singulus [ Kurs/Chart ] und Süss Microtec [ Kurs/Chart ]. Wir favorisieren aber derzeit eher ein Neuer Markt-Zertifikat.

Die Knaller im DAX

Positiv ist, dass die Kurse weiter steigen, obwohl es schlechte Nachrichten gibt. Fallende Kurse bei schlechten Nachrichten sind ein Beweis dafür, dass die Baisse noch intakt ist. Der Markt ist  zu 80 bis 90 Prozent bereinigt. Die meisten Hiobsbotschaften sind in den Kursen eingepreist. Trotzdem wird es immer wieder zu kurzfristigen Rückschlägen kommen, wie vergangenen Montag, als in New York ein Flugzeug abstürzte. Derartige Ereignisse werden die nervenschwachen Anleger umgehend aus dem Markt treiben. Dies wird sich auch im nächsten Jahr fortsetzen.

Soliden Titeln werden solche Geschehnisse wie vom 12. November weiterhin nur kurzfristig etwas ausmachen. Institutionelle Investoren werden nach wie vor liquide Standardwerte kaufen. Zu meinen Favoriten zählt die Aktie von adidas-Salomon [ Kurs/Chart ]. Auch KarstadtQuelle [ Kurs/Chart ] kann man kaufen. Beide Unternehmen profitieren vom fallenden Ölpreis. Denn wenn die Leute weniger Geld für das Tanken ausgeben, können sie mehr in die Geschäfte tragen. Interessant sind auch Autoaktien wie Porsche, Volkswagen und BMW. Auch diese Unternehmen werden vom fallenden Ölpreis profitieren. Ebenfalls kaufenswert sind die Aktien von Bayer und BASF: Solide Substanzwerte und billig wie schon lange nicht mehr.

Thomas Steinemann: 2002 wird ein schwaches Jahr

Thomas Steinemann ist Chef-Stratege der Vontobel Gruppe. Die Schweizer Gesellschaft ist auf die Vermögensverwaltung spezialisiert und bietet Anlagefonds, Anlageberatung, Wertpapiertransaktionen und den Handel in Devisen und derivativen Produkten an.

Ich sehe erneut ein schwaches Konjunkturjahr auf uns zukommen. Wir erwarten für 2002 tiefere Wachstumsraten als in 2001. Die deutschen BIP-Zahlen für das dritte Quartal 2001 sind sehr schwach ausgefallen. Das vierte Quartal wird ein noch deutlicheres Minus bringen.

Diese Entwicklung auf die Ereignisse vom 11. September zu schieben, wäre falsch. Die weltweite Konjunktur ist bereits seit Mitte 2000 auf dem absteigenden Ast. Schuld daran haben auch die Notenbanken. Die Geldpolitik war einfach viel zu zögerlich. Ich rechne damit, dass die Unternehmensgewinne im nächsten Jahr weiter sinken werden.

Die Investitionsnachfrage bleibt unter Druck. In den USA wirkt zudem die anhaltende Verunsicherung der Konsumenten bremsend. Der Trend zur Erhöhung der Sparquote dürfte daher anhalten.

Die zweite Jahreshälfte wird dann etwas bessere Konjunkturzahlen bringen. Und zwar aus dem einfachen Grund: In den letzten 20 bis 30 Jahren ist das Wirtschaftswachstum höchstens vier Quartale hintereinander negativ ausgefallen. Dann sind die Vergleichszahlen auf so niedrigem Niveau, dass es eigentlich nur noch aufwärts gehen kann.

Finanzmärkte noch nicht erholt

Ich bin nicht der Meinung, dass sich die Finanzmärkte bereits erholt haben. Noch sind die Märkte nicht richtig billig. Anfang des nächsten Jahres wird der DAX voraussichtlich um fünf bis zehn Prozent von den derzeitigen Kursen nach unten gehen. Dann sollte eine Konsolidierung einsetzen, bevor die Kurse wieder anziehen. Langfristig orientierte Anleger könnten nun aber selektiv kaufen.

Defensive Aktien bleiben weiterhin eine attraktive Anlage. Wenn die Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte dann wieder anzieht, dürften diese Titel nachgeben. Profitieren sollten dann Papiere aus den Branchen Telekommunikation und IT.

© 22.11.2001 www.stock-world.de







KINI:

Und rauf! o.T.

 
24.11.01 17:27
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