Solarstrom boomt weltweit
Von FRANZ NETTER [10.11.2005; Börse Online Heft 46/2005]
HEIßE WACHSTUMSSTORY ODER ZWEITER NEUER-MARKT-HYPE? \ BEI DER SONNENENERGIE SCHEIDEN SICH DIE GEISTER. TROTZ HOHER BEWERTUNG BIETEN ABER VIELE AKTIEN NOCH EINIGES AUFWÄRTSPOTENZIAL. \ VOR ALLEM SOLARZELLENHERSTELLER UND HÄNDLER SIND INTERESSANT. DEUTSCHE SOLAR-AKTIEN
Sand ist teuer - zumindest, wenn er geschmolzen ist. Denn Quarzsand besteht aus Silizium. Dieses Element ist zwar nach Sauerstoff das zweithäufigste auf der Erde, die Kapazitäten der wenigen Siliziumschmelzen sind aber mittlerweile ausgelastet.
Dafür sorgte der weltweite Solarboom:
Solarzellen brauchen Silizium und das nicht wenig. Für die Herstellung von herkömmlichen Solarzellen mit insgesamt einem Megawatt Spitzenleistung sind etwa zehn Tonnen Silizium nötig.
Was knapp ist, wird meist schnell teuer: Innerhalb von zwei Jahren verdoppelte sich der Preis für Solarsilizium. Das trieb die Kosten nach oben: für Zellen wie für Module. Noch reichen aber die Förderprogramme aus, um den Besitzern von Photovoltaikanlagen auskömmliche Renditen zu sichern.
Startschuss für den Solarboom in Deutschland war die Erhöhung der Einspeisevergütung vor 22 Monaten (siehe auch BÖRSE ONLINE 10/2004). Der Eigentümer einer Photovoltaikanlage erhält seither etwa 50 Cent pro eingespeiste Kilowattstunde Strom vom Netzbetreiber - garantiert für 20 Jahre. Der Netzbetreiber legt die Mehrausgaben auf alle Verbraucher um. Im vergangenen Jahr hat das jeden Deutschen mit zehn Cent im Monat belastet. Bei neu errichteten Solarmodulen sinkt die Vergütung jedes Jahr um fünf Prozent bei Dach- und 6,5 Prozent bei Freiflächenanlagen.
Dieses Umlageverfahren gab dem Photovoltaikmarkt die Investitionssicherheit, die frühere Förderprogramme nicht aufwiesen. Zuvor stammte das Geld aus dem bundesdeutschen Staatshaushalt.
Waren die Etatmittel ausgeschöpft, gab es auch keine Förderung mehr. Das führte zu massiven Umsatzschwankungen in der Branche. Entsprechend drastisch waren die Kursbewegungen der Aktien. Beispiel SolarWorld: Im ersten Börsenjahr 2000 verzehnfachte sich der Kurs. Bis zum Frühjahr 2003 sank er um 95 Prozent.
Seitdem stieg er wieder um 5690 Prozent.
Trotz dieser Kursexplosion ist der TecDAX-Titel auf den ersten Blick nicht teuer. Immerhin liegt das 2007er-KGV nur bei 21,4 - für eine Aktie mit extrem hohen Zuwachsraten ein durchaus akzeptabler Wert. Mit 100 Euro je Aktie enorm hoch ist allerdings die Differenz zwischen dem vorhandenen Eigenkapital und dem Börsenwert. Diese Schere muss der Konzern in der Zukunft schließen.
Einfach wird das zwar nicht, wegen der enormen Wachstumsraten in den kommenden Jahren ist es aber durchaus zu schaffen. Denn im Gegensatz zu früheren Zyklen hat das Ölpreishoch dafür gesorgt, dass sich nicht nur Japan, Deutschland und die USA engagieren. Immer mehr Staaten legen gut dotierte Förderprogramme auf. Vor allem im sonnenverwöhnten Spanien (siehe Grafik) wird der Markt rasant expandieren.
Die Analysten erwarten global bis 2015 jährliche Zuwachsraten um die 20 Prozent.
Bis 2007 wird der Weltmarkt noch von Siliziummangel geprägt sein. Danach dürfte sich die Situation entspannen. Die Knappheit führt dazu, dass viele Kunden oft ein halbes Jahr auf ihre Solarmodule warten und die Preise steigen.
Zellenhersteller (siehe Seite 18) können den Modulfabrikanten mehr oder weniger die Preise diktieren - entsprechend hoch sind ihre Margen. Die Umsatzrendite nach Steuern wird wohl bis 2007 zweistellig bleiben. Davon können die Modulhersteller nur träumen. Sie leiden unter schlecht ausgelasteten Kapazitäten, falls sie nicht frühzeitig faire Lieferverträge abgeschlossen haben. Zudem werden in wenigen Jahren Firmen aus Billiglohnländern wie China auf den Markt drängen. Das stört die Händler (Seite 19) wenig. Sie kaufen einfach beim günstigsten Anbieter ein.
DerWeg aufs Dach 1 Solarzellen... werden wie Halbleiter aus Silizium hergestellt.
Reinheit und Struktur des Siliziums sind für den Wirkungsgrad einer Zelle entscheidend. Um teures Silizium zu sparen, arbeiten die meisten Produzenten an der Entwicklung von Dünnschicht-Solarzellen.
Diese sind zwar billiger, erzeugen wegen des niedrigeren Wirkungsgrades aber auf gleicher Fläche weniger Strom.
2 Solarmodule... bestehen aus mehreren Solarzellen, die unter einer schützenden Glasschicht in einen Rahmen montiert werden. Um sich mit den knappen Solarzellen zu versorgen, haben viele Modulfabrikanten langfristige Lieferverträge abgeschlossen.
3 Entwickler von Solarparks und Händler... decken sich mit Solarmodulen ein, um sie an Großanleger, Fonds oder Handwerksbetriebe zu verkaufen. Da immer mehr Staaten Förderprogramme starten, ist die weltweite Nachfrage höher als das Angebot.
1 Solarzellen Anbieter: SolarWorld, Ersol Solar Energy, Q-Cells, sunways Weltmarktvolumen 2004 2,4 - 2,5 Mrd.E
2 Solarmodule Anbieter:
SolarWorld, Solon, Solar-Fabrik Weltmarktvolumen 2004 3,2 - 3,7 Mrd.E
3 Solarprojekte / Anbieter: SolarWorld, Conergy, Phönix SonnenStrom, Sunline,
Handel Solon, SAG Solarstrom, Solarparc, e, Reinecke + Pohl, Centrosolar Weltmarktvolumen 2004 4,8 - 5,4 Mrd.E Solarzellen Hohe Investitionen und Top-Margen Dank neuer Fabriken werden die Hersteller von Photovoltaikzellen sprunghaft wachsen. Trotz hoher Bewertungen sind die Aktien langfristig aussichtsreich.
Mit dem Börsengang vor zwei Monaten nahmen Ersol und Q-Cells dreistellige Millionenbeträge ein.
Das Geld wird dringend gebraucht, um die enormen Investitionen in neue Fabriken und die teure Erforschung neuer Technologien zu finanzieren. In kürzester Zeit hat Q-Cells den Sprung in die Weltspitze geschafft. Erst im Jahr 1999 gegründet, wird das Unternehmen Ende 2005 über eine Produktionskapazität von rund 290 Megawatt verfügen. Damit ist QCells das Industrieunternehmen mit dem höchsten Wachstum in Europa.
Die Erlöse werden in den kommenden Jahren rasant zunehmen. Für 2007 schätzen Analysten den Umsatz auf 550 Millionen und den Gewinn auf gut zwei Euro je Aktie. Weiteres Umsatzpotenzial versprechen zwei Joint Ventures: Die Partnerschaft mit CSG Solar soll das von der australischen Pacific Solar entwickelte Dünnschicht-Verfahren CSG weiterentwickeln, während mit der amerikanischen Evergreen Solar auf String-Ribbon-Basis gearbeitet wird. Beide Verfahren brauchen deutlich weniger Silizium.
Ersol Solar Energy ist mit einer Kapazität von 60 Megawatt deutlich kleiner als Q-Cells. Zudem war lang das Geld knapp, weil Großaktionär Umweltkontor andere Sorgen hatte als die Expansion im Solarbereich. Erst mit dem Einstieg von Finanzinvestoren vor einem halben Jahr änderte sich die Lage. Mit Akquisitionen, dem Abschluss von Lieferverträgen und dem Bau neuer Fertigungslinien ging Ersol auf Expansionskurs.
Noch ein wenig kleiner als Ersol ist die Konstanzer Firma sunways. Auf den ersten Blick ist das Unternehmen extrem günstig: Durch eine neue Fabrik im thüringischen Arnstadt sollen Umsatz und Ergebnis im kommenden Jahr explodieren.
In den letzten Jahren war sunways allerdings chronisch ertragsschwach.
Trotzdem sollten risikofreudige Anleger die aktuelle Kursschwäche zum Einstieg nutzen. Bei Q-Cells überzeugen die langfristige Wachstumsstrategie und die technologische Führungsposition. sunways besticht durch eine relativ günstige Bewertung:
Immerhin liegt das 2007er-KGV nur bei 16. Q-Cells und Ersol Solar Energy sind deutlich teurer.
Solarmodule Sonne & Schatten dicht beieinander Der harte Kampf um Solarzellen trennt bei den Modulherstellern die Spreu vom Weizen. Während SolarWorld und Solon überzeugen, enttäuscht die Solar-Fabrik.
Mit einem solchen Spitzenergebnis hat kaum ein Experte gerechnet:
Im dritten Quartal 2005 stieg der Gewinn von SolarWorld gegenüber dem Vorjahr um 185 Prozent auf 15,1 Millionen Euro. Und das Geschäft brummt: Im Modulbereich ist die Produktion des kommenden Jahrs bereits ausverkauft. Ähnlich rasant wächst Solon. Das seit 1998 börsennotierte Unternehmen hat die Erlöse im ersten Halbjahr verdoppelt und dürfte sein Wachstumstempo noch weiter steigern. Denn Lieferverträge mit der US-Firma SunPower, Q-Cells und Ersol sorgen für relativ sicheren Nachschub.
Zudem hat Solon technisch einiges zu bieten:
Der Solon-Mover sorgt zum Beispiel dafür, dass das Modul immer optimal zur Sonne ausgerichtet ist. Dadurch erhöht sich die Stromausbeute um bis 30 Pro- zent. Die Ertragskraft hat im ersten Halbjahr ebenfalls zugenommen. Das Konzernergebnis stieg um 152 Prozent auf 2,1 Millionen oder 27 Cent je Aktie. Im zweiten Halbjahr wird der Gewinn höher sein: Solon erwirtschaftet 65 Prozent des Umsatzes in der zweiten Jahreshälfte.
Allein im dritten Quartal dürfte das Unternehmen Module mit 20 Megawatt Leistung verkauft haben. Der Quartalsbericht ist für 14. November angekündigt.
Den hat die Solar-Fabrik bereits veröffentlicht - und dabei enttäuscht. Der Gewinn nach Steuern lag nur bei 0,95 Millionen Euro. In den ersten neun Monaten steht sogar ein Verlust von 1,45 Millionen oder 0,18 Euro je Aktie zu Buche. Im Gesamtjahr dürfte das Unternehmen lediglich einen geringen Überschuss erwirtschaften.
Auch wenn sich das Ergebnis 2006 verbessern sollte, ist die Aktie im Branchenvergleich zu teuer. Der Kurs dürfte daher deutlich in den einstelligen Bereich zurückfallen.
Günstig ist dagegen Solon, liegt das 2006er-KGV doch unter 20. Außerdem kostet das Unternehmen an der Börse nur das 3,5fache des Eigenkapitals - Solar- World ist deutlich teurer. Der Bonner Konzern produziert allerdings auch nicht nur Module, sondern ist auf allen Stufen der Wertschöpfungskette präsent. Daher stufen wir den TecDAX-Boliden als haltenswert ein. Bei Kursen unter 100 Euro raten wir zum Kauf.
Solarprojekte / Handel Zwang zur Expansion ins Ausland Sinkende Einspeisevergütungen dämpfen das Wachstum in Deutschland.
Erheblich mehr Potenzial bieten boomende Auslandsmärkte wie etwa Spanien.
Ein fetter Auftrag nach dem anderen.
Auf den ersten Blick läuft das Geschäft mit Solarparks hier zu Lande hervorragend. Doch der Schein trügt. Im kommenden Jahr wird die Vergütung für eingespeisten Photovoltaikstrom aus Freiflächenanlagen auf 40 Cent pro Kilowattstunde zurückgehen. Die teuren Module aus Silizium bringen dann zu wenig Rendite. Investoren setzen deshalb entweder auf Auslandsprojekte - der spanische Markt wird massiv expandieren - oder auf die günstigeren Dünnschichtmodule, die zum Beispiel von der amerikanischen First Solar angeboten werden.
Bereits den zweiten Megawattauftrag mit First-Solar-Modulen setzt derzeit Phönix SonnenStrom um. Da auch das Handelsgeschäft rasant wächst, kletterte der Umsatz des Unternehmens in den ersten neun Monaten um 35 Prozent auf 64,2 Millionen Euro. Der Gewinn verdoppelte sich auf 3,39 Millionen oder 0,61 Euro je Aktie. Für das Gesamtjahr erwartet der Vorstand mindestens eine Verdopplung des Ergebnisses vor Zinsen und Steuern (Ebit). Der Gewinn nach Steuern wird langsamer steigen, weil der steuerliche Verlustvortrag aufgebraucht ist.
Mit einem Ebit von 10,2 Millionen oder 2,19 Euro je Aktie rechnet Reinecke + Pohl im kommenden Jahr. Der Projektentwickler setzt auf Dachflächenanlagen.
Da das Unternehmen erst seit diesem Jahr am Markt tätig ist, ist ein Bewertungsabschlag gegenüber der Branche gerechtfertigt.
Dennoch dürfte der Kurs in den kommenden Monaten auf 19 Euro klettern - 21 Prozent mehr als derzeit.
Ebenfalls viel Aufwärtspotenzial verspricht Conergy. Das Unternehmen dürfte 2005 mehr als eine halbe Milliarde Euro umsetzen. Auch im Ausland: In Spanien ist Conergy mit einem Marktanteil von rund 20 Prozent führend. Der TecDAXTitel sollte mittelfristig dreistellige Kurse erreichen (mehr dazu lesen Sie unter www.boerse-online.de). F. NETTER
Grafik:
Sonnige Aussichten Die Branchenanalysten sind sich einig: In den kommenden Jahren soll der Weltmarkt für Photovoltaik um rund 20 Prozent jährlich wachsen. Noch bremst die Siliziumknappheit. Aber ab 2008 wird es so richtig losgehen!
Photovoltaik 2009 konkurrenzfähig Spanien ist der aussichtsreichste Markt Europas: Die Einspeisevergütung beträgt 42 Cent pro Kilowattstunde für 25 Jahre. Da in Spanien die Sonne doppelt so lang wie in Deutschland scheint, sind hohe Renditen erzielbar.
Grafik:
Q - C E L L S
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S O LON
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C O N E R GY
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S O L A R Z E L L E N H E R S T E L L E R W I E Q - C E L L S O D E R E R S O L B I E T E N Ü B E R D U R C H S C H N I T T L I C H E K U R S C H A N C E N
Bildunterschrift:
Nach der Euphorie beim Börsenstart folgte die Ernüchterung. Dank hohen Wachstums und überragender Ertragskraft dürfte die Aktie aber die Konsolidierung bald beenden und wieder aufwärts streben.
Solon schwimmt in Aufträgen:
Der Orderbestand reicht weit bis ins Jahr 2006 hinein. Trotzdem fiel der Aktienkurs. Denn Großanleger verkauften Solon-Aktien, um Papiere von Ersol und Q-Cells zu erwerben.
Conergy will unabhängiger vom deutschen Markt werden: Bis 2008 soll der Auslandsanteil auf über 50 Prozent wachsen. Die Aktie ist in Lauerstellung, dürfte aber bald Richtung 100 Euro marschieren.