Stabilisierung
ist das wahrscheinlichste Szenario
Die internationalen Aktienmärkte stecken noch immer im Spannungsfeld zwischen scheinbar günstigen Bewertungen und der Furcht vor möglichen Rückschlägen. Gleichzeitig verlieren Anleihen aufgrund der sehr niedrigen Renditen an Attraktivität - trotz teilweise miserabler US-Konjunkturdaten.Da diese Woche nur wenig Markt bewegende Wirtschaftsveröffentlichungen auf der Agenda stehen und die Berichtssaison in Europa ihren Höhepunkt schon weitgehend überschritten hat, werden die Anleger Zeit finden, sich über Fragen der Bewertung Gedanken zu machen.
Flutkatastrophe im Blickpunkt
Als Sonderfaktor dürfte auch die Flutkatastrophe zum bestimmenden Thema werden, sobald die wirtschaftlichen Folgen deutlicher zu Tage treten. Vor allem die Aktien von Versicherungen und Bauunternehmen rücken damit in den Vordergrund, da diese beiden Branchen am direktesten die wirtschaftlichen Folgen der Flutschäden zu spüren bekommen.Die vergangene Woche zeichnete für die großen Aktienindizes ein uneinheitliches Bild. Während an der Nasdaq am Freitag die Pluszeichen dominierten und der Dow Jones nur leicht im Minus lag, lagen die europäischen Märkte im Wochenvergleich leicht im Minus. Dax und Stoxx 50 legten am Freitag allerdings 0,5 und 0,7 Prozent zu.
Die Saison der Quartals- und Halbjahresberichte neigt sich diese Woche dem Ende zu. Trotzdem wird den Zahlen von Henkel (Montag), der Lufthansa und der Deutschen Telekom (beide Mittwoch) sowie Fraport , ThyssenKrupp und Linde (alle Donnerstag) noch die verdiente Aufmerksamkeit zukommen.
Von konjunktureller Seite stehen in der Euro-Zone die Verbraucherpreise (Montag) und die Industrieproduktion (Dienstag) zur Bekanntgabe an. Aus Deutschland wird das Bruttoinlandsprodukt für das zweite Quartal (Donnerstag) von Interesse sein.
Auf eine klare Richtung, die die Aktien kurz- und mittelfristig einschlagen werden, legt sich derzeit kein Kapitalmarktexperte fest. "Wir sind in einer gewissen Stabilisierungsphase", sagte Stefan Mitropoulos von der Bankgesellschaft Berlin. Er stellt vor allem den psychologischen Einfluss der Flutkatastrophe in der aktuell unsicheren Marktphase in den Vordergrund. Die Nachrichten aus den Überschwemmungsgebieten belasteten die Erwartungshaltung der deutschen Unternehmer und Haushalte, auch wenn einzig durch die Flut die Konjunktur nicht nach unten gerissen würde. "Das Wasser kommt wirklich zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt", so Mitropoulos.
In den USA sind die meisten Marktbeobachter vor allem darüber erleichtert, dass die Bilanzschwüre der Konzernvorstände vom vergangenen Mittwoch glimpflich abliefen. Ed Yardeni von Prudential Financial glaubt, dass Investoren nun etwas weniger besorgt über die Verlässlichkeit von Unternehmensbilanzen sein werden. Er erhöhte deshalb den Aktienanteil in seinem Musterportfolio für wenig aggressive Investoren von 40 auf 50 Prozent. Für "gemäßigt-aggressive" Anleger wurde der Anteil von 65 auf 70 Prozent heraufgesetzt.
Nur mäßiger Optimismus
"Der Markt wurde ermutigt, weil keine größeren Pannen passierten", schreibt auch der Investmentausschuss von Standard & Poor's, warnt jedoch zugleich, dass der mittelfristige Ausblick düster bleibe. Der Markt werde "wahrscheinlich in diesem Quartal die jüngsten Tiefststände noch einmal testen".Barry Hyman von Ehrenkrantz King Nussbaum ist ebenfalls nur mäßig optimistisch, dass eine nachhaltige Kurserholung bevor steht. "Wir müssen erst noch mit der Konjunktur fertig werden." Die Zahlen der vergangenen Woche deuteten auf einen eher langsamen Erholungsprozess hin.
Diese Woche werden ferienbedingt nur wenig neue Informationen über die Konjunkturentwicklung bekannt gegeben. Lediglich die Leitindikatoren des Wirtschaftsforschungsinstituts Conference Board und die Außenhandelsbilanz stehen an.
Im Unternehmenssektor trudeln die letzten Bilanzen des zweiten Quartals herein. Hier wird ein Einblick in die Entwicklung des Einzelhandels gegeben. Etliche Einzelhandelsketten stellen ihre Ergebnisse vor, darunter Toys'R'Us , Saks , Staples , Barnes & Noble , Lowe's Companies , Home Depot und möglicherweise der in einem Insolvenzverfahren steckende Discounter K-Mart .
Am Bondmarkt spielt die Frage der angemessenen Bewertung eine immer wichtigere Rolle. Die Renditen der Staatsanleihen beiderseits des Atlantiks haben sich zwar gegen Ende letzter Woche kräftig erhöht, doch noch immer sprechen Experten von einer massiven Überbewertung der Bonds.
Die Investmentbank Lehman Brothers hat berechnet, dass US-Staatsanleihen im Vergleich zu Aktien so teuer sind, wie seit 20 Jahren nicht mehr. Auch andere technische Indikatoren deuteten darauf hin, dass eine baldige scharfe Kurskorrektur der Bonds zu erwarten ist.
Bondanteil aufstocken
Die Experten der WestLB raten hingegen noch, den Bondanteil einer Anlage zu erhöhen, obwohl gleichzeitig die Übergewichtung der Aktien aufrecht erhalten werden soll. Zwar hätten sich die Einflussfaktoren auf die Aktienmärkte deutlich verbessert, insbesondere durch die Vertrauen schaffenden Maßnahmen der US-Börsenaufsicht SEC und das neue Kapitalmarktrecht in Amerika. Doch die Perspektiven für die Staatsanleihen seien ebenfalls sehr gut, insbesondere durch die moderate globale Inflationsentwicklung und die offensichtliche Bereitschaft der US-Notenbank Federal Reserve, notfalls noch einmal die Leitzinsen zu senken.Am Devisenmarkt zeigen sich die Akteure nach wie vor erstaunt über die Entwicklung des Yen. Obwohl nahezu Einigkeit herrscht, dass mittelfristig mit einer deutlich Abschwächung der japanischen Währung zu rechnen ist, verbilligte sich ein Dollar in der vergangenen Woche von knapp über 120 Yen auf 117,72 Yen am späten Freitag. Auch Spekulationen über einen erneuten Markteingriff der japanischen Notenbank stoppten den Anstieg nicht.
Für den Euro rechnen Experten vorerst mit einer Seitwärtsbewegung, bevor die Dollar-Parität wieder ins Visier genommen wird.