Liebe Leserinnen und Leser,
"EZB" PENNT WEITER, KONJUNKTURAUSSICHTEN IN DE KATASTROPHAL Nachdem der EZB-Ratspraesident Duisenberg die Zinsen fuer Euro-
land am Donnerstag wie von uns befuerchtet erneut nicht senkte,
gab der DAX deutlich nach. Waehrend die US-Notenbank nun einen
Leitzinssatz von 1,25% hergestellt hat, liegen wir in Europa mit
3,25% volle 200 Basispunkte darueber. Aktienservice-Leser kennen
unsere Meinung, weder sind wir von der Kompetenz Duisenbergs ue-
berzeugt, noch halten wir die Statuten der EZB fuer anforderungs-
gerecht.
Die EZB hat bislang nur durch eines geglaenzt - naemlich durch
Passivitaet. Duisenberg sagte gestern, dass die Notenbank die
konjunkturelle Entwicklung in Europa sehr genau beobachtet. Das
ist sehr schoen, aber keineswegs beruhigend, denn wir brauchen
keine Notenbank, die beobachtet, wir benoetigen gerade in diesen
harten Zeiten eine Notenbank die HANDELT.
Natuerlich kann die ignorante Haltung der EZB auch diesesmal ent-
schuldigt werden. So kann in den Raum geworfen werden, dass sich
die EZB nicht dem Druck aus den USA beugen wollte, welche am Vor-
tag die Leitzinsen um 50 Basispunkte gesenkt hatte.
Auch kann entgegnet werden, dass sich die Politik in letzter Zeit
sehr fordernd an die EZB richtete, diesem Druck will eine Noten-
bank naturgemaess nicht nachgeben. Ueber allem thronen die un-
gluecklich gestalteten Statuten der EZB, welche lediglich auf die
Erhaltung der Preisstabilitaet ausgerichtet sind. Hinter diesen
Statuten versteckt sich Duisenberg nur allzu gern, kann er damit
doch seine Unterlassungsschuld rechtfertigen.
Auch kann argumentiert werden, dass die Notenbank den aufgeweich-
ten Stabilitaetspakt und die mangelnde Faehigkeit Europas groess-
ter Volkswirtschaft, die so dringend benoetigten Strukturreformen
anzugehen, nicht durch eine expansive Geldpolitik belohnen kann.
Die juengste Nicht-Zinssenkung kann also als disziplinarische
Massnahme verstanden werden.
Diese Gruende fuehren jedoch an den wahren Problemen voellig vor-
bei. Die Situation ist zu ernst, um Zinssenkungen an psychologi-
schen Praeferenzen der EZB scheitern zu lassen.
Die EZB sollte sich ungeachtet des juengst ueberraschend stark
hereingekommenen Geldmengenwachstums Gedanken ueber die Deflation
machen, Inflation ist kein Thema mehr. Wenn es denn zutrifft,
dass die EZB sich nur nach der Preisstabilitaet richtet, haette
sie die Zinsen letztes Jahr, als wir zeitweise knapp 1% ueber dem
Inflationskorridor von 2% lagen, sogar anheben koennen. Dies hat
sie nicht getan. Auch die gestrige Aeusserung von Duisenberg, die
Konjunktur sehr genau beobachten zu wollen, passt nicht in dieses
Bild.
Ein weiteres Problem, das Duisenberg durch seine unglaubliche
Passivitaet heraufbeschwoert, ist der starke Aussenwert des Euro.
Denn wenn die US-Notenbank eine Zinssenkung nach der anderen
durchfuehrt, die Zinsen in Euroland im Vergleich zur Konjunktur
jedoch unverantwortbar hoch bleiben, resultiert dies zwangslaeu-
fig in einem schwachen Dollar und in einem starken Euro, was wie-
derum die Konjunktur unterminiert, da die europaeischen und ganz
speziell die deutsche Volkswirtschaft extrem exportorientiert
ist.
Die preisliche Wettbewerbsfaehigkeit deutscher Produkte im Aus-
land nimmt also deutlich ab, waehrend die Politik nicht in der
Lage ist, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die
Binnennachfrage zu stimulieren. Dass die deutsche Wirtschaft auf-
grund der schwachen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingung und der
mangelnden Wirtschaftskompetenz der Legislative sehr fragil ist
und mit Volldampf auf die Rezession zusteuert war bereits seit
langem absehbar, nun ist jedoch davon auszugehen, dass sie ueber-
raschend stark in die Rezession hinabgleitet.
Bei allem Unmut ueber die Inkompetenz der Notenbank und der Poli-
tik muss jedoch fairerweise beruecksichtigt werden, dass es die
USA bei der Ergreifung von konjunkturstimulierenden Massnahmen
wesentlich leichter hat. Schwaechelt die Konjunktur, werden die
Staatsinvestitionen hochgefahren, die Steuern werden gesenkt.
Dass dies eine Neuverschuldung von 4 oder gar 5% nach sich zieht,
interessiert hier nicht, denn in positiven Konjunkturphasen wird
gespart.
Hier geschieht genau das Gegenteil - die Investitionen werden zu-
rueckgefahren, die Steuern dagegen erhoeht, ein wirklich unglaub-
licher Vorgang. Zudem gibt es in Euroland den Stabilitaetspakt,
der fiskale Disziplin erfordert. Dies ist insgesamt zwar wuen-
schenswert, der Stabilitaetspakt wurde jedoch nicht fuer derart
rezessive Wirtschaftsphasen konstruiert. Nun zwingt er die Mit-
gliedsstaaten dazu, die Konjunktur kaputtzusparen. Vor diesem
Hintergrund ist leicht verstaendlich, weshalb der Stabilitaets-
pakt, der ja nicht fuer derartige Ausnahmesituationen konzipiert
wurde, stets mehr aufweicht.
Dieses Zwangskostuem, an das sich bald ohnehin niemand mehr hal-
ten wird koennen, darf von der Politik jedoch nicht als Alibi-
funktion missbraucht werden. Denn an der Notwendigkeit, die
staatliche Ausgabepolitik weniger Transferzahlungs- und mehr in-
vestitionsorientiert zu gestalten, und damit die Binnennachfrage
zu stimulieren aendert sich nichts.
Dies ist der richtige Weg, das Missverhaeltnis zwischen staatli-
chen Ausgaben und Einnahmen (Steuern) zu adjustieren. Bereits
Anfang 2001 schrieben wir, dass alles, was der Staat jetzt an
Investitionen einspart, er nachher durch dramatisch sinkende
Steuereinnahmen und hoehere Ausgaben fuer beispielsweise Ar-
beitslosenunterstuetzung etc. doppelt und dreifach draufzahlen
muss.
Zum Jahreswechsel schrieben wir, dass wir in 2002 fuer die deut-
sche Wirtschaft hoechstens ein Wachstum von 0,4% erwarten. Zu
dieser Zeit prognostizierten Wirtschaftsinstitute und Finanzmi-
nister noch ein Wachstum von ueber 2%! Man muss wahrlich kein
Hellseher sein, um zu begreifen, dass diese Politik Deutschland
in den Abgrund treibt. Jetzt scheint es sogar, als ob selbst un-
sere 0,4%-Prognose immer noch zu optimistisch ist.
Dies soll keine Partei-Schelte darstellen, auch unter Kohl in
1998 war Deutschland am Wirtschaftswachstum gemessen Schluss-
licht der EU-Staaten. Es ist einfach unglaublich schade, dass
Deutschland seiner verantwortungsvollen Rolle als die mit Ab-
stand groesste Volkswirtschaft Europas nicht gerecht wird, vor
allem weil Deutschland so weit unter seinen Moeglichkeiten
bleibt.
Wir zeichnen hier also weiterhin ein sehr schwarzes Bild fuer
die deutsche Wirtschaft, dies soll jedoch nicht bedeuten, dass
der DAX nochmals 50% verliert. Viele der wirtschaftlichen und
geopolitischen Risiken sind auf dem aktuellen Kursniveau der
BlueChips bereits eingepreist.
MARKTSENTIMENT & KURZ-/MITTELFRISTIGER AUSBLICK
Kurzfristig, also bis Jahresende, beurteilen wir die Lage an
den Aktienmaerkten nicht negativ, denn kurzfristig hat ver-
kauft, der verkaufen wollte oder musste, insbesondere die In-
stitutionellen wie die Versicherungen. Der kurzfristig groess-
te Verkaufsdruck ist also aus dem Markt.
Das erste Erholungsmomentum ist nun jedoch abgeschoepft. Zu den
juengsten Kursanstiegen fuehrte nicht das wieder erstarkte Ver-
trauen in die Wirtschaft, sondern das Nachlassen der kurzfris-
tigen Kriegsangst und das extrem niedrige Renditeniveau an den
Rentenmaerkten.
Dies fuehrte zu einem Asset-Swap, hierbei schichteten Anleger
auf dem schwachen Rendite-Niveau von Anleihen in die langfris-
tig erfahrungsgemaess attraktiveren Aktien um. Mittel-/lang-
fristig sehen wir jedoch konjunkturell weiter erhebliche Risi-
ken:
KONJUNKTUR & LANGFRISTIGER AUSBLICK
In 2003 sehen wir makrooekonomisch bedingt weiteres Risikopo-
tenzial, da die Gewinnentwicklung der Unternehmen schlecht ist,
wir eine niedrige Inflation haben und sogar deflationaere Ten-
denzen, ferner beunruhigt insbesondere der historisch hohe Ver-
schuldungsgrad von Unternehmen und Verbrauchern.
Letzter Punkt ist ein massgebliches Kriterium zur Abschaetzung
des Zeitpunkts von konjunkturellen Turnarounds, da mit das wich-
tigste Merkmal von bereinigenden Rezessionen in der Schlussphase
die verringerte Verschuldung von Unternehmen und Verbrauchern
ist. Aktuell ist genau das Gegenteil der Fall, was dafuer
spricht, dass wir zumindest fuer die naechsten 1-2 Jahre noch
keine massgebliche Konjunkturerholung sehen werden.
Fuer 2003 sehen wir die Maerkte unter fundamentalen Gesichtspunk-
ten also skeptisch, da die eben aufgefuehrten makrooekonomischen
Verhaeltnisse doch sehr stark der 1929er Krise aehneln, obwohl
diese natuerlich nicht per se mit der heutigen verglichen werden
kann. Die Goldpreisbindung besteht heute nicht mehr und die No-
tenbanken sind erheblich flexibler geworden.
Aber auch im Rahmen der 1929er-Krise gab es schnelle Erholungs-
phasen von bis zu 35%, da Marktteilnehmer periodisch vorschnell
auf einen Boden von Markt und Konjunktur hofften. Diese Phase se-
hen wir derzeit auch an den heutigen Maerkten. Hierbei kann es
durchaus mal 40% nach oben gehen. Dies aendert jedoch nichts am
langfristigen Abwaertstrend.
Als sehr problematisch sehen wir vor allem die konjunkturelle
Entwicklung in den USA, denn die FED hat ihr Pulver komplett ver-
schossen. Das Hauptproblem ist folgendes: Lange Jahre konnte die
FED die Konjunktur steuern, indem sie die Zinsen stets soweit
senkte, um Konsum und Unternehmensinvestitionen durch verbilligte
Kreditausgaben zu stimulieren.
Nun jedoch steigt die Sparquote in den USA ungeachtet des niedri-
gen Zinsniveaus, da die Menschen langfristig um ihren Arbeits-
platz fuerchten muessen - das ist sehr, sehr gefaehrlich fuer die
Konjunktur. Zieht die Konjunktur nun nicht langsam wieder an, hat
die FED ein Riesenproblem, denn Sie hat keine Reserve mehr, den
Privatkonsum, der immerhin zwei Drittel des US-BIP ausmacht, zu
subventionieren.
Parallel dazu ist die Verschuldung der Privathaushalte jedoch
deutlich angestiegen, US-Buerger muessen inzwischen weit mehr als
10% ihres Haushaltseinkommens zur Schuldentilgung verwenden, auch
vor diesem Hintergrund ist fraglich, wo eine Wirtschaftserholung
kurz- und mittelfristig herkommen soll.
Aber auch bei den Unternehmensinvestitionen ist noch kein Hoff-
nungsschimmer in Sicht, denn die niedrigen Zinsen verpuffen zum
einen teilweise durch die zunehmend restriktive Kreditvergabe der
Banken, die sich selbst genuegend Problemen ausgesetzt sehen,
ferner verteuert sich derzeit fuer die meisten Unternehmen die
Refinanzierung ganz erheblich, da die Bonitaetsratings fuer die
meist hochverschuldeten Unternehmen sinken, von den Schieflagen
der Pensionsfonds, die im S&P in 2003 mindestens 6% der Unterneh-
mensgewinne auffressen werden, ganz zu schweigen.
Das naechste Problem, das sich ankuendigt, ist die Deflation (das
Gegenteil von Inflation). Wenn die Leitzinsen auf dem niedrigsten
Niveau seit mehr als 40 Jahren notieren und kaum Wirtschafts-
wachstum zu verzeichnen ist, rueckt das Japan-Syndrom bedenk-
lich nahe. Deflation ist toedlich fuer die Konjunktur, denn Kon-
sum- und Investitionsausgaben werden aufgeschoben, da "in Zukunft
alles billiger wird".
Auch die demografischen Parameter, wie der langsame Eintritt der
Baby-Boomer-Generation in die Sparphase (in Richtung Rentenalter)
und der auslaufende Technologiezyklus (Wandel des Erstbeschaf-
fungsmarktes im Bereich PC & Telecom in einen Ersatzwettbewerb)
lassen fuer die naechsten Jahre keinen neuen Wirtschaftsboom er-
warten.
Wir halten es durchaus fuer wahrscheinlich, dass wir im DAX bei
2.500 Punkten kuerzlich den Boden gesehen haben. In makroenomi-
scher Hinsicht sehen wir jedoch genauso wenig Anlass zur Eupho-
rie, so dass wir die Aktienmaerkte in den naechsten 3-5 Jahren
in einer definierten Tardingrange erwarten. Diese kann zwar von
hoher Volatilitaet gekennzeichten sein, wir glauben aber nicht,
dass die Core-Indizes in den naechsten Jahren anualisierte Ver-
aenderungen von mehr als 10-12% aufweisen werden. Anleger soll-
ten sich also endgueltig von der ohnehin voellig falsch verstan-
denen Hold-and-Buy-Strategie verabschieden und staeker handels-
orientiert agieren.
IN EIGENER SACHE: Unserer Meinung nach befinden wir uns in den
naechsten Jahren in einem ausgepraegten Trading-Markt. Aktien
muessen also GEHANDELT werden und nicht gehalten. Die Buy-and-
Hold-Strategie wird sich auch in den kommenden 2-4 Jahren als
verlustbringend erweisen. Grundsaetzlich ist in Tradingmaerkten
die Charttechnik extrem wichtig. Wir verweisen in diesem Zusam-
menhang auf unseren neuen Boersenbrief ( www.dercharttrader.de ),
von dem wir glauben, dass er Anlegern helfen wird, die Herausfor-
derungen des Marktes in den naechsten Jahren erfolgreich zu meis-
tern.
Herzlichst,
Ihre Aktienservice.de-Redaktion