Bilanzierung: Unter Kontrolle

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Bilanzierung: Unter Kontrolle EinsamerSamariter

Bilanzierung: Unter Kontrolle

 
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Bilanzierung

Unter Kontrolle

In diesem Jahr müssen alle 18 an US-Börsen notierten deutschen Unternehmen erstmals die scharfen Regeln des Sarbanes-Oxley Acts umsetzen. Der Aufwand ist zwar höher als erwartet, doch die höhere Transparenz hat zahlreiche Vorteile.

DÜSSELDORF. Was verbindet den zusammengebrochenen Energiehändler Enron und den frühere Telekomkonzern Worldcom mit den an der Wall Street notierten deutschen Unternehmen? Wohl nur eines: Ohne die Bilanzskandale der beiden US-Firmen hätten letztere im vorigen Jahr deutlich weniger Arbeit mit dem Ausbau ihrer internen Kontrollsysteme gehabt.

Denn in diesem Jahr müssen alle 18 an US-Börsen notierten deutschen Unternehmen erstmals die scharfen Regeln des Sarbanes-Oxley Acts (Sox) umsetzen – diese Regeln sind für die nach dem 15. Juli endenden Geschäftsjahre verpflichtend. Die US-Regierung hat die Vorschriften als Reaktion auf die Bilanzfälschungen bei Enron und Worldcom aufgestellt: Sie verlangen von allen börsennotierten Firmen in den USA unter anderem eine Verschärfung der internen Kontrollen. Auch für die deutschen Tochterfirmen von US-Konzernen gelten diese Regeln – davon sind mehr als 300 Unternehmen betroffen.

Was genau ist der Sarbanes-Oxley-Act? Lesen Sie es im neuen Handelsblatt-Wirtschaftswiki nach - und wenn Ihnen die Erklärung nicht ausreicht, ergänzen und verbessern Sie sie:

Zum Jahresende 2005 haben die Konzerne Sox-Probedurchläufe zusammen mit Beratern umgesetzt. Vorläufiges Fazit: „Der Aufwand hat sich eher noch größer erwiesen als zunächst von den Unternehmen angenommen“, sagt Jörg Tüllner, Sox-Experte der Beratungssparte von Pricewaterhouse Coopers. „Doch entdecken viele Firmen durch die nun höhere Transparenz erstmals auch Vorteile neben der Erfüllung der Sox-Anforderungen, etwa zur Verbesserung operativer Prozesse.“

Aufwand bringt vor allem die Sektion 404 des Gesetzes. Sie fordert von den Firmen alljährlich Dokumentation und Tests ihrer Systeme, mit denen sie ihre Finanzberichterstattung kontrollieren. Damit sollen Bilanztricks verhindert und Transparenz und Sicherheit für Investoren erhöht werden. Die Regel betrifft Manager aus den verschiedensten Geschäftsbereichen. Sie müssen die vorhandene Überwachung von Geschäftsprozessen etwa im Einkauf oder Vertrieb in ihrem Verantwortungsbereich künftig intensiv unter die Lupe nehmen und mögliche Risiken für Buchungsfehler herausfiltern. Sie müssen nach einem strikt standardisierten Verfahren darlegen, wie und warum ihre Kontrollen funktionieren und wie sie Risiken vermeiden. Zudem muss im Konzern per Stichprobe geprüft werden, ob diese Kontrollen von den Managern wirklich gemacht werden.

Beides führt zur einer enormen Menge an Dokumenten wie Screenshots, Mails oder Abrechnungsformulare, denn der Kontrollprozess muss für Dritte nachprüfbar sein. Vorstandschef und Finanzvorstand stehen dafür gerade, dass die Kontrolle nach Sox funktioniert. Strafen für Fehlverhalten sind drastisch: Bis zum 20 Jahre Haft sieht das US-Gesetz vor.

Das Management der Datenflut ist nicht einmal das Hauptproblem. „Die größte Herausforderung ist es, bei den betroffenen Mitarbeitern das Verständnis für ihre neue Prüfungsaufgabe zu schärfen“, sagt Manfred Vehreschild, der beim Chemiekonzern Bayer das Rechnungswesen der Konzerngesellschaften leitet. Bei Bayer sind 100 Tochtergesellschaften von Sox betroffen, rund 2 500 Geschäftsprozesse wurden ermittelt, 2 000 Manager müssen künftig zusätzlich zum bisherigen Job Kontrollaufgaben übernehmen.

Das Training betroffener Manager ist auch bei Schering die wichtigste Aufgabe – denn sie müssen künftig Wirtschaftsprüfer-Know-how haben. „Die Hauptaufgabe bestand im Transfer von Wissen und der konsequenten Anpassung der Prozesse“, sagt Hubertus Erlen, Vorstandsvorsitzender der Schering. Der Berliner Konzern hat 2003 mit den Sox-Vorbereitungen begonnen und die Regeln fürs Geschäftsjahr 2004 umgesetzt.

Die Kosten durch Sox sind hoch: Für die Umsetzung rechnet Bayer regelmäßig mit einer jährlichen Belastung im niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Neben dem Aufwand für Trainings kommen auf die Firmen höhere Ausgaben für Wirtschaftsprüfer zu, die die Sox-Umsetzung überwachen: Bei Schering stiegen im Jahr 2004 diese Zahlungen um 63 Prozent auf insgesamt 5,7 Mill. Euro. Zudem kauften fast alle Konzerne neue Software, um mit der Flut neuer Dokumente klarzukommen.

Entsprechend bewerten die Unternehmen die neuen Richtlinien mit gemischten Gefühlen. In einer Befragung durch Wissenschaftler der WHU in Koblenz im Sommer 2005 äußerten 80 Prozent der betroffenen deutschen Firmen, dass sie die nach deutschem Gesetz vorgeschriebene Kontrolle für ausreichend halten – Sox ist aus ihrer Sicht also unnötiger Mehraufwand.

Mit öffentlicher Kritik jedoch hält man sich zurück: „Sicher führt die Umsetzung der Regelungen zu spürbaren Mehrbelastungen“, sagt Schering-Chef Erlen. „Da in unserem Unternehmen aber ein hoher Standard von Corporate Governance etabliert war, haben wir die Vorschriften schnell und problemlos umsetzen können.“ Auch Bayer unterstreicht, dass man „Anstrengungen zur Steigerung der Transparenz und der Kontrollen unterstützt“. Es schwingen auch kritische Untertöne mit. „Wir wollten ohnehin einige Prozesse in unseren Gesellschaften verbessern. Das wäre uns sicher aber auch ohne Sarbanes-Oxley auf einem anderen Weg gelungen“, sagt Bayer-Manager Vehreschild.

Klare Vorteile durch die neuen Sox-Vorschriften sieht der Pumpenhersteller Pfeiffer Vacuum: „Wir betrachten Sox als Chance, unsere Kontrolle weiter zu verbessern“, sagt Nathalie Benedikt, die bei Pfeiffer das Controlling leitet. Auch Berater geben sich überzeugt, dass die neuen Vorschriften nicht nur zum Nachteil sind: „Die kurzfristig hohe Belastung wird durch langfristigen Nutzen wieder wettgemacht“, erwartet Klaus-Michael Thelemann, Sox-Experte bei Ernst & Young in Deutschland.

Grund: Die Finanzberichterstattung werde weiter standardisiert, dadurch würden Prozesse in den weltweiten Standorten vergleichbar. Dies wiederum sei eine gute Grundlage, um diese Prozesse konzernweit zu verbessern. Ein Vorteil, den nach Beobachtung von PWC-Berater Tüllner die betroffenen Firmen zunehmend erkennen. Tüllner: „Diese Vergleichbarkeit war vorher nicht derart umfassend gegeben.“

Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 18. Januar 2006, 17:02 Uhr

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