BILANZ-TUNING GANZ LEGAL

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Guido:

BILANZ-TUNING GANZ LEGAL

 
28.08.02 14:26
B I L A N Z - T U N I N G
Täuschen, tarnen, tricksen ? ganz legal

Die Pleite des amerikanischen Energieriesen Enron hat die Börsen schockiert. Haben doch die gewieften Finanz-Bosse offenbar die Bilanzen des Energieriesen jahrelang frisiert. Schulden wurden bei Tochterfirmen geparkt, Umsatz und Gewinn schienen zu explodieren, der Aktienkurs kletterte in schwindelnde Höhen.

Schlupflöcher:
Angeschmierten sind die Aktionäre. Über Jahre hinweg wurde ihnen das Bild eines prosperierenden Unternehmens vorgegaukelt ? nun ist die Blase geplatzt. Der Aktienkurs fiel innerhalb weniger Wochen von 85 Dollar auf 68 Cent.

Das eigentlich Schockierende an der Affäre: Mit ihren raffinierten Bilanztricks bewegten sich die Enron-Trickser auf legalem Terrain. Denn nach amerikanischen Bilanzierungsvorschriften ist der Kunstgriff mit den Töchterfirmen erlaubt.

FOCUS Online gibt einen Überblick über die cleversten Tricks und erklärt die wichtigsten Unterschiede der drei großen Bilanzierungsmethoden mit Beispielen. Plus: alternative Entscheidungshilfen für verunsicherte Aktionäre.

Schlupflöcher
Legale Tricks ? Beispiele aus der Praxis

Wohlgemerkt: Es geschieht meist in legalem Rahmen, wenn ein Unternehmen seine Geschäftszahlen aufmöbelt. Denn die verschiedenen Richtlinien lassen Spielräume zu und das aus gutem Grund: Nicht immer sind Firmenwerte genau zu ermitteln. Wer kann beispielsweise exakt abschätzen, wie viel ein Markenname oder das Know-how eines Software-Spezialisten wert ist? Problematisch wird es dann, wenn die Unternehmen den Bogen überspannen und die Spielräume ausnutzen, um Managementfehler zu verstecken. Umsätze und Gewinne sehen attraktiver aus, als es der tatsächlichen Situation entspricht, Anleger und Investoren werden in die Irre geführt.

Bilanzielle Gestaltungsmöglichkeiten gibt es unzählige. Beliebt sind vor allem diese Klassiker:

1) EM.TV verbuchte im März 2000 gekaufte Rechte an der Muppets-Show und der Sesamstraße mit einem Umsatzanteil von gut 16 Millionen Euro und stellte sie mit einem Ergebnisbeitrag von 3,22 Millionen in die Halbjahresbilanz 2000.
Zu früh verbucht, kritisierte später die Staatsanwaltschaft, denn: Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Halbjahreszahlen stand bereits fest, dass die Neuerwerbung in den drei Monaten seit dem Kauf statt der ausgewiesenen knapp 44,5 Millionen Euro Umsatz nicht einmal 29 Millionen Euro erwirtschaftet und dafür knapp zehn Millionen Verlust gemacht hatte.
Die kreativen Haffa-Brüder hatten geplante Produktionen einfach mit einkalkuliert.

2)Enron
Der gestrauchelte Energieriese Enron hat mit so genannten Special Purpose Entities (SPE) einen Kniff genutzt, mit dem unschöne Verpflichtungen aus der Bilanz des Mutterkonzerns herausgehalten werden können.
Gibt es nämlich einen fremden Kapitalgeber, der mindestens drei Prozent der Bilanzsumme einer Tochtergesellschaft hält, dürfen nach US-GAAP-Regeln Konzernschulden dort verbucht werden.
Mit diesem Trick wälzte Enron einen Großteil seiner Verbindlichkeiten und Risiken auf eigens gegründete Partnerunternehmen ab. Die Konzernbilanz wies so einen geschönten Schuldenstatus aus. Der Stromriese erhielt über Jahre hinaus bei seinen Banken ein besseres Kreditrating und günstigere Konditionen für geborgtes Kapital.

3) Leasing
Eine Neuinvestition aus eigener Tasche zu bezahlen ? gerade neu gegründeten, stark wachsenden Unternehmen fehlt oft das nötige Kleingeld dazu. Steht es außerdem mit der Bonität nicht zum Besten, stellt sich die Bank bei einem Kredit schon mal quer.
Um dennoch zum Objekt der Begierde zu kommen, weichen viele Firmen auf Leasing aus. Vorteil: Obwohl der Leasingnehmer die Sache uneingeschränkt nutzen darf, belastet die Anschaffung die Bücher nicht. Rechtlich und wirtschaftlich gesehen gilt nämlich der Leasinggeber als Eigentümer und muss bilanzieren.
Weitere Pluspunkte: Cash und Kreditlinie bleiben unangetastet, das Investitionsrisiko liegt beim Leasingpartner.
Jede Menge Vorteile also kein Wunder, dass diese Finanzierungsmethode bei allen Unternehmen ausgesprochen beliebt ist!


4) Goodwill
Bisher riss eine Firmenübernahme oft ein tiefes Loch in die Bilanz. In Zeiten des Börsenbooms musste für den Übernahmekandidat mehr hingeblättert werden, als er nach seinem Buchwert (Immobilien plus Maschinen) wert war. Der Grund: immaterielle Vermögenswerte wie Lizenzen und Entwicklungen, genannt Goodwill.
Hatte ein Manager das Potenzial eines Neukaufs aber falsch eingeschätzt und der erwartete Gewinn-Effekt blieb in der Bilanz aus, musste nach bisherigen US-Regeln die Investition abgeschrieben (in ihrem Wert berichtigt) werden ? mit unangenehmen Auswirkungen auf das Geschäftsergebnis.
Zum Beispiel Nortel Networks
Künftig können Finanzchefs solche Fehlinvestitionen verstecken: In Zukunft muss die Abschreibung nämlich nur noch vorgenommen werden, wenn der Wirtschaftsprüfer den in den Büchern angesetzten Wert als zu hoch empfindet. Können beredte Controller ihren Prüfer davon überzeugen, dass der angesetzte Wert gerechtfertigt ist, darf auf die Abschreibung verzichtet werden.
Die Folge: Firmenakquisitionen, die sich im Nachhinein als Windei erweisen, können so leichter vertuscht werden. Ertrags- und Vermögenslage des Unternehmens wird dann in der Bilanz wesentlich rosiger dargestellt, als es in Wirklichkeit der Fall ist.


5. Kreative Unternehmen
Bilanzkosmetik in der Praxis

Anlageentscheidungen hängen letztendlich davon ab, wie das Unternehmen wirtschaftlich dasteht. Geben doch Umsatz- und Gewinnentwicklung Aufschluss über die weitere Entwicklung der AG. Sind Anleger und Analysten von einem schlechten Geschäftsergebnis enttäuscht, kann der Aktienkurs schon mal heftig ins Trudeln kommen.

Da ist die Versuchung groß, mit etwas Bilanzkosmetik den einen oder anderen Managementfehler zu retouchieren, in der Hoffnung, dass sich der Malus im folgenden Geschäftsjahr wieder ausgleicht und buchstäblich in Wohlgefallen auflöst.

Wie viele Unterschiede es zwischen den Bilanzierungsrichtlinien diesseits und jenseits des Atlantik auch geben mag eines haben sie gemeinsam: Die Kreativität, mit der Finanzchefs und Controller die Regeln interpretieren.

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Coca-Cola
Schulden wurden auf Abfüll-Unternehmen verschoben, an denen der Brause-Produzent Anteile hält. Konsolidiert wurden die Beteiligungen in der Konzernbilanz nicht.

IBM
Der Computerhersteller soll den Verkauf seiner Optik-Sparte nicht ordentlich ausgewiesen zu haben. In den Quartalsergebnissen hatte IBM den Deal weder als außerordentlichen Erlös verbucht, noch war bekannt gegeben worden, dass dem Unternehmen durch die Veräußerung 300 Millionen Dollar zugeflossen waren. Das Geld wurde in der Bilanz mit den operativen Kosten verrechnet.

AOL-Time-Warner
Umsätze, die aus internen Geschäftsabläufen einzelner Bereiche entstehen, rechnet der Medienriese nicht heraus

Tyco
Der US-Mischkonzern tätigte in einem Zeitraum von drei Jahren 700 Akquisitionen mit einem Gesamtwert von 8 Milliarden Dollar, ohne dies bekannt zu geben.
Nach US-Bilanzierungsregeln muss eine Firmenübernahme nicht in die Bilanz aufgenommen werden, wenn sie für das Unternehmen nicht wichtig (?non material?) ist. Tyco interpretierte Beteiligungen mit einer Bilanzsumme bis 20 Millionen Dollar als nicht unternehmenswichtig.

Bank-of-America
Verbindlichkeiten in Höhe von 228 Milliarden US-Dollar tauchten in der Jahresbilanz 2001 lediglich in einer Fußnote auf.

Xerox
Jahrelang behandelte der Kopiergeräte-Hersteller Xerox Einkünfe aus verleasten Kopierern wie bereits verkaufte Geräte. Mit dieser vorschnellen Buchungsmethode wurden Umsätze zeitlich früher ausgewiesen als sie in Wirklichkeit angefallen waren. Das tatsächliche Umsatzaufkommen wurde so in der Bilanz verzerrt dargestellt.
Das fand auch die amerikanische Börsenaufsicht SEC: Im Frühjahr 2002 bekam Xerox eine Geldstrafe von zehn Millionen Dollar (elf Millionen Euro) aufgebrummt. Außerdem muss das Unternehmen seine Geschäfts-Ergebnisse für die Jahre 1997 bis 2000 neu ermitteln und ein Gremium zur Kontrolle seiner Buchführungsmethoden einrichten.

Computer-Associates
Das Software-Unternehmen weist seit Oktober 2000 in seinen Finanzberichten nach einem Pro-forma-Verfahren aus, das nicht den US-GAAP-Standards entspricht. Gewinne und Umsätze erscheinen dadurch deutlich höher, weil Sonderposten wie Restrukturierungsmaßnahmen oder Kosten für Mitarbeiterprogramme außen vor bleiben.


Tipps für Aktionäre
Darauf müssen Sie achten
Die Enron-Affäre hat professionelle und private Anleger gleichermaßen verunsichert. Welcher Bilanz kann man noch trauen? Welche Aussagekraft haben Geschäftsergebnis und Bilanzkennzahlen denn überhaupt noch? Die verschiedenen Methoden der Rechnungslegung (US-GAAP, IAS und HGB) sorgen für zusätzliche Verwirrung.
Tröstlich: Nicht alle AGs bilanzieren unseriös. Gute Titel gibt es nach wie vor. Aber genau wie beim Gebrauchtwagenkauf gilt: Der Blick unter die Motorhaube ist ein Muss um etwas Aktien- und Bilanzanalyse kommt man als auch als Kleinaktionär nicht herum. Hier ein paar Faustregeln:

Nachrichtenlage beobachten: Unternehmen, denen es nicht besonders gut geht, versuchen manchmal mit häufigen Ad-hoc-Meldungen gute Stimmung zu machen. Solche Titel sollte man besonders kritisch unter die Lupe nehmen, bevor man sie überhaupt kauft.
Methodenwechsel: Wie gesagt jeder Bilanzierungsstandard hat seine Bewertungsspielräume zu Recht. Spannend wird's, wenn ein Unternehmen die Methode wechselt. Da können Gewinn und Umsatz förmlich explodieren, ohne dass sich die wirtschaftliche Situation wesentlich verbessert hätte. Also: nicht blenden lassen genau hingucken!
Achtung, Übernahme: Wer den Firmenwert des Neukaufs zu teuer bezahlt hat, muss manchmal enorme Abschreibungen machen das drückt die Gewinne und enttäuscht die Anleger: Kursrückgänge möglich!
Mond-Zahlen: Pro-forma-Ergebnisse sind vorab veröffentlichte, ungeprüfte Geschäftszahlen. Die kann man getrost selbst ungeprüft lassen: Diese Phantasie-Resultate haben meist wenig mit der Realität zu tun. Warten Sie lieber die Bekanntgabe des eigentlichen Ergebnisses ab.
Basics: Es hilft nichts wer sein Geld in Aktien investiert, sollte schon ein bisschen Bescheid wissen. Ein Auto kauft man ja auch nicht bloß, weil's der Nachbar gut findet. Lesen Sie hier das Wichtigste über Wirtschaftsdaten und Chartanalyse.
Stockpicking: Trennen Sie die Spreu vom Weizen mit der richtigen Strategie finden Sie die Rosinen an der Börse.
Guido:

up o.T.

 
29.08.02 07:57
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