UM SPARER und Anleger vor Risiken des Kreditgeschäfts der Banken zu verschonen und die Stabilität des Finanzsystems zu sichern, müssen Banken bereits seit 1988 bei jedem ausgereichten Unternehmenskredit stets acht Prozent des Kreditvolumens als Eigenkapital vorhalten. Da die Bonität des Kunden dabei bisher keine Rolle spielte, traf diese Regelung alle Betriebe gleichermaßen. Das soll sich nun ändern: Die Eigenmittelunterlegung wird künftig vom Rating des Kunden abhängig gemacht - also von der Bewertung des Betriebes durch den Kreditgeber. Und dafür gilt: Jeder besser das Rating ausfällt, desto geringer sind die künftige Eigenmittelanforderung der Bankenaufsicht und die Kosten für das geliehene Geld.
Da in die Zinsmargen die Eigenkapitalkosten der Banken einkalkuliert werden, muss am Ende der Kunde sein eventuell ungünstiges Rating also teuer bezahlen: Zwischen der besten und der schlechtesten Note liegt ein Belastungsunterschied von mindestens dem 7,5fachen, der durch Eigenkapital gedeckt sein muss.
Zwar wird bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit Sitz in Basel an den Modifikationen der bisherigen Eigenkapitalvereinbarungen noch gefeilt - etwa an der Höhe des Kredits, ab dem die neuen Bewertungskriterien angewendet werden. Doch so viele Einzelheiten des Abkommens auch noch ungeklärt sind, eines ist sicher: Basel II kommt. Offizieller Starttermin ist das Jahr 2006. Viele Kreditinstitute werden jedoch bereits im nächsten Jahr mit den Ratings beginnen. Sie wollen die Genauigkeit der eingesetzten Bewertungsverfahren prüfen, um ab 2006 mit zuverlässigen Systemen arbeiten zu können.
Ob überhaupt und zu welchen Konditionen Unternehmen Finanzspritzen erhalten, wird mit dem Rating künftig anhand eines Katalogs von quantitativen und qualitativen Kriterien beurteilt. Höchste Priorität für die Beurteilung haben dabei laut Basel II messbare Größen wie Cashflow, Rentabilitäts- und verschuldungsorientierte Kennzahlen. Auch Standortfaktoren, die Leistungsfähigkeit von Prozessen, die Organisationsstruktur sowie die Mitarbeiterführung finden als Kriterien Eingang in das Rating. In Zukunft wird ebenfalls bewertet, ob ein Unternehmen über ein funktionierendes Controlling und Risiko- Management sowie eine finanzwirtschaftliche Steuerung verfügt. Und hier können IT-Lösungen, insbesondere Controlling-, Planungs- und Steuerungssysteme, den Betrieben helfen, transparente Zahlen vorzuhalten.
Software statt Bezeichnungen
In den meisten Volks- und Raiffeisenbanken wie auch in den Sparkassen und in manchen privaten Banken kamen bisher den internen Rating-Systemen nur unterstützende Funktionen zu. Das Bonitätsurteil wurde in einer nur wenig differenzierten Note erstellt - dagegen hatte das persönliche Urteil des Kreditsachbearbeiters oder des Geschäftsstellenleiters viel Gewicht. Da solche Systeme nicht mehr dem internationalen Standard entsprechen, werden künftig schärfere Differenzierungen vorgenommen. In der Summe ist nicht mehr das Urteil des Bankdirektors, sondern die Verknüpfung einzelner Kriterien in mathematisch- statistischen Modellen für die Kreditkosten maßgebend.
In der Sparkassenorganisation wird man es künftig also einer logistischen Regressionsfunktion überlassen, über die Existenz kleiner und mittlerer Unternehmen zu entscheiden. Das von einer amerikanischen Consulting-Firma entwickelte Modell wird einheitlich auf Firmenkunden angewandt. Dieselben Consultants waren auch bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie bei vielen privaten Banken, sodass Ähnlichkeiten der verwendeten Formeln vorprogrammiert sind. Wer als Kunde beim Rating also nicht mitmacht oder durch das Raster fällt, hat wenig Hoffnung, einen Kredit von der Nachbarbank zu bekommen. Während das künftig allein maßgebende Urteil des Computers so manchen Schicksalsschlag für kleine und mittlere Unternehmen erwarten lässt, müssen sich diese darauf einstellen, die von den Kreditinstituten gewünschten Daten zu liefern. Ratings funktionieren dabei kaum anders als die Zensuren in der Schule. Wie durch die Schulnoten über die Berufschancen eines Schülers, so wird künftig - staatlich verordnet - durch Ratings über die Lebenschancen von Unternehmen entschieden.
Wer seine Daten - wie bei der Klassenarbeit - nicht pünktlich oder nur unvollständig abliefert, muss mit einem schlechten Rating rechnen. Wenig aussichtsreich wird auch die Strategie sein, auf die Lieferung der von der Bank angemahnten Daten ganz zu verzichten: Die Bank kann dann nur ein schlechtes Rating erstellen.
Obwohl die Banken ihre Kunden nicht über die zentralen Fragen des Rating- Systems aufklären werden, rollt dennoch eine Informationskampagne auf die Betriebe zu. Immerhin muss bei Hunderttausenden von Unternehmen die Bereitschaft erzeugt werden, sich der Bank mehr noch als bisher zu öffnen und ihre Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage offen zu legen. Neben Kennzahlen aus der Jahresabschlussanalyse zählen dazu harte qualitative Faktoren wie die Dauer der Kundenbeziehung, Alter/ Erfahrung der Geschäftsleitung, Ausbildung, Familienstand, Nachfolgeregelung, Rechtsform, Kundenabhängigkeiten, Existenz von Planungs- und Kontrollsystemen und Existenz eines Leiters Finanzen/Debitorenbuchhaltung.
Blick ins Innerste
Die Sparkassen zum Beispiel werden mit dem Firmenkunden einen 49 Fragen umfassenden Katalog durchgehen, der Fragen nach der Unternehmensführung, Planung und Steuerung, Markt und Produkt sowie nach der Wertschöpfungskette umfasst. Da der Firmenkundenbetreuer darauf nicht allzu viel Zeit „verschwenden“ darf, kommt es auf eine gute Vorbereitung an. Schließlich verdient der Banker - im Gegensatz zu einer Rating-Agentur - nicht mit einem exakten Rating, sondern mit dem Verkauf von Bankprodukten sein Geld. Die Kosten des Rating-Verfahrens müssen daher durch Zins- und Provisionserträge verdient werden.
Eine Reihe von Warnsignalen sollten Betriebe unbedingt kennen, denn sie sind K.-o.-Kriterien für die Kreditbewilligung: Lastschriftrückgaben, Verzögerungen bei der Begleichung von Darlehensraten, Kreditkündigungen anderer Kreditinstitute, Scheckrückgaben, Wechselproteste, Kontopfändungen, Betrugsfälle, Überziehungen, negative externe Auskünfte, körperliche und geistige Beeinträchtigungen. Übrigens wird es beim bankinternen Rating kaum noch auf Branchenunterschiede ankommen:
Im Rahmen der mathematisch-statischen Modelle haben sich insbesondere harte Fakten und Jahresabschlusskennzahlen als trennschärfer erwiesen.
Kreditkosten senkend wirken sich insbesondere eine hohe Eigenkapitalquote und eine nachhaltige Rendite aus. Bei fast allen bankinternen Rating-Modellen - so viel ist bekannt - werden gerade diese beiden Kennzahlen am höchsten gewichtet. Allerdings ist wie in kaum einem anderen Land der Welt die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen in den letzten Jahren zusammengeschmolzen.
Mehr als 40 Prozent aller Betriebe, so berichtet der Verband der Vereine Creditreform, haben nur noch eine Eigenkapitalquote von weniger als zehn Prozent. Mit mehr als 40 000 Unternehmensinsolvenzen wird die Bundesrepublik Deutschland 2002 erstmals in
Einflussfaktor Konjunktur
ihrer Geschichte Pleiten-Europameister werden. Die gestiegene Arbeitslosigkeit geht zudem mit einem Kaufkraftschwund einher, der sich in sinkenden Ratings niederschlägt. Die wirtschafts- und finanzpolitischen Rahmenbedingungen erzeugen Zusatzbelastungen, die nicht durch Korrekturen des bankenaufsichtsrechtlichen Regelwerks aufgefangen werden können.
Schließlich werden an das Rating nicht nur die Eigenmittelunterlegung, sondern auch die Zinsund Konditionengestaltung, die Sicherheitenbestellung und die Kreditlimitierung geknüpft. Außerdem befindet sich eine Vielzahl von bankinternen Organisationsrichtlinien in der Umsetzung, die beispielsweise das System der Kreditkompetenzen der Bankmitarbeiter an das Rating koppeln.
Dem Unternehmenssteuerungskonzept, der Kostenrechnung, dem unterjährigen Berichtswesen, dem Liquiditäts-Management wie auch dem Risikofrüherkennungskonzept kommt künftig ein wesentlich höherer Stellenwert zu als bisher. Unternehmen sind daher gefordert, bei sich selbst und - soweit relevant - bei ihren Kunden auf die notwendigen Veränderungen hinzuwirken.
Es werden bereits zahlreiche Softwarepakete von unterschiedlichsten Anbietern vertrieben. Doch enthält definitiv keines der bisher angebotenen Programme exakt einen solchen Kriterienkatalog, wie er von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht anerkannt wird. (bs)
* Dr. Oliver Everling ist Geschäftsinhaber der Everling Advisory Services in Frankfurt am Main.
Viele Grüße

aus dem Ruhrpott