Baron Oppenheim und seine vier Ringe

Beitrag: 1
Zugriffe: 253 / Heute: 1
EinsamerSam.:

Baron Oppenheim und seine vier Ringe

 
17.01.05 13:48
Wie das Kölner Bankhaus das Wirtschaftswunder mit in Gang brachte und die Auto Union wiederbelebte

Baron Oppenheim und seine vier Ringe

Am Freitag, den 7. Oktober 1949, dem Tag, an dem in Berlin die DDR ausgerufen wird, schreibt Baron Friedrich Carl von Oppenheim einen langen Brief in die westdeutsche Hauptstadt. Das Schreiben ist an den Wirtschaftsminister der Bundesrepublik in Bonn gerichtet und hebt mit den Worten an: „Wie Sie unterrichtet worden sind, sind wir bemüht, die in der Ostzone ehemals beheimatete, von den Russen restlos zerschlagene, demontierte Auto Union wenigstens vorerst mit dem weltbekannten DKW-Programm in Westdeutschland zu reaktivieren.“

Baron Oppenheim und seine vier Ringe 1778087 KÖLN. Der Brief an Ludwig Erhard ist vier dicht beschriebene Schreibmaschinenseiten lang und bietet nichts weniger als eine knapp gefasste Strategie zur Wiederbelebung einer in den Kriegswirren fast untergegangenen Weltmarke.

Der Brief ist aber noch viel mehr: eine der wichtigen Quellen einer überaus reichen, mehr als 200-jährigen Unternehmensgeschichte und ein Beweis dafür, mit welcher Weitsicht der Wiederaufbau der zerstörten deutschen Wirtschaft von Männern und Frauen ins Werk gesetzt wurde, die dem Nazi-Terror nur um Haaresbreite entkommen waren.

Die Familie Oppenheim und ihr Unternehmen, das Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim jr., haben dabei eine außergewöhnliche Rolle gespielt. Von den Nazis wegen ihrer jüdischen Herkunft zunächst geschnitten und dann verfolgt, beginnen die Brüder Waldemar und Friedrich Carl gleich nach Kriegsende mit dem Wiederaufbau ihres Bankhauses, das ihr väterlicher Freund, Robert Pferdmenges, unter seinem Namen durch die Diktatur gerettet hat.

Bereits am 16. März 1945 nimmt die Bank ihre Arbeit wieder auf. Waldemar hat das Regime in einem Versteck bei Bekannten in Köln-Bayenthal überlebt, Friedrich Carl, der Vater des gerade verstorbenen Alfred von Oppenheim, in einer Landshuter Gefängniszelle. Nur noch der Dom steht in der Altstadt, der Rest liegt in Trümmern. Das Stammhaus der Oppenheims in der Budengasse ist bis auf den Tresorraum zerstört, man bezieht ein Ausweichquartier der ehemaligen Deutschen Arbeitsfront, einer Unterorganisation der Nazi-Partei. Der Mangel ist Alltag, die erste Korrespondenz wird auf Papier erledigt, das im Briefkopf den Nazi-Adler zeigt.

Doch wichtige, ausgelagerte Firmendokumente sind erhalten geblieben. Gestützt auf diese, eine Hand voll ehemaliger Mitarbeiter und ein Netz von persönlichen Freundschaften, fangen die Brüder noch einmal von vorne an und legen die Fundamente für die inzwischen größte Privatbank Europas, die einst im Jahr 1789 von Salomon Oppenheim in Bonn gegründet wurde.

Die Akten zur Geschichte der Auto Union im Firmenarchiv füllen ein Dutzend Ordner. Seite für Seite enthüllt sich hier, wie Friedrich Carl von Oppenheim die Stärken des Privatbankiers – persönliche Integrität verbunden mit einem erstklassigen Netz von Kontakten – nutzt, um für sich und sein Haus Kapital daraus zu schlagen. Bei Oppenheim kommt noch etwas hinzu: Seit Menschengedenken sind die Kölner Bankiers als Industriefinanzierer aktiv. Sie gehören zu den Ersten, die sich im deutschen Eisenbahnbau Mitte des 19. Jahrhundert engagieren. Auch später pflegen sie engste Beziehungen zur Großindustrie und sitzen in Dutzenden von Aufsichtsräten. An diese Tradition knüpfen die Oppenheims nach dem Krieg an, Friedrich Carl etwa fördert den Wiederaufbau der Strabag AG und der Basalt AG.

Natürlich haben die Oppenheims für ihr Geschäft einen Startvorteil: Sie sind politisch unbelastet und erhalten als erstes Bankhaus Westdeutschlands die Erlaubnis, als Außenhandelsbank aktiv zu werden. Das ist in den Zeiten, in denen sich das Wirtschaftswunder schon regt, „a licence to print money“, eine Lizenz zum Gelddrucken, wie es in der Firmenchronik heißt. Bei Friedrich Carl von Oppenheim kommt noch ein Schuss Wagemut hinzu.

Genau das zeigt die Geschichte von Audi. Im Januar 1948 spricht deren ehemaliges Vorstandsmitglied Carl Hahn, der Vater des späteren VW-Chefs gleichen Namens, beim Kölner Bankier vor. Hahn schildert ihm sein Konzept zum Wiederaufbau der Auto Union, des sächsischen Traditionskonzerns. In höchsten Tönen lobt der Techniker das Ansehen der Autos der Konzernmarke DKW mit ihrem Zweitaktmotor. Nach der Demontage der ostdeutschen Fabriken biete sich nun im Westen die Chance, den PKW nachzubauen. Oppenheim ist wie elektrisiert, als er die Wachstumschancen von Hahns Plan erkennt. Der Ingenieur wiederum tut alles, um den Bankier bei der Stange zu halten. So versucht Hahn im März 1948, Oppenheims Gunst dadurch zu gewinnen, dass er ihm für dessen Cabriolet von Horch Speichenräder – eine Rarität – organisiert.

Im Sommer 1948 sind die Pläne weit gediehen, von Oppenheim beginnt die Arbeit an einem Finanzierungskonzept, das die Beteiligung von belgischen und Schweizer Banken vorsieht. Wieder einmal baut der Bankier auf persönliche Freundschaften wie die zum Unternehmer Marcel de Roover, den er in Brüssel für das Projekt werben lässt. Dort hat Oppenheim noch immer einen erstklassigen Namen. Nun aber beginnt der Widerstand der deutschen Ministerialbürokratie. Aus Furcht vor Überkapazitäten und fremdem Einfluss versucht das Wirtschaftsministerium des Landes NRW, das Projekt einer Autofertigung ausgerechnet in Düsseldorf zu blockieren.

Doch Oppenheim spielt auf allen Kanälen. Ihm und Carl Hahn gelingt es, den Direktor der Verwaltung für Wirtschaft und baldigen Wirtschaftsminister, Erhard, für die Auto Union zu gewinnen. Der erteilt wenige Tage vor der Gründung der Bundesrepublik am 8. Mai 1949 eine Anweisung an alle Landesbehörden, das Projekt DKW zu unterstützen. Am 3. September 1949 wird die Auto Union AG in Ingolstadt neu gegründet. Jetzt mangelt es nur noch an einem: dem Geld.

Zwar wollen die Banken aus der Schweiz und Belgien insgesamt neun Millionen D-Mark investieren. Einziger Haken: Das Geld ist in infolge des Zweiten Weltkriegs blockiert. Aus diesem Grund telefoniert der Kölner Bankier auch am 9. Oktober 1949 mit Erhard und schreibt ihm einen Brief. Wenig später ist auch für Düsseldorf der Weg frei, der Aufstieg des Konzerns mit seinen Autos der Marke DKW beginnt, 1965 landet die Firma beim VW-Konzern, der sie in Audi AG, eine der vier alten Konzernmarken, umtauft.

Dem deutschen Auto und seiner Industrie bleibt das Bankhaus auch später verbunden. 49 Jahre nach Neugründung der Auto Union spielt Oppenheim bei einer der größten Fusionen der Geschichte eine herausragende Rolle. Als Daimler-Benz und Chrysler 1998 zur Daimler-Chrysler AG fusionieren, werden die Aktien beider Konzerne zunächst in eine eigens dafür gegründeten Gesellschaft übertragen: Sie heißt Oppenheim AG.

1789: Salomon Oppenheim jr. gründet in Bonn ein Kommissions- und Wechselhaus. Neun Jahre später zieht er nach Köln um. Seine Bank gehört bald zu den wichtigsten Finanziers der Industrie.

1938: Am 20. Mai sieht sich die Bank gezwungen, fortan unter dem Namen ihres Teilhabers Robert Pferdmenges als Pferdmenges & Co zu firmieren.

1945: Am 16. März nimmt Pferdmenges & Co die Arbeit wieder auf. Zwei Jahre später wird die Bank wieder in Oppenheim umbenannt.

1989: Das Bankhaus verkauft seine Mehrheitsbeteiligung am Versicherungskonzern Colonia.

2005: Oppenheim vollendet die Übernahme der Frankfurter BHF Bank und rückt damit zur größten Privatbank-Gruppe Europas auf.

Quelle: Handelsblatt.com

...be invested
Der Einsame Samariter

Baron Oppenheim und seine vier Ringe 1778087
Es gibt keine neuen Beiträge.


Börsen-Forum - Gesamtforum - Antwort einfügen - zum ersten Beitrag springen
--button_text--