Die Babcock-Insolvenz ist nicht abgehakt. Der Aufsichtsrats-Chef wurde angezeigt, US-Investor Wyser-Pratte schaltet den Internationalen Gerichtshof ein
von Wolfgang Pott
Babcock-Borsig-Aufsichtsratschef Friedel Neuber
Foto: ddp
Friedel Neuber, 67, hat viel erreicht in seinem Leben. Vorstandsvorsitzender der Westdeutschen Landesbank (WestLB) war er, Aufsichtsratsvorsitzender bei der TUI AG ist er, genauso wie beim Babcock-Konzern und bei RWE. Wegen seines dichten Beziehungsgeflechts, des „Systems Neuber", halten ihn viele für einen der mächtigsten Männer in Deutschland. Doch der Wall der Macht um ihn bröckelt, was in erster Linie zu tun hat mit den Krisen derjenigen Unternehmen, in denen Neuber als Aufsichtsrats-Chef fungiert. Allen voran: der insolvente Mischkonzern Babcock-Borsig.
Nach Informationen der WELT am SONNTAG wird Neuber wegen der Babcock-Krise in Kürze mehrere Klagen zu erwarten haben. Eine Strafanzeige ist bereits eingegangen bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf (Aktenzeichen: 2 a AR 512/02). Anzeigenerstatter ist Prof. Hans-Joachim Selenz, ehemaliges Vorstandsmitglied bei der früheren Preussag und jetzigen TUI AG und Ex-Vorstandsvorsitzender der ehemaligen Preussag-Tochter Salzgitter AG. Der WELT am SONNTAG liegen Anzeige und Vernehmungsprotokoll vor. Selenz beschuldigt Neuber darin, „Vermögen des Preussag-Konzerns unter Beihilfe der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) in vorgeblich operatives Ergebnis umgewandelt zu haben". Dabei spricht Selenz von einer „Bilanzmanipulation von rund 1,3 Milliarden Euro allein in drei Geschäftsjahren". Außerdem behauptet er, dass der Marineschiffbauer Howaldtswerke Deutsche Werft AG (HDW) im März weit unter Wert an die US-Investmentgesellschaft One Equity Partners (OEP) verkauft worden ist.
Die Düsseldorfer Justiz will sich zu der Anzeige nicht äußern. Doch auch sie selbst hat den Chef des Babcock-Kontrollgremiums inzwischen ins Visier genommen. Eine Einbeziehung Neubers in den Fall „Babcock" ist für die Staatsanwaltschaft neuerdings durchaus vorstellbar. Das Hauptaugenmerk legt die Justiz dabei auf den Vorwurf der Konkursverschleppung und auf das so genannte Cash-Clearing. Dabei sollen Anzahlungen für U-Boote und Schiffe von HDW an Babcock transferiert worden sein, um somit die Liquidität zu erhöhen. „Diese Bereiche sind keine Nebensachverhalte", heißt es bei der Justiz. Eine Stellungnahme Friedel Neubers zu sämtlichen Vorwürfen war trotz Anfrage der WELT am SONNTAG nicht zu erhalten.
Unterdessen kündigt Oberstaatsanwalt Bernhard Englisch gegenüber der WELT am SONNTAG „in den nächsten Tagen die Erweiterung des Beschuldigten-Kreises im Zusammenhang mit steuerlichen Sachverhalten" an. In dem Eklat um die zahlungsunfähige Babcock-Borsig AG ermittelt die Düsseldorfer Justiz mittlerweile zusammen mit dem Landeskriminalamt, der Steuerfahndung und einem auf Revision spezialisierten Wirtschaftsreferenten im eigenen Haus.
Ungemach droht Friedel Neuber auch aus den USA. Der amerikanische Finanzinvestor Guy Wyser-Pratte erklärt gegenüber der WELT am SONNTAG, dass er im „Fall Neuber" bis Ende Januar den Internationalen Gerichtshof in Den Haag einschalten werde. Bereits im September hatte Wyser-Pratte vor einem amerikanischen Gericht, dem Supreme Court in New York, Schadensersatzklage gegen Neuber, den früheren Babcock- und heutigen HDW-Vorstandschef Klaus Lederer, den TUI-Konzern und gegen OEP sowie PwC eingereicht.
www.wams.de/data/2002/12/22/27279.html?s=1