"Stille Euphorie"
Die Anleger scheinen nach den Erholungen an den Weltbörsen in den vergangenen Wochen krisenrestistent geworden zu sein. Doch die erste Kursrally nach den Ereignissen des September könnte schon bald auf eine Verkaufswelle stoßen, meint Joachim Goldberg, Experte für verhaltensorientierte Marktanalyse und Geschäftsführer von cognitrend. Andreas Braun
sharper.de: Herr Goldberg, in welcher psychologischen Verfassung befinden sich denn die Anleger zurzeit?
Goldberg: Wir müssen generell zwischen zwei Gruppen von Anlegern unterscheiden. Denjenigen, die noch im Markt sind und zum Teil auf erheblichen Verlusten sitzen. Und denjenigen, die entweder nach den Kursgewinnen der letzten Wochen ihre Positionen abgebaut haben oder kurz davor sind. Die erste Gruppe hat ihre Verluste mental schon fast abgeschrieben, und auch die letzte Kursrally hilft ihnen eigentlich noch nicht. Die zweite Gruppe richtet sich schon wieder auf fallende Kurse ein.
sharper.de: Demnach ist der Kursanstieg der vergangenen Wochen eigentlich nicht durch große Euphorie getragen worden?
Goldberg: Nein, es ist eine stille Euphorie, eher schon Zweckoptimismus, der in den vergangenen Wochen vorherrscht.
sharper.de: Können wir denn noch Begeisterung an den Märkten erwarten, wenn die militärische Krise in Afghanistan bald gelöst werden sollte?
Goldberg: Auch das halte ich für unwahrscheinlich. An den Märkten herrscht die realistische Einschätzung, dass wir es bei dieser Krise mit einem Gegner zu tun, der kaum durch einen Militärschlag besiegt werden kann. Selbst ein kurzfristiger Erfolg in Afghanistan wäre daher kein Grund für Begeisterungsstürme.
Panikreaktionen sind kaum zu erwarten
sharper.de: Und das andere Extrem der Gefühlsskala – ist ein Szenario denkbar, bei dem Anleger in der jetzigen Krise noch in Panik zu versetzen sind?
Goldberg: Ich glaube es ehrlich gesagt nicht. Höchstens eine dramatische Verschärfung der Milzbrand-Attacken etwa in New York könnte eine Panikreaktion an den Weltbörsen auslösen. Insgesamt herrscht aber eine sehr pragmatische Einstellung bei den Investoren vor.
sharper.de: Spielen damit auch wieder fundamentale Rahmenbedingungen an den Aktienmärkten eine größere Rolle?
Goldberg: Durchaus. Allerdings sehen wir vermehrt die Tendenz bei Investoren, die schlechtere Verfassung der Konjunktur auf die Ereignisse des 11. September zu schieben. Die Erwartungshaltung der meisten Marktteilnehmer ist mittelfristig weiterhin positiv. Für die Anleger, die am Markt engagiert sind, gilt das ohnehin. Aber auch wer jetzt ausgestiegen ist, wartet in der Mehrzahl auf kurzfristige Kursrückgänge, um dann wieder erste Engagements einzugehen.
sharper.de: Wann wird ihre Ansicht nach diese kurzfristige Abwärtsbewegung einsetzen?
Goldberg: Im Dax liegen im Bereich von 4.800 bis 5.100 Punkten bereits einige Einstiegpreise bei einer ganzen Reihe alter Marktteilnehmer. Wollen diese ihre Positionen verlustfrei glatt stellen, entsteht hier ein erster Verkaufsdruck. Ein möglicher Kursrückgang sollte dann spätestens bei 4.300 bis 4.400 Punkten zu Stehen kommen. Das wäre für viele das Signal einer Bestätigung für den allgemeinen Aufwärtstrends.
Neuer Markt hat Luft nach oben
sharper.de: Und wie ist die Lage am Neuen Markt?
Goldberg: Da die Einstiegskurse der meisten Altengagements hier noch weiter oben liegen, ist zu erwarten, dass der Neue Markt noch mehr Luft nach oben hat, bis die ersten dieser Positionen abgebaut werden. Hier können wir durchaus noch eine längere Aufwärtsbewegung sehen. Schließlich wird es auch noch sehr lange dauern, bis dort auch nur ein Teil der Verluste in den Depots der Anleger wett gemacht sein wird.
Stand:27.10.2001
© 2001 sharper.de
Die Anleger scheinen nach den Erholungen an den Weltbörsen in den vergangenen Wochen krisenrestistent geworden zu sein. Doch die erste Kursrally nach den Ereignissen des September könnte schon bald auf eine Verkaufswelle stoßen, meint Joachim Goldberg, Experte für verhaltensorientierte Marktanalyse und Geschäftsführer von cognitrend. Andreas Braun
sharper.de: Herr Goldberg, in welcher psychologischen Verfassung befinden sich denn die Anleger zurzeit?
Goldberg: Wir müssen generell zwischen zwei Gruppen von Anlegern unterscheiden. Denjenigen, die noch im Markt sind und zum Teil auf erheblichen Verlusten sitzen. Und denjenigen, die entweder nach den Kursgewinnen der letzten Wochen ihre Positionen abgebaut haben oder kurz davor sind. Die erste Gruppe hat ihre Verluste mental schon fast abgeschrieben, und auch die letzte Kursrally hilft ihnen eigentlich noch nicht. Die zweite Gruppe richtet sich schon wieder auf fallende Kurse ein.
sharper.de: Demnach ist der Kursanstieg der vergangenen Wochen eigentlich nicht durch große Euphorie getragen worden?
Goldberg: Nein, es ist eine stille Euphorie, eher schon Zweckoptimismus, der in den vergangenen Wochen vorherrscht.
sharper.de: Können wir denn noch Begeisterung an den Märkten erwarten, wenn die militärische Krise in Afghanistan bald gelöst werden sollte?
Goldberg: Auch das halte ich für unwahrscheinlich. An den Märkten herrscht die realistische Einschätzung, dass wir es bei dieser Krise mit einem Gegner zu tun, der kaum durch einen Militärschlag besiegt werden kann. Selbst ein kurzfristiger Erfolg in Afghanistan wäre daher kein Grund für Begeisterungsstürme.
Panikreaktionen sind kaum zu erwarten
sharper.de: Und das andere Extrem der Gefühlsskala – ist ein Szenario denkbar, bei dem Anleger in der jetzigen Krise noch in Panik zu versetzen sind?
Goldberg: Ich glaube es ehrlich gesagt nicht. Höchstens eine dramatische Verschärfung der Milzbrand-Attacken etwa in New York könnte eine Panikreaktion an den Weltbörsen auslösen. Insgesamt herrscht aber eine sehr pragmatische Einstellung bei den Investoren vor.
sharper.de: Spielen damit auch wieder fundamentale Rahmenbedingungen an den Aktienmärkten eine größere Rolle?
Goldberg: Durchaus. Allerdings sehen wir vermehrt die Tendenz bei Investoren, die schlechtere Verfassung der Konjunktur auf die Ereignisse des 11. September zu schieben. Die Erwartungshaltung der meisten Marktteilnehmer ist mittelfristig weiterhin positiv. Für die Anleger, die am Markt engagiert sind, gilt das ohnehin. Aber auch wer jetzt ausgestiegen ist, wartet in der Mehrzahl auf kurzfristige Kursrückgänge, um dann wieder erste Engagements einzugehen.
sharper.de: Wann wird ihre Ansicht nach diese kurzfristige Abwärtsbewegung einsetzen?
Goldberg: Im Dax liegen im Bereich von 4.800 bis 5.100 Punkten bereits einige Einstiegpreise bei einer ganzen Reihe alter Marktteilnehmer. Wollen diese ihre Positionen verlustfrei glatt stellen, entsteht hier ein erster Verkaufsdruck. Ein möglicher Kursrückgang sollte dann spätestens bei 4.300 bis 4.400 Punkten zu Stehen kommen. Das wäre für viele das Signal einer Bestätigung für den allgemeinen Aufwärtstrends.
Neuer Markt hat Luft nach oben
sharper.de: Und wie ist die Lage am Neuen Markt?
Goldberg: Da die Einstiegskurse der meisten Altengagements hier noch weiter oben liegen, ist zu erwarten, dass der Neue Markt noch mehr Luft nach oben hat, bis die ersten dieser Positionen abgebaut werden. Hier können wir durchaus noch eine längere Aufwärtsbewegung sehen. Schließlich wird es auch noch sehr lange dauern, bis dort auch nur ein Teil der Verluste in den Depots der Anleger wett gemacht sein wird.
Stand:27.10.2001
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