..............................................
Posted: Aug. 10 2004,21:49
--------------------------------------------------
Mit dem Bruch wichtiger Unterstützungen in den massgebenden Indizes (3.700 im DAX, 2.650 im EuroSTOXX 50 und 1075 im S+P 500) hat sich die charttechnische Lage an den Aktienmärkten deutlich verschlechtert. Die folgende Analyse soll klären, ob es sich hierbei um eine mittelfristige Trendwende handelt oder ob der weitere Jahresverlauf doch noch bessere Kurse verspricht.
Stellvertretend für die genannten Indizes wird im Folgenden der EuroSTOXX 50 eingehend betrachtet. Der erste Blick gilt dem Chart. Hier fallen zwei wichtige Themen auf. Erstens befindet sich der Markt seit seinem Top Anfang März in einer mittelfristigen Korrekturbewegung, die bislang als Flaggenkonsolidierung einzustufen ist. Limitiert wird diese Formation durch eine obere Trendbegrenzung bei 2.800 Punkten und einen unteren Trendsupport bei 2.580 Punkten. Das zweite wichtige charttechnische Thema ist der inzwischen gebrochene Support bei 2.650 Punkten. Dieser bildete sich aus den Tiefpunkten der Korrekturbewegungen im Mai und Juli diesen Jahres sowie aus den Tops vom September und November des letzten Jahres. Insgesamt sechs Auflagepunkte klassifizieren dieses Niveau als entscheidende Wegmarke; ein Bruch muss deshalb als Signal einer potentiellen Trend-umkehr verstanden werden.
Somit haben wir zwei gegensätzliche charttechnische Themen: eine Flaggenkonsolidierung, die einen bullishen mittelfristigen Ausblick begründet und die gebrochene Unterstützung, die dem Markt Umkehrcharakter verleiht. Die Schlussfolgerung hieraus: werden 2.570/80 nach unten gebrochen, ist das Thema „Flaggenkonsolidierung“ durch und eine Trendumkehr ist auch charttechnisch bestätigt. Gelingt dagegen ein Rebreak der 2.650 und in der Folge ein Anstieg über 2.720 (letztes Zwischenhoch) ist das Flaggenthema positiv bestätigt mit der Folge eines entsprechend positiven Ausblicks auf den weiteren Jahresverlauf.
Eine abwartende Haltung ist zwar eine plausible, aber nicht für jeden Anleger opportune Massnahme. So zeigte die jüngste sentix-Umfrage zu den Aktieninvestitionsgraden der institutionellen Anleger zwar eine Reduzierung der durchschnittlichen Investitionsquoten, aber eine relativ große Gruppe von rund 16% gab an, noch immer über der jeweiligen Benchmark investiert zu sein. Zudem scheinen die Anleger in festverzinslichen Wertpapieren stark unterinvestiert zu sein. Von der aktuellen Marktentwicklung (Aktien in der Korrektur, Renten im Aufwind) sind einige institutionelle Investoren damit doppelt negativ betroffen. Die Frage lautet deshalb: kann man den Ausgang des oben beschriebenen charttechnischen Endspiels antizipieren?
Um vernünftige Wahrscheinlichkeiten für den weiteren Marktverlauf schätzen zu können, benötigen wir Informationen, die uns eine Prognose künftiger Handlungen der Investoren ermöglichen. Solche Informationen lassen sich zum Beispiel aus der Sentimentanalyse und unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Behavioral Finance gewinnen.
Positiv ist hierbei zu vermelden, dass gemäß den sentix-Indizes auf kurze Sicht der Pessimismus auf dem Vormarsch ist. Mit –32% (auf einer Skala von –100% bis +100%) liegen wir nicht weit von Extrempunkten entfernt, welche in der Vergangenheit zumindest kurzfristige Aufwärtsreaktionen begünstigten. Mittelfristig sieht die Sache dagegen anders aus: hier werden aktuell gerade die Perspektiven zurückgenommen. Obwohl der sentix-Risiko Aversions Index einen neuen Tiefstand erreicht hat und damit eine hohe Risikoaversion anzeigt, haben die Anleger anscheinend noch nicht auf „defensiv“ umgeschaltet. Im relativen Vergleich sitzt die Angst den Bonds gegenüber noch immer tiefer als zu den Aktien. Dies mag darin begründet sein, dass die Anleger noch keine endgültige Vorstellung gewonnen haben, warum die Aktienmärkte so stark korrigieren und seit nunmehr fast fünf Monaten per saldo fallen. Vordergründig stellen die hohen Ölpreise das einfachste Erklärungsmuster bereit. Dieses Thema ist jedoch aus Sicht der Sentimentanalyse als absolut reif zu betrachten. So titelt zum Beispiel der aktuelle Focus: „Ölkrise – schlimmer als 1973“. Auch das mittelfristige sentix-Sentiment ist negativ divergent. Unglücklicherweise sind gegen Ende eines langen Trends die stärksten Intermarketwirkungen zu verspüren und ein finaler Anstieg des Ölpreises auf 47-50 US-Dollar würde nochmals die Aktienmärkte treffen. Aber diese Bewegung wäre wahrscheinlich kurzlebig und die daraus resultierende Gesamttendenz eher kompatibel mit dem Szenario einer positiv bestätigten Flaggenkonsolidierung.
Bedeutender ist es, ob aus der jüngsten Aktienschwäche – mit oder ohne Ölpreisargumentation – eine Revision der mittelfristigen Konjunkturperspektiven erwächst. Hierfür haben wir bislang noch keine Hinweise erhalten. Die Breite des Abschwunges, die Beteiligung so unterschiedlicher Branchen wie Technologie, Banken, Industriegüter und Konsum dürfte aber vermehrt kritische Stimmen in dieser Richtung begünstigen. Ein Einbruch in den Konjunkturerwartungen wäre ein schlechtes Zeichen. Eine Anpassung der Portfolien auf ein wesentlich defensiveres Setup wäre dann sehr wahrscheinlich und deutlich tiefere Kurse am Aktien- und höhere Preise am Rentenmarkt wohl die Folge. Es bleibt also unter Einbeziehung der zusätzliches Faktoren aus der Sentimentanalyse bei dem Ergebnis, dass sich der Aktienmarkt (gemessen am EuroSTOXX 50) zwischen 2.580 und 2.650 im Niemandsland befindet.
Investoren bieten sich deshalb aktuell vor allem zwei Alternativen: Verkaufen und bei positiver Klärung der Lage (Bestätigung des Flaggenszenarios) wieder investieren. Oder prozyklische Massnahmen planen, um bei aufkommendem Verkaufsdruck, der sich aus einer Änderung der mittelfristigen Konjunkturperspektiven ergeben kann, sofort reagieren zu können. So oder so ist ein konsequentes, diszipliniertes Vorgehen empfehlenswert.
Manfred Hübner
-----------------------------
Und ab an die Bar ...
MaMoe ...