Chaos in Argentinien / Präsident tritt zurück
Argentinien, das zweitgrößte Land Südamerikas, ist hochverschuldet und versinkt im Chaos. Nach einer vierjährigen Rezession beläuft sich die Arbeitslosenquote auf 18,3 Prozent und die Staatsverschuldung auf etwa 132,0 Mrd. Dollar. Banken vergeben keine Kredite mehr an das Land und auch der Internationale Währungsfonds IWF will nur helfen, wenn ein strik ter Sparkurs eingeschlagen wird.
Nun ist der argentinische Präsidenten Fernando de la Rua zurückgetreten, um zur Aussöhnung und zur Aufrechterhaltung der institutionellen Ordnung beizutragen. Da er als zögerlich galt, feierten große Teile der Bevölkerung seinen Rücktritt. Vermutlich wird heute der Kongress einen Nachfolger bestimmen und Neuwahlen ansetzen. Der Senatspräsident Ramon Puerta wird voraussichtlich für 48 Stunden das Amt übernehmen.
Die Wirtschaftskrise löste in den zurückliegenden Tagen schwere Ausschreitungen aus, in deren Verlauf mindestens 20 Menschen starben und über 2.000 Randalierer verhaftet wurden. Hungernde Menschen plünderten Geschäfte und Supermärkte, so dass der Präsident für 30 Tage den Ausnahmezustand verhängte. Alle Minister hatten ihren Rücktritt angeboten, wobei de la Rúa nur den Rücktritt seines in die Kritik geratenen Wirtschaftsministers Domingo Cavallo annahm. Zahlreiche Menschen geben ihm die Verantwortung für die Wirtschaftskrise.
Q: Die Welt
Argentinischer Kongress bestimmt Nachfolger De la Ruas
Buenos Aires (Reuters) - Nach dem Rücktritt des argentinischen Präsidenten Fernando de la Rua will der Kongress am Freitag dessen Nachfolger bestimmen. Da seit dem vergangenen Jahr das Amt des Vize-Präsidenten unbesetzt ist, steht der Verfassung zufolge der Präsident des Senats in der Pflicht. Der Peronist Ramon Puerta sagte jedoch am Donnerstag, er werde diese Aufgabe nur für die kommenden 48 Stunden übernehmen. In Folge der anhaltenden Wirtschaftkrise und tagelanger Ausschreitungen mit Plünderungen war De la Rua zuvor zurückgetreten. Er begründete seinen Rücktritt mit der Weigerung der Opposition, in eine Einheitsregierung einzutreten. Die Regierung hatte am Mittwoch den Ausnahmezustand verhängt, die Unruhen hielten jedoch an. Mindestens 24 Menschen kamen dabei ums Leben.
Der Kongress tritt um 11.00 Uhr (Ortszeit, 15.00 Uhr MEZ) zusammen. Die oppositionellen Peronisten verfügen in beiden Kammern über die Mehrheit. Möglich ist, dass der Nachfolger De la Ruas Neuwahlen ausruft, die bislang erst 2003 geplant sind.
De la Rua erklärte in seinem Rücktrittsschreiben an den Kongress, er hoffe, dass sein Schritt zur Aussöhnung und zur Aufrechterhaltung der institutionellen Ordnung des Landes beitragen werde. Der 64-Jährige hatte zuvor die Opposition vergeblich aufgefordert, in die Regierung einzutreten. De la Rua wurde mit einem Hubschrauber aus dem von tausenden Demonstranten belagerten Präsidentenpalast geflogen. Medienberichten zufolge begab er sich auf seine Residenz in einem Vorort der Hauptstadt Buenos Aires.
De la Rua galt bei vielen Menschen des Landes als Zauderer und Präsident mit wenig Charisma. Zahlreiche Menschen feierten in Buenos Aires seinen Rücktritt. Eine arbeitslose Frau sagte, sie sei zwar jetzt nicht glücklich, aber erleichtert. "Ich hoffe, die neue Regierung wird Arbeitsplätze schaffen." Noch vor der Ankündigung De la Ruas sagte ein Mann auf dem Plaza de Mayo: "Das schönste Weihnachtsgeschenk, das der Präsident uns geben kann, ist zurückzutreten."
Argentinien kämpft mit Schulden in Höhe von 132 Milliarden Dollar, einer seit vier Jahren andauernden Rezession und einer Arbeitslosenquote von 18,3 Prozent. Studien zufolge rutschen täglich 2000 Menschen unter die Armutsgrenze. Ungeachtet der großen Probleme verfügt Argentinien weiter über die drittstärkste Wirtschaft Lateinamerikas und über die höchsten Einkommen und die größte Mittelschicht.
Der Zorn über die zunehmende Verarmung weiter Teile der Bevölkerung hatte sich neben De la Rua auch gegen den zuvor zurückgetretenen Wirtschaftsminister Domingo Cavallo gerichtet. Cavallo hatte dem Land einen rigiden Sparkurs verordnet und unter anderem aus Sorge vor einem Bankenzusammenbruch, Barabhebungen von Privatpersonen auf 1000 Dollar im Monat begrenzt.
Unter anderem gegen diesen Eingriff liefen zahlreiche Menschen Sturm. Bei den Unruhen in den vergangenen vier Tagen wurden etwa 250 Personen verletzt. Ladenbesitzer eröffneten das Feuer auf Plünderer, die Polizei ging mit Tränengas und Gummigeschossen gegen Demonstranten vor. Die Hoffnung der Regierung, mit der Verhängung des Ausnahmezustands die Lage in den Griff zu bekommen, erfüllte sich jedoch nicht. Auch am Donnerstag setzen sich die Plünderungen und Protest fort. Eine der größten Gewerkschaften des Landes rief für Freitag zu einem Generalstreik auf, bis der für 30 Tage verhängte Ausnahmezustand aufgehoben wird.
Der Internationale Währungsfond (IWF) und die USA sagten Argentinien ihre Unterstützung zu, ohne jedoch konkrete Hilfen in Aussicht zu stellen. US-Finanzminister Paul O'Neill ließ nicht erkennen, dass Washington Rettungspläne für das hoch verschuldete Land hat. Vielmehr nahm O'Neill Argentiniens Führung in die Pflicht, selbst einen Ausweg aus der Schuldenkrise zu suchen. "Sie arbeiten an den schwierigen Optionen, denen sich eine souveräne Nation stellen muss, um wieder richtigen finanziellen Halt zu finden", sagte O'Neill in Washington. Der IWF wies die Verantwortung für die rasche Eskalation der Krise in Argentinien zurück. Die Gefahr eines Übergreifens der politischen und wirtschaftlichen Krise auf andere Schwellenländer wird jedoch sowohl von den USA als auch vom IWF als gering eingeschätzt.
Q: www.reuters.de/...AEZSFFAKEEATIIWD?type=topnews&StoryID=471082