Angst vor einer Finanzkrise

Beitrag: 1
Zugriffe: 341 / Heute: 1
EinsamerSam.:

Angst vor einer Finanzkrise

2
20.09.06 10:51
Hedge-Fonds Amaranth hat Milliardenverluste erzielt

Angst vor einer Finanzkrise

Die Krise des US-Hedge-Fonds Amaranth heizt die Diskussion über eine schärfere Überwachung der bisher kaum regulierten Branche an. Die Bundesbank nahm die Schieflage zum Anlass, erneut härtere Kontrollen für die Fonds zu fordern, die mittlerweile weltweit ein Vermögen von rund 1,2 Bill. Dollar kontrollieren.

HB LONDON/NEW YORK. Amaranth hat sich am Erdgasmarkt verspekuliert. Der bisherige Starhändler Brian Hunter verlor innerhalb kürzester Zeit rund fünf Mrd. Dollar. Das ist fast die Hälfte der 9,5 Mrd. Dollar, die die Gesellschaft insgesamt verwaltet. Anfang August hatte eine ähnliche Schieflage das Aus für den Hedge-Fonds Mother Rock mit einem Volumen von 400 Mill. Dollar bedeutet. Seit 2004 gaben 500 Hedge-Fonds wegen enttäuschender Wertentwicklung auf.

Erst vor kurzem hatte Steve Cohen, Chef des Hedge-Fonds SAC Capital und einer der Stars der Branche, vor einem harten Ausleseprozess gewarnt. Wegen der enormen Mittelzuflüsse würden sich immer mehr Hedge-Fonds auf eine begrenzte Zahl guter Investmentideen stürzen. Deshalb müssten die Fonds immer größere und immer längere Wetten riskieren. Seit Jahresbeginn sind den Daten der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge über 20 Mrd. Dollar in Hedge-Fonds geflossen, die in Energie und Rohstoffe investieren. Zu den Investoren von Amaranth zählen auch die Kunden der Deutschen Bank. Ähnlich wie Morgan Stanley, Credit Suisse und andere Großbanken bietet das Frankfurter Geldhaus Anlegern Dach-Hedge-Fonds an, die einen Teil ihrer Mittel in die Amaranth-Fonds investiert haben.

Die Deutsche Bank wollte sich nicht zum Ausmaß des Schadens äußern, aber zumindest ein prominenter Anbieter droht durch sein Engagement in die roten Zahlen zu rutschen. Der größte börsengelistete Dach-Hedge-Fonds, Dynamic Opportunities von Goldman Sachs, warnte seine Aktionäre, dass die Krise von Amaranth im September zu Verlusten von bis zu drei Prozent führen könnte. Die Warnung kommt nur zwei Monate, nachdem Goldman den Fonds mit einem Rekordvolumen von 400 Mill. Euro an die Londoner Börse gebracht hat.

Aus Kreisen der Deutschen Bundesbank hieß es gestern, die Krise unterstreiche die Bedeutung des Vorschlags, die Hedge-Fonds von anerkannten Ratingagenturen bewerten zu lassen. Außerdem zeige der Vorfall, dass sich Notenbanken und Bankenaufseher intensiv mit Fragen der mangelnden Transparenz von Hedge-Fonds und der Risiken für das internationale Finanzsystem befassen müssten. Bundesbank-Vorstand Edgar Meister hatte im Mai gefordert, dass die Fonds sich freiwillig von Ratingagenturen überprüfen lassen sollten. Die beiden führenden Anbieter Standard & Poor’s und Moody’s bereiten entsprechende Initiativen vor.

Die Handelsverluste von Amaranth sind die größten, seit der Hedge-Fonds Long-Term Capital Management 1998 mit Investitionen in Staatsanleihen vier Mrd. Dollar verlor. Damals organisierte die US-Notenbank eine Stützungsaktion mit einem Volumen von 3,5 Mrd. Dollar, um die Stabilität Finanzsystems zu sichern. „Die Fehlspekulation von Amaranth war aber keine Gefahr für die Systemstabilität“, sagte gestern ein Londoner Hedge-Fonds-Manager. Schließlich habe der Fonds bislang alle Zahlungsverpflichtungen gegenüber Kunden und Gläubigern erfüllt.

Im August sah noch alles gut aus bei Amaranth Advisors. Der Hedge-Fonds mit einem Vermögensbestand von 9,5 Mrd. Dollar verzeichnete Wertsteigerungen von fast 30 Prozent. Vor allem dank der Wetten von Energie-Chefhändler Brian Hunter. Als jedoch vergangene Woche die Gaspreise in den USA um mehr als zwölf Prozent absackten, wurden zwei der von Amaranth verwalteten Fonds mit in die Tiefe gerissen. Aus den Gewinnen wurden quasi über Nacht Verluste von 4,6 Mrd. Dollar.

Kein Einzelfall: Verluste von etwa 60 Prozent hat offenbar ein Hedge-Fonds der Aeneas Capital Management bei riskanten Aktienwetten in Malaysia eingefahren. Die Gesellschaft verwaltet insgesamt schätzungsweise rund 400 Mill. Dollar. Medienberichten zufolge haben sowohl die US-Börsenaufsicht SEC als auch die malaysischen Behörden Ermittlungen wegen angeblicher Handelsmanipulationen aufgenommen. Die Deutsche Bank hat als so genannter „Prime Broker“ die Handelsgeschäfte von Aeneas abgewickelt und mitfinanziert.

Die beiden Beispiele zeigen die enormen Risiken einer Branche, die weltweit mehr als 1 200 Mrd. Dollar verwaltet und deren tägliche Transaktionen die Hälfte des Handelsvolumens an den Börsen in New York und London ausmachen können. Wie ein dunkler Schatten schwebt noch immer die Erinnerung an Long Term Capital Management (LTCM) über der Hedge-Fonds-Branche. LTCM hatte sich 1998 in Russland verspekuliert und damit die Welt an den Rand einer Finanzkrise gebracht.

Vor allem von deutscher Seite sind auf der Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Singapur wieder Rufe nach einer besseren Aufsicht über die undurchsichtige Branche laut geworden. Die deutsche Finanzaufsicht und die Europäische Zentralbank warnen seit langem, dass der Zusammenbruch eines oder mehrerer großer Fonds zu einer internationalen Finanzkrise führen könnte.

Aber auch in den USA wächst die Sorge. „Hedge-Fonds sind der Wilde Westen der Finanzmärkte“, sagte kürzlich der US-Senator Orrin Hatch bei einer Anhörung in Washington. Mit einem Vorschlag vorgeprescht ist jetzt der New Yorker Fed-Präsident Timothy Geithner. In einer Rede in Hongkong regte der Notenbanker an, die Höhe der Sicherheiten (margin requirements) zu überprüfen, die Hedge-Fonds bei ihren Brokern, den Banken, hinterlegen müssen. Während Privatinvestoren mindestens die Hälfte des Wertes ihrer Aktienkäufe bar hinterlegen müssen, verlangen die Banken von ihren besten Hedge-Fonds-Kunden deutlich geringere Einschüsse. Gehen die Wetten der Finanzakrobaten jedoch schief, fordern die „Prime Broker“ mit einem „margin call“, dass Geld nachgelegt wird. Geithner regt an, die Sicherheiten soweit anzuheben, dass die Hedge-Fonds auch eine Finanzkrise überstehen können.

Politiker in den USA wollen die Branche stärker an die Leine nehmen. Bislang sind Hedge-Fonds von den meisten Regulierungen ausgenommen, da sie sich lange nur an erfahrene Investoren wie reiche Privatleute oder institutionelle Investoren gewandt haben. Mittlerweile sind jedoch auch viele kleinere Anleger entweder direkt oder indirekt über ihre Pensionsfonds zu Kunden von Hedge-Fonds geworden. Der Versuch der Börsenaufsicht SEC, eine Meldepflicht für die Finanzakrobaten einzuführen und deren Wirken regelmäßig zu überprüfen, wurde von einem US-Bundesgericht zunichte gemacht. Zu den Befürwortern einer strengeren Regulierung zählt auch die Deutsche Bundesbank. Die meisten Fonds wollen sich allerdings nicht in die Karten schauen lassen und lehnen eine Regulierung deshalb strikt ab. Experten wie der ehemalige US-Notenbankchef Alan Greenspan warnen ebenfalls davor, die Zügel zu fest anzuziehen. Sie verweisen darauf, dass Hedge-Fonds für zusätzliche Liquidität im Finanzsystem sorgten, die Risiken breiter streuten und die Anlagemöglichkeiten bereicherten.

Mit ähnlichen Argumenten blockte eine Expertenkommission der Europäischen Union (EU) eine europaweite Regulierung der Hedge-Fonds ab. Die hochkarätige Expertengruppe warnt nicht nur vor neuen Gesetzgebungsvorschriften, die die Aktivitäten der Hedge-Fonds einschränken könnten, sondern fordert im Gegenteil mehr Handlungsfreiräume für alternative Fondsinstrumente.

„Hinter dieser liberalen Position steckt immer auch die Angst, dass Arbeitsplätze und Kapital aus den Finanzzentren abwandern könnten“, meint ein Londoner Investmentbanker. In London entstand in den vergangenen Jahren, das größte Hedge-Fonds-Zentrum außerhalb der USA. Stanley Fink, Chef des weltweit größten börsennotierten Hedge-Fonds, Man Group, schätzt, dass es ohne die spekulativen Fonds 20 bis 30 Prozent wenigerArbeitsplätze in der City gäbe.

Ein Grund für den Boom sehen Banker im liberalen Regulierungsansatz der britischen Finanzaufsicht FSA, die den Hedge-Fonds signalisiert, dass sie in London willkommen sind, und keine übermäßig straffe Regulierung fürchten müssen.


Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 20. September 2006, 09:08 Uhr

Euer

   Einsamer Samariter

Es gibt keine neuen Beiträge.


Börsen-Forum - Gesamtforum - Antwort einfügen - zum ersten Beitrag springen
--button_text--