Union Investment-Fondsmanager über Finanzanalysen:
Analysten ersetzen nicht die eigene Meinung
Die Zahl der Aktionäre und Fondsbesitzer kletterte nach Berechnungen des
DAI im ersten Halbjahr 2001 auf 13,1 Millionen. Während die Aktienkultur
der Anleger voranschreitet, geraten Analysten in die Kritik. Dass eine
Großbank eine Kauf-Studie für die Aktien der Deutschen Telekom
herausgab und in den nächsten Tagen im Auftrag eines bedeutenden
Kunden mehrere Millionen T-Aktien verkaufte, entzündete die Kritik aufs
Neue. Wassili Papas, Fondsmanager bei Union Investment, erläutert den
Sinn und Unsinn von Studien der Finanzanalysten. Union Investment, die
Fondsgesellschaft der Volksbanken und Raiffeisenbanken, betreut für rund
3 Millionen Anleger ein Vermögen von 120 Milliarden D-Mark und ist
damit die drittgrößte deutsche Fondsgesellschaft.
1. Frage: Zu gleichen Aktien urteilen manche Analysten "kaufen", andere
schreiben "halten". Einige wenige sagen "verkaufen". Wie ist das möglich?
Antwort: Die Börse lebt von gegensätzlichen Meinungen. So wie sich an
der Börse täglich Käufer und Verkäufer treffen, kommen auch Analysten
zu unterschiedlichen Einschätzungen. Wenn alle eine Meinung verträten,
würde der Kontrahent fehlen. Denn damit Aktien gekauft werden können,
benötigt der Markt Verkäufer, die bereit sind, ihre Aktien abzugeben.
2. Frage: Es gibt aber auffällig wenige Verkaufsempfehlungen. Wie passt
das zusammen?
Antwort: Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen steigen Aktien
langfristig. Beispielsweise rentieren Deutsche Aktien seit der
Währungsreform im Durchschnitt mit 14,5 Prozent jährlich. Ein guter
Grund, eher zum Kauf zu raten ...
3. Frage: Machen Sie es sich damit nicht etwas zu einfach?
Antwort: Zum anderen können auch Analysten irren. Wer beispielsweise
Unternehmen einer Branche beurteilt, steht in engem Kontakt mit den
Unternehmen und lässt sich mitunter vom Optimismus seiner
Gesprächspartner zu sehr anstecken.
4. Frage: Spielen nicht auch die Interessen der Banken eine Rolle, die mit
ihren Studien die Wertpapierumsätze ankurbeln wollen?
Antwort: Das ist legitim. Denn Banken sind gewinnorientierte
Unternehmen. Daher müssen sich Analysen für die Banken rechnen und
jeder Finanzanalyst sein Gehalt verdienen. Wenn Banken für Institutionelle
Kunden und auch für Privatkunden umfangreiche qualifizierte
Informationen und Studien zusammenstellen, können die Banken zu Recht
erwarten, dass die Kunden die darauf folgenden Aktiengeschäfte über ihr
Institut abwickeln.
5. Frage: Die WestLB hat sich beispielsweise gegenüber dem Neue-Markt
Unternehmen Infomatec verpflichtet, das eigene Research zur "aktiven
Kursunterstützung" einzusetzen. Was sagen Sie dazu, wenn Banken ihren
Analysten die Ergebnisse vorschreiben?
Antwort: Wenn einzelne Institute ihren Analysten die Ergebnisse der
Studien bereits vorgeben, wird das Research stark entwertet. Wer das tut,
untergräbt seine Glaubwürdigkeit und schadet sich selbst. Leider trifft der
Vertrauensverlust auch solche Institute, die sauber arbeiten.
6. Frage: Was sagen Sie zum Fall der Deutschen Bank: Eine
Kaufempfehlung für die Telekom, kurz bevor ein riesiges Aktienpaket zum
Verkauf gestellt wird?
Antwort: Wenn der Analyst der Deutschen Bank die T-Aktie guten
Gewissens empfahl, während unabhängig von ihm eine andere Abteilung
der Bank den Verkauf einleitete, wäre nichts dagegen zu sagen. Ich
betone: Vorausgesetzt, die Interessen sind durch sogenannte "Chinese
Walls" getrennt und beide Aktivitäten erfolgten tatsächlich unabhängig
voneinander. Leider haben zahlreiche Institute die Unsitte etabliert, dass
Analysten ihre Studien den Investmentbankern vorlegen müssen und nur
mit deren Einverständnis publizieren dürfen. Wenn aber Studien zu einem
platten unmittelbaren Marketing-Instrument verkommen, verlieren sie ihre
Glaubwürdigkeit und damit viel von ihrem Wert.
7. Frage: Welchen Analysen aber können Anleger vertrauen?
Antwort: Empfehlungen sind kein Freibrief. Sie können eine eigene
Meinung nicht ersetzen. Ich lese daher Studien aufmerksam und bilde mir
dann aber eine eigene Meinung. Wer dagegen nur auf die Empfehlung
"kaufen" oder "verkaufen" schielt, setzt Studien nicht sachgerecht ein.
8. Frage: Was sollen Privatanleger tun, wenn ihnen Studien von
Finanzanalysten zur Verfügung stehen.
Antwort: Ich kann Privatanlegern nichts anderes empfehlen, als das, was
meine Kollegen und ich selbst tun. Es gilt, die Studie sorgfältig zu lesen und
die Informationen auszuwerten. Nur wenn die Argumente wirklich
überzeugen, sollte man sich diese zu Eigen machen. Wer sich das nicht
zutraut, oder keine Zeit für eine eigene fundierte Meinungsbildung hat,
sollte keine Einzelwerte kaufen. Solche Anleger sind mit einem breit
sortierten Fonds besser bedient.
9. Frage: Können Sie Ihre Schlussfolgerungen auf den Punkt bringen?
Antwort für Anleger
These 1: Analysen sind keine Garantien für zukünftige Kursentwicklungen.
These 2: Die Börse lebt von Meinungsvielfalt, das gilt auch für Studien.
These 3: Banken sind gewinnorientierte Unternehmen. Daher müssen auch
Analysen zusätzliches Geschäft generieren und sich "rechnen".
These 4: Wer Analysen in Händen hält, sollte sich darüber im Klaren sein,
dass diese letztendlich auch der Verkaufsförderung dienen.
Für die Kreditinstitute:
These 5: Im Interesse der eigenen Glaubwürdigkeit gilt es ,
Unternehmensanalysen grundsätzlich unabhängig von den aktuellen
Interessen der Investmentbanker zu erstellen.
These 6: Sofern besondere Interessen einer Bank bei einem analysierten
Unternehmen existieren, sollten diese in der Studie nicht nur pauschal,
sondern explizit ausgewiesen werden (z.B. Beteiligungen,
Aufsichtsratsmandate, Beratung bei einer Transaktion, ... )
(Wassili Papas)
03.09.2001 09:18
Analysten ersetzen nicht die eigene Meinung
Die Zahl der Aktionäre und Fondsbesitzer kletterte nach Berechnungen des
DAI im ersten Halbjahr 2001 auf 13,1 Millionen. Während die Aktienkultur
der Anleger voranschreitet, geraten Analysten in die Kritik. Dass eine
Großbank eine Kauf-Studie für die Aktien der Deutschen Telekom
herausgab und in den nächsten Tagen im Auftrag eines bedeutenden
Kunden mehrere Millionen T-Aktien verkaufte, entzündete die Kritik aufs
Neue. Wassili Papas, Fondsmanager bei Union Investment, erläutert den
Sinn und Unsinn von Studien der Finanzanalysten. Union Investment, die
Fondsgesellschaft der Volksbanken und Raiffeisenbanken, betreut für rund
3 Millionen Anleger ein Vermögen von 120 Milliarden D-Mark und ist
damit die drittgrößte deutsche Fondsgesellschaft.
1. Frage: Zu gleichen Aktien urteilen manche Analysten "kaufen", andere
schreiben "halten". Einige wenige sagen "verkaufen". Wie ist das möglich?
Antwort: Die Börse lebt von gegensätzlichen Meinungen. So wie sich an
der Börse täglich Käufer und Verkäufer treffen, kommen auch Analysten
zu unterschiedlichen Einschätzungen. Wenn alle eine Meinung verträten,
würde der Kontrahent fehlen. Denn damit Aktien gekauft werden können,
benötigt der Markt Verkäufer, die bereit sind, ihre Aktien abzugeben.
2. Frage: Es gibt aber auffällig wenige Verkaufsempfehlungen. Wie passt
das zusammen?
Antwort: Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen steigen Aktien
langfristig. Beispielsweise rentieren Deutsche Aktien seit der
Währungsreform im Durchschnitt mit 14,5 Prozent jährlich. Ein guter
Grund, eher zum Kauf zu raten ...
3. Frage: Machen Sie es sich damit nicht etwas zu einfach?
Antwort: Zum anderen können auch Analysten irren. Wer beispielsweise
Unternehmen einer Branche beurteilt, steht in engem Kontakt mit den
Unternehmen und lässt sich mitunter vom Optimismus seiner
Gesprächspartner zu sehr anstecken.
4. Frage: Spielen nicht auch die Interessen der Banken eine Rolle, die mit
ihren Studien die Wertpapierumsätze ankurbeln wollen?
Antwort: Das ist legitim. Denn Banken sind gewinnorientierte
Unternehmen. Daher müssen sich Analysen für die Banken rechnen und
jeder Finanzanalyst sein Gehalt verdienen. Wenn Banken für Institutionelle
Kunden und auch für Privatkunden umfangreiche qualifizierte
Informationen und Studien zusammenstellen, können die Banken zu Recht
erwarten, dass die Kunden die darauf folgenden Aktiengeschäfte über ihr
Institut abwickeln.
5. Frage: Die WestLB hat sich beispielsweise gegenüber dem Neue-Markt
Unternehmen Infomatec verpflichtet, das eigene Research zur "aktiven
Kursunterstützung" einzusetzen. Was sagen Sie dazu, wenn Banken ihren
Analysten die Ergebnisse vorschreiben?
Antwort: Wenn einzelne Institute ihren Analysten die Ergebnisse der
Studien bereits vorgeben, wird das Research stark entwertet. Wer das tut,
untergräbt seine Glaubwürdigkeit und schadet sich selbst. Leider trifft der
Vertrauensverlust auch solche Institute, die sauber arbeiten.
6. Frage: Was sagen Sie zum Fall der Deutschen Bank: Eine
Kaufempfehlung für die Telekom, kurz bevor ein riesiges Aktienpaket zum
Verkauf gestellt wird?
Antwort: Wenn der Analyst der Deutschen Bank die T-Aktie guten
Gewissens empfahl, während unabhängig von ihm eine andere Abteilung
der Bank den Verkauf einleitete, wäre nichts dagegen zu sagen. Ich
betone: Vorausgesetzt, die Interessen sind durch sogenannte "Chinese
Walls" getrennt und beide Aktivitäten erfolgten tatsächlich unabhängig
voneinander. Leider haben zahlreiche Institute die Unsitte etabliert, dass
Analysten ihre Studien den Investmentbankern vorlegen müssen und nur
mit deren Einverständnis publizieren dürfen. Wenn aber Studien zu einem
platten unmittelbaren Marketing-Instrument verkommen, verlieren sie ihre
Glaubwürdigkeit und damit viel von ihrem Wert.
7. Frage: Welchen Analysen aber können Anleger vertrauen?
Antwort: Empfehlungen sind kein Freibrief. Sie können eine eigene
Meinung nicht ersetzen. Ich lese daher Studien aufmerksam und bilde mir
dann aber eine eigene Meinung. Wer dagegen nur auf die Empfehlung
"kaufen" oder "verkaufen" schielt, setzt Studien nicht sachgerecht ein.
8. Frage: Was sollen Privatanleger tun, wenn ihnen Studien von
Finanzanalysten zur Verfügung stehen.
Antwort: Ich kann Privatanlegern nichts anderes empfehlen, als das, was
meine Kollegen und ich selbst tun. Es gilt, die Studie sorgfältig zu lesen und
die Informationen auszuwerten. Nur wenn die Argumente wirklich
überzeugen, sollte man sich diese zu Eigen machen. Wer sich das nicht
zutraut, oder keine Zeit für eine eigene fundierte Meinungsbildung hat,
sollte keine Einzelwerte kaufen. Solche Anleger sind mit einem breit
sortierten Fonds besser bedient.
9. Frage: Können Sie Ihre Schlussfolgerungen auf den Punkt bringen?
Antwort für Anleger
These 1: Analysen sind keine Garantien für zukünftige Kursentwicklungen.
These 2: Die Börse lebt von Meinungsvielfalt, das gilt auch für Studien.
These 3: Banken sind gewinnorientierte Unternehmen. Daher müssen auch
Analysen zusätzliches Geschäft generieren und sich "rechnen".
These 4: Wer Analysen in Händen hält, sollte sich darüber im Klaren sein,
dass diese letztendlich auch der Verkaufsförderung dienen.
Für die Kreditinstitute:
These 5: Im Interesse der eigenen Glaubwürdigkeit gilt es ,
Unternehmensanalysen grundsätzlich unabhängig von den aktuellen
Interessen der Investmentbanker zu erstellen.
These 6: Sofern besondere Interessen einer Bank bei einem analysierten
Unternehmen existieren, sollten diese in der Studie nicht nur pauschal,
sondern explizit ausgewiesen werden (z.B. Beteiligungen,
Aufsichtsratsmandate, Beratung bei einer Transaktion, ... )
(Wassili Papas)
03.09.2001 09:18