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Web-Millionär im Zwielicht
Japans Jungstar löst Börsenbeben aus
Er wurde als Bill Gates Japans gefeiert, fiel durch respektlose Auftritte auf, kandidierte sogar fürs Parlament: Der junge Internet-Unternehmer Takafumi Horie ist eine der auffälligsten Figuren in Japans Wirtschaftsleben. Nun hat er Ärger mit den Staatsanwälten - und die Börse in Tokio brach ein.
Tokio - Ermittlungen der Tokioter Staatsanwaltschaft gegen Hories Internet-Firma Livedoor haben dem japanischen Aktienmarkt heute seine stärksten Tagesverluste seit April 2005 beschert. Der Nikkei -Index brach bis Handelsschluss um 2,8 Prozent auf 15.805,95 Zähler ein - zuvor war bekannt geworden war, dass die Büros von Livedoor durchsucht worden waren. Das Unternehmen steht im Verdacht, falsche Informationen verbreitet zu haben. Nähere Details nannten die Ermittler nicht.
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REUTERSHorie bei Pressekonferenz: Kritiker fühlen sich bestätigt |
Auch Titel des Kommunikationsunternehmens Softbank wurden in Mengen verkauft, weil Anleger Auswirkungen der Ermittlungen auf die gesamte Branche fürchteten. Softbank rasten um 11,11 Prozent auf 3840 Yen in den Keller. Titel des Konkurrenten Yahoo Japan gaben um 8,38 Prozent auf 164.000 Yen nach.
Horie, der T-Shirts Anzügen vorzieht, hatte in der Vergangenheit mehrfach für Aufsehen gesorgt. Unter anderem hatte er erfolglos versucht, ein in die Krise geratenes Baseballteam zu kaufen und ein feindliches Übernahmeangebot für das Fuji Television Network gemacht.
Rebell und Visionär - oder Nestbeschmutzer?
Wie kaum jemand vor ihm ist er in Japan damit - vor allem bei den Älteren - zum Inbegriff eines skrupellosen Casino-Kapitalisten geworden. Von seinen jüngeren Fans hingegen ließ sich Horie als Rebell gegen die Japan AG feiern - das einst harmonische Miteinander von Bossen, Bürokraten und Politikern.
Horie war zudem bei der letzten Parlamentswahl - unterstützt von den regierenden Liberaldemokratischen Partei LDP - als unabhängiger Kandidat angetreten, hatte den Sprung ins Parlament aber nicht geschafft.
In seinem Buch "Anleitung zum Reichwerden: Wie man zehn Milliarden verdient" verletzte er so ziemlich alle Tabus der konfuzianisch geprägten Nation, auch den Respekt vor dem Alter: "Das Nutzloseste sind Predigten alter Leute", lästert er. "Solche Menschen leben nur lange, haben aber keine besonderen Informationen."
Für das traditionelle Land, das seine Jugend auf strengen Paukschulen für die Aufnahme an Spitzenunis drillt, war schon Hories Werdegang ein Gräuel: Als Student sprang er frühzeitig von der elitären Universität Tokio ab. Anstatt langweilige Vorlesungen zu hören, sollten Studenten nur die wichtigsten Lehrbücher lesen, riet er, und ansonsten doch ganz einfach ihm nacheifern - "eine Firma gründen und schnell Visitenkarten mit dem Titel des Firmenchefs verteilen". Mit 23 gründete der Außenseiter die Internet-Firma "Livin' on the Edge", im 2004 benannte er sie in "Livedoor" um.