Aktienoptionen sind wie Martinis

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Aktienoptionen sind wie Martinis

 
07.08.02 15:38
Eine ganze Reihe neuer Gesetze soll US-Unternehmen und Finanzmärkte durchsichtiger machen. Doch etlichen Insidern an der Wall Street ist das noch nicht genug. Die Wurzeln der Vertrauenskrise seien weiterhin unbehandelt.

New York - Byron Wien arbeitet für Morgan Stanley. Vielleicht ist er deshalb so meinungsfreudig. "Jeder, der meint, man müsse nichts gegen Aktienoptionen tun, zerstört seine Glaubwürdigkeit (als Reformer)", blaffte der Investmentchef der Bank am Dienstag in sein Publikum.

Wien saß nicht vor irgendeinem Treffen wütender Aktionäre, sondern im edlen Princeton Club in Midtown Manhattan. Geladen hatte die New York Society of Securities Analysts, und der Saal war bis zum letzten Platz gefüllt mit Analysten, Bankern und anderen Wall-Street-Insidern. Das Thema der Podiumsdiskussion lautete "Von Wall Street bis Main Street: Eine Vertrauenskrise".

Alle Redner begrüßten die verschärften Regeln, die der Kongress, die Börsenaufsicht SEC und die New York Stock Exchange bereits verabschiedet haben. Doch etlichen ging die Reform nicht weit genug.

"Um die Vertrauenskrise zu beenden, brauchen wir drastische Mittel", sagte Wien. Seine Forderung: Aktienoptionen müssen endlich als Kosten verbucht werden. Das zuständige Financial Accounting Standards Board (FASB) hatte 1994 eine Änderung bereits versucht, war jedoch an politischem Widerstand gescheitert.

Für Wien (und viele andere) sind Aktienoptionen die Wurzel der derzeitigen Krise. Erst die Optionen trieben Manager dazu, die Gewinne zu manipulieren, um den Kurs oben zu halten. Bisher belasten Optionen nicht die Unternehmensbilanz. Deshalb werden sie großzügig verteilt - zu 90 Prozent ans Top-Management.

"Aktienoptionen sind wie Martinis", erklärte Wien. "Ein paar sind gut für die Party, zu viele jedoch schaffen Probleme."

Andere Diskussionsteilnehmer pflichteten ihm bei. Aktienoptionen seien ein gutes Beispiel dafür, wie "perverse Bilanzierung zu perversem Verhalten führt", sagte Robert Herz, Chairman des FASB.

Der demokratische Kongressabgeordnete John LaFalce, Mitglied des Finanzkomitees, sagte, Optionen seien "das Herz der Sache". Sie kämen deshalb als nächstes auf die Tagesordnung.

Die Teilnehmer waren sich einig, dass das Vertrauen in den amerikanischen Kapitalismus noch nicht wiederhergestellt ist - und die Krise noch lange dauern wird. "Nach dem Watergate-Skandal sind 30 Leute ins Gefängnis gewandert, und trotzdem vergingen Jahre, bis die Bürger wieder ans politische System geglaubt haben", sagte Mark Lackritz, Präsident der Securities Industry Association.

"Die Kultur hat sich noch nicht verändert", klagte Charles Hill, Forschungsdirektor bei Thomson Financial/First Call.

Etliche Anwesende kritisierten die Untätigkeit der CEOs in der Krise. "Sie müssen aufhören, sich hinter ihren Organisationen zu verstecken", forderte Wien. Damit meinte er unter anderem den Business Roundtable, eine Vereinigung von 150 CEOs, die in den vergangenen Wochen jede Verschärfung der Regeln begrüßt hatte.

Diese Lippenbekenntnisse reichten nicht aus, sagte Wien. "Wir brauchen Helden, Top-Manager, die sich hinstellen und Änderungen ankündigen." Warum, zum Beispiel, trete keiner vor und unterschreibe seine Bilanz freiwillig? Und zwar vor der Frist am 14. August, wenn die SEC es zwingend vorschreibt.

"Es ist wie bei einer Klassenarbeit", sagte Wien unter dem Gelächter der Anwesenden. "Sie müssen nicht auf den Gong warten. Wenn Sie die Antworten wissen, können Sie gehen."  
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