Aktienanleger wollen per Klage ...

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Connie Lingus:

Aktienanleger wollen per Klage ...

 
14.03.02 12:14
Aktienanleger wollen per Klage aus der Schuldenfalle entkommen

Hinter jeder Geschichte verbergen sich Aufstieg und Fall einer Zockerkarriere: Ein Zivildienstleistender, der für Aktienspekulationen mehr als 100.000 Euro an Kredit aufnahm und fast alles davon verlor. Ein Anleger, der zwar kein geregeltes Einkommen hat, aber für seine Aktiengeschäfte vom Onlinebroker zwei Millionen Euro Kredit bekam. Ein Sozialhilfeempfänger, der eine Million Euro aus seinen missglückten Spekulationen auf Pump zurückzahlen soll.

Für den Gießener Rechtsanwalt Claus Schmidt ist das der Stoff, aus dem erfolgreiche Anlegerprozesse gemacht sind. “Die Anleger wurden von den Online-Brokern nicht über die Risiken von Wertpapierkrediten aufgeklärt”, sagt der Jurist, der vor dem Landgericht Nürnberg den Online-Broker Consors wegen Beratungsfehlern verklagen will.

Großzügige Kreditvergabe mit Folgen

In der Tat ist es erstaunlich, welche Freizügigkeit die Online-Broker bei der Kreditvergabe an den Tag legen. Für die Anbieter sind hingegen Kredite in sechs-oder gar siebenstelliger Höhe durchaus keine Seltenheit. “Es kommt nur darauf an, ob genügend Wertpapiere als Sicherheit zur Verfügung stehen”, sagt ein Sprecher der Comdirect-Bank. Üblicherweise werden Aktiendepots zu rund 50 Prozent beliehen. Das bedeutet: Wenn sich Aktien im Wert von 100.000 Euro im Depot befinden, erhält der Anleger bis zu 50.000 Euro als Wertpapierkredit. Daraus ergibt sich eine regelrechte Hebelwirkungen - sowohl für die Gewinne als auch für die Verluste.

Wird die Beleihungsgrenze unterschritten, hat der Anleger oft keine Chance, eine Kurserholung abzuwarten - es sei denn, er kann neues Eigenkapital oder zusätzliche Kreditsicherheiten zur Verfügung stellen. Ist dies nicht der Fall, trudelt schon bald ein Mahnbrief des Brokers ein. Wird das Konto nach Ablauf der meist zwei- bis vierwöchigen Mahnfrist nicht ausgeglichen, erfolgt die Zwangsliquidierung. Nach eigenen Angaben hat Comdirect im vergangenen Jahr in 500 Fällen zu dieser Maßnahme gegriffen, bei Consors schweigt man sich zur Anzahl der Liquidationen aus. Die Bank verkauft die Aktien zum aktuellen Tageskurs, um den Kredit zu tilgen. Bleiben Restschulden übrig, müssen diese vom Kunden abgestottert werden.

Broker weisen auf Eigenverantwortung der Anleger

Auf dieses Risiko hat Consors nach Schmidts Ansicht nur unzureichend hingewiesen. Der Online-Broker pocht hingegen auf die Eigenverantwortung seiner Kunden. “Wir haben keine Beratungspflicht bei Wertpapiergeschäften”, sagt Stefan Lochow, Leiter der Consors-Rechtsabteilung. Wer bei Consors ein Depot eröffne, werde ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass er die Konsequenzen seiner Entscheidungen selbst tragen müsse. Diesen Passus will Anwalt Schmidt jedoch nur für reine Kauf- und Verkauforders gelten lassen. “Ich sehe bei der Kreditaufnahme eine Beratungspflicht des Brokers, weil es sich hier nicht um ein reine Auftragsausführung, sondern um eine prüfungs- und beratungsbedürftige Finanzdienstleistung handelt.”

Auch Rechtsanwalt Andreas W. Tilp aus Kirchentellinsfurt bei Tübingen vertritt die Interessen von überschuldeten Broker-Kunden. Für ihn stellt sich die Frage, ob die meist zu Billigkonditionen unters Volk gebrachten Aktienkredite überhaupt rechtswirksam sind. “Ich halte die billigen Aktienkredite für eine sittenwidrige Verleitung zur Spekulation”, sagt der Kapitalanlagerechtler. Er sieht mit der lockeren Kreditvergabe die Schutzbedürftigkeit des Anlegers verletzt, der in aller Regel die Konsequenzen nicht im gleichen Maß wie die Bank einschätzen kann. “Da frage ich mich schon, ob eine Bank den Anleger so ins Messer laufen lassen darf.”

Freizügigkeit mit System

Ob sich auch die Richter von diesen Argumenten überzeugen lassen, ist noch völlig offen. Einschlägige Vorschriften im Wertpapierhandelsgesetz sind nur vage formuliert, und Präzedenzfälle gab es bislang noch nicht. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Richter auch ein mögliches Mitverschulden des Anlegers in Betracht ziehen. So mancher Aktienzocker dürfte ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen, wenn er die kreditgebende Bank für seine hemmungslosen Fehlspekulationen in die Verantwortung ziehen will. Auf der anderen Seite dürfte sich die großzügige Beleihung der Aktiendepots als Minuspunkt für die Banken auswirken. So zieht auch heute noch die Comdirect-Bank für Aktien am Neuen Markt die Kreditgrenze bei 50 Prozent des aktuellen Kurswertes. “An dieser Praxis hat der Crash am Neuen Markt nichts geändert”, sagt der Comdirect-Sprecher.

Für Schmidt hat die Freizügigkeit bei der Kreditvergabe System. “Mir sind Fälle bekannt, bei denen Consors-Kunden Aktien auf Kredit kaufen konnten, obwohl es überhaupt keinen Kreditvertrag gab”, sagt der Jurist. Mit Aktiengeschäften auf Pump habe Consors die Zahl der provisionsbringenden Orders künstlich nach oben geschraubt, so Schmidt. Aber nicht nur Consors hätte im Fall eines anlegerfreundlichen Gerichtsurteils angesichts eines aktuellen Aktienkreditvolumens von rund 300 Millionen Euro ein Haftungsproblem. Auch Comdirect und die Direkt Anlage Bank haben Wertpapierkredite in dreistelliger Millionenhöhe in ihren Büchern stehen. Doch ungeachtet dessen, wie die Richter entscheiden: Anleger sollten allein schon angesichts der horrenden Risiken kreditfinanzierte Aktiengeschäfte lieber meiden.
Connie Lingus:

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14.03.02 12:26
wegen der Consors- Werbung hier im Board?
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