ftd.de, Do, 13.9.2001, 9:55, aktualisiert: Do, 13.9.2001, 11:35
US-Anschläge: Zwei Terroristen studierten in Deutschland
Bei der Suche nach den Tätern der Anschläge in den USA führt eine Spur nach Deutschland. Zwei der Terroristen waren als Studenten in Hamburg registriert.
Das FBI identifizierte nach Angaben des Nachrichtensenders CNN zwölf bis 24 Männer, die am Dienstag die vier Passagiermaschinen entführten und zu ihren Kamikaze-Flügen zwangen. Insgesamt kennen die Fahnder bereits die Identität von 50 Tätern und Mittätern, berichtete die Zeitung "Los Angeles Times" am Donnerstag. Die Ermittler seien "zuversichtlich", dass die Spur zu dem saudischen Terroristenführer Osama bin Laden führe.
27 der Verdächtigen hätten Pilotenausbildungen gehabt, schrieb die Zeitung. Sie seien in vier unabhängig voneinander operierenden Gruppen organisiert vorgegangen. Die Attentäter, etwa drei bis sechs in jedem der vier gekaperten Flugzeuge, hätten alle Pässe aus Ländern des Nahen Ostens gehabt. Nach Angaben von Justizminister John Ashcroft seien die Täter mit Messer und Teppichmessern bewaffnet gewesen und hätten auch mit Bomben gedroht.
In der Maschine, die nahe Pittsburgh abstürzte, war es offenbar zu Kämpfen zwischen den Passagieren und den Entführern gekommen. Das geht aus der Auswertung des Voice-Recorders vor, der am Mittwoch gefunden worden war.
In Autos und Wohnungen, die am Mittwoch an der amerikanischen Ostküste durchsucht wurden, seien Abschiedsbriefe einiger Attentäter an ihre Eltern gefunden worden.
Zwei der Terroristen, die mit Flugzeugen in die Türme des World Trade Centers rasten, lebten zeitweise in Hamburg. Sie waren in der Hansestadt gemeldet, teilte Innensenator Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag mit. Die beiden Verdächtigen stammen laut Melderegister aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Die Hamburger Behörden waren am Dienstagabend über das Bundeskriminalamt vom amerikanischen FBI alarmiert worden. Danach waren der 33-jährige Mohammed Atta, der als Passagier des Fluges der American Airlines AA 11 identifiziert wurde, sowie der 23-jährige Marwan Al-Schehi, der an Bord der Fluges AA 175 gewesen sein soll, aus Deutschland eingereist waren. Nach den Meldeunterlagen hielten sich beide legal in Hamburg auf, wohnten in Stadtteil Harburg und waren an der dortigen Technischen Universität eingeschrieben.
Bei der Überprüfung von acht Wohnungen, von denen vier durchsucht worden seien, wurde keiner der Verdächtigen mehr angetroffen. Eine Frau sei als Zeugin mit aufs Polizeipräsidium genommen worden, sagte Scholz. Es gebe weiter keinerlei Hinweise, dass Deutschland, insbesondere Hamburg einer Gefährdung ausgesetzt seien, betonte der Senator.
Bin Laden nicht unter Hausarrest
Die afghanische Taliban-Bewegung wies am Donnerstag Berichte zurück, der saudi-arabische Millionär Osama Bin Laden sei unter Hausarrest gestellt worden. Eine islamische Nachrichtenagentur wiederholte eine Stellungnahme der Taliban-Regierung, nach der Bin Laden nichts mit den Anschlägen in New York und Washington zu tun habe. Bin Laden hält sich vermutlich seit Jahren in Afghanistan auf. Der Westen verdächtigt ihn, bereits mehrere Anschläge auf US-Einrichtungen organisiert zu haben.
Die Diplomaten, die sich zur Unterstützung der acht inhaftierten Mitarbeiter der Hilfsorganisation "Shelter Now" in Afghanistan aufhalten, verlassen das Land am Donnerstag. Dies teilte das australische Außenministerium mit. Zuvor würden die Diplomaten jedoch noch einen islamischen Gelehrten als Verteidiger der Mitarbeiter der christlichen Hilfsorganisation ernennen, sagte eine Sprecherin des Ministeriums. Vier der Entwicklungshelfer stammen aus Deutschland, zwei aus Australien und zwei aus den USA. Sie sind wegen christlicher Missionstätigkeit angeklagt. Die meisten Ausländer haben das Land inzwischen aus Furcht vor einem militärischen Schlag der USA verlassen.
Die Vereinten Nationen schlossen am Donnerstag die Evakuierung ihrer internationalen Mitarbeiter aus Afghanistan ab. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) zog die meisten seiner Mitarbeiter ab.
Auch arabische Extremisten in Afghanistan haben nach Presse-Berichten ihre Lager geräumt, weil sie Vergeltungsangriffe der USA befürchten.
Übergriffe auf Muslime in USA
In den USA sind zahlreiche Amerikaner arabischer Abstammung Opfer von Attacken geworden. In Moscheen und Läden wurden Fenster eingeschlagen und Todesdrohungen hinterlassen, islamische Zentren wurden mit hasserfüllter Graffiti beschmiert, berichteten US-Zeitungen am Donnerstag.
© 2001 Financial Times Deutschland