Kolumne: Starker Dollar - Ende eines Geschäftsmodells
Von Lucas Zeise
Offiziell wird John Snow erst am Dienstag kommender Woche als neuer US-Finanzminister vom Kongress bestätigt und ins Amt eingeführt. So lange still halten wollte er aber nicht.
Noch bevor er die Würde des Amtes wirklich tragen darf, hat Snow bereits Politik durch Abstinenz betrieben und einen Eckpfeiler der amerikanischen Wirtschaftspolitik unter Paul O’Neill und dessen Vorgängern entfernt: die Politik des starken Dollar.
Man erinnere sich: Der alte Finanzminister hatte dem Publikum und dem Devisenmarkt versprochen, das New Yorker Yankee-Stadion zu mieten, falls er eines Tages das Ende der Politik des starken Dollar verkünden wolle. Dieses Ende ist jetzt, ganz ohne Ankündigung, vollzogen worden. Seit O’Neills forciertem Abgang hat der Dollar, gemessen am Euro mehr als sieben Prozent an Wert verloren.
Die Devisenhändler haben die Regierung in Washington über Wochen hinweg mit immer niedrigeren Dollar-Kursen getestet - und Washington schweigt. Statt seiner Währung verbal stützend unter die Arme zu greifen, bringt Präsident Bush ein langfristiges Steuersenkungsprogramm für die Begüterten auf den Weg, und sein Kriegsminister Donald Rumsfeld verlegt US-Truppen an den Golf. Beide Schritte wurden am Devisenmarkt mit neuen Dollar-Tiefs quittiert.
Es ist nur rational, dass die Regierung einen abwertenden Dollar zulässt. Die Politik des starken Dollar hat ihre Schuldigkeit getan. Sie passte zu einer anderen Zeit - und zu einem anderen Geschäftsmodell.
Traum vom doppelten Wunder
Erstaunlich ist nicht, dass der Dollar jetzt unter Druck gekommen ist. Erstaunlich ist, dass dies nicht schon geschah, als die heiße Luft aus den Aktienmärkten Amerikas und Europas pfeifend entwich. Auch bei Investoren und Regierungen sterben Illusionen offenbar nur langsam. Niemand verabschiedet sich gern von Vorstellungen, die seine Fantasie einst so richtig angeregt haben. Die Anleger wollten es zunächst ebenso wenig wahrhaben wie die Regierung der USA, dass ihr gemeinsamer Traum vom doppelten Mirakel schon im Jahr 2000 ausgeträumt war. Es war das Wunder ungebremsten ökonomischen Wachstums, das wie eine Münze ein doppeltes Gesicht trug. Auf einer Seite war das Wort "Aktie" aufgeprägt. Auf der anderen Seite "Amerika". Die Münze selbst war der Dollar.
Ebenso wie zunächst alle Beteiligten von steigenden Aktienkursen zu profitieren scheinen, schien die ganze Weltgesellschaft von einem festen Dollar nur Vorteile zu haben. Die US-Nachfrage nach Gütern hielt die Wirtschaft auf dem Globus in Schwung, und zugleich ermöglichte der Zufluss von Spargroschen aus aller Herren Ländern den USA hohe Investitionen und ein freundliches Konsumklima - und das bei kaum steigenden Preisen. Dieses weltweite Geschäftsmodell funktionierte, weil scheinbar dauerhaft steigende Gewinne bei den US-Unternehmen die Folge waren. Nachdem die Gewinnsteigerungen sich aber als Illusion erwiesen hatten, blieben die Finanzierungsexzesse übrig. Das Resultat ist eine enorm hohe Verschuldung der privaten Haushalte, der Unternehmen und seit Präsident Bushs neu entdeckter Freigebigkeit auch die des Staates. Sofern die ausländischen Anleger Fabriken bauten, US-Unternehmen teuer einkauften oder in Aktien an der Börse investierten, wurde damit wenigstens die horrende Auslandsverschuldung der USA nicht weiter aufgebläht. Jetzt aber, da vorwiegend in Zinspapiere investiert wird, weitet sich die Gesamtverschuldung der USA noch stärker aus.
Schuldenabbau und Gläubigerschutz
Die US-Zentralbank hat es mit ihrem drastischen Kurs des billigen Geldes geschafft, dass die Verschuldungsexzesse nicht zu Bankpleiten und zu einem Kollaps der Konsumnachfrage geführt haben. Was die Zinssenkungen der Fed aber ebenfalls bewirken sollten, ist bisher nicht eingetreten: neuer Schwung für die US-Wirtschaft.
Zwar blieb der Konsum bisher hoch, die Investitionen, der eigentliche Treiber jeder zügig wachsenden Wirtschaft und insbesondere des US-Geschäftsmodells in den 90er Jahren, bleiben aber verhalten. Angesichts der rapide aufgebauten Überkapazitäten im Boom bis 2001 scheint ein Wiederanspringen der Investitionsnachfrage zu alter Stärke gelinde gesagt unwahrscheinlich.
Was bleibt, ist die Dollar-Abwertung. Sie ist, nach den Zinssenkungen und dem massiven Schwenk des US-Staatshaushaltes vom Überschuss in die Defizitposition, das einzige verbleibende Mittel, um die Deflation und ihre hässliche Zwillingsschwester, die Depression von Amerika fern zu halten. Das neue Geschäftsmodell heißt Schuldenabbau und es heißt Schutz vor den Gläubigern. Es gibt mehrere Möglichkeiten, Schulden zurückzuführen. Die schwierigere Form ist die Zurückzahlung. Die einfachere, aber auch drastischere, ist die Entwertung der Schulden. Gegenüber Inländern ist das am einfachsten durch Inflation zu erreichen, gegenüber Ausländern durch eine Abwertung der Währung.
Eine Inflation ist nicht so leicht zu haben. Mit niedrigen Notenbankzinsen und wachsenden Defiziten im Staatshaushalt schafft man lediglich Voraussetzungen dafür. Ein abwertender Dollar kann auch dabei hilfreich sein. Er ist jetzt US-Politik, und Asien und Europa werden die Suppe auslöffeln müssen. Sie haben lange genug vom Dollar-Geschäftsmodell gelebt und Deflation exportiert.
Von Lucas Zeise
Offiziell wird John Snow erst am Dienstag kommender Woche als neuer US-Finanzminister vom Kongress bestätigt und ins Amt eingeführt. So lange still halten wollte er aber nicht.
Noch bevor er die Würde des Amtes wirklich tragen darf, hat Snow bereits Politik durch Abstinenz betrieben und einen Eckpfeiler der amerikanischen Wirtschaftspolitik unter Paul O’Neill und dessen Vorgängern entfernt: die Politik des starken Dollar.
Man erinnere sich: Der alte Finanzminister hatte dem Publikum und dem Devisenmarkt versprochen, das New Yorker Yankee-Stadion zu mieten, falls er eines Tages das Ende der Politik des starken Dollar verkünden wolle. Dieses Ende ist jetzt, ganz ohne Ankündigung, vollzogen worden. Seit O’Neills forciertem Abgang hat der Dollar, gemessen am Euro mehr als sieben Prozent an Wert verloren.
Die Devisenhändler haben die Regierung in Washington über Wochen hinweg mit immer niedrigeren Dollar-Kursen getestet - und Washington schweigt. Statt seiner Währung verbal stützend unter die Arme zu greifen, bringt Präsident Bush ein langfristiges Steuersenkungsprogramm für die Begüterten auf den Weg, und sein Kriegsminister Donald Rumsfeld verlegt US-Truppen an den Golf. Beide Schritte wurden am Devisenmarkt mit neuen Dollar-Tiefs quittiert.
Es ist nur rational, dass die Regierung einen abwertenden Dollar zulässt. Die Politik des starken Dollar hat ihre Schuldigkeit getan. Sie passte zu einer anderen Zeit - und zu einem anderen Geschäftsmodell.
Traum vom doppelten Wunder
Erstaunlich ist nicht, dass der Dollar jetzt unter Druck gekommen ist. Erstaunlich ist, dass dies nicht schon geschah, als die heiße Luft aus den Aktienmärkten Amerikas und Europas pfeifend entwich. Auch bei Investoren und Regierungen sterben Illusionen offenbar nur langsam. Niemand verabschiedet sich gern von Vorstellungen, die seine Fantasie einst so richtig angeregt haben. Die Anleger wollten es zunächst ebenso wenig wahrhaben wie die Regierung der USA, dass ihr gemeinsamer Traum vom doppelten Mirakel schon im Jahr 2000 ausgeträumt war. Es war das Wunder ungebremsten ökonomischen Wachstums, das wie eine Münze ein doppeltes Gesicht trug. Auf einer Seite war das Wort "Aktie" aufgeprägt. Auf der anderen Seite "Amerika". Die Münze selbst war der Dollar.
Ebenso wie zunächst alle Beteiligten von steigenden Aktienkursen zu profitieren scheinen, schien die ganze Weltgesellschaft von einem festen Dollar nur Vorteile zu haben. Die US-Nachfrage nach Gütern hielt die Wirtschaft auf dem Globus in Schwung, und zugleich ermöglichte der Zufluss von Spargroschen aus aller Herren Ländern den USA hohe Investitionen und ein freundliches Konsumklima - und das bei kaum steigenden Preisen. Dieses weltweite Geschäftsmodell funktionierte, weil scheinbar dauerhaft steigende Gewinne bei den US-Unternehmen die Folge waren. Nachdem die Gewinnsteigerungen sich aber als Illusion erwiesen hatten, blieben die Finanzierungsexzesse übrig. Das Resultat ist eine enorm hohe Verschuldung der privaten Haushalte, der Unternehmen und seit Präsident Bushs neu entdeckter Freigebigkeit auch die des Staates. Sofern die ausländischen Anleger Fabriken bauten, US-Unternehmen teuer einkauften oder in Aktien an der Börse investierten, wurde damit wenigstens die horrende Auslandsverschuldung der USA nicht weiter aufgebläht. Jetzt aber, da vorwiegend in Zinspapiere investiert wird, weitet sich die Gesamtverschuldung der USA noch stärker aus.
Schuldenabbau und Gläubigerschutz
Die US-Zentralbank hat es mit ihrem drastischen Kurs des billigen Geldes geschafft, dass die Verschuldungsexzesse nicht zu Bankpleiten und zu einem Kollaps der Konsumnachfrage geführt haben. Was die Zinssenkungen der Fed aber ebenfalls bewirken sollten, ist bisher nicht eingetreten: neuer Schwung für die US-Wirtschaft.
Zwar blieb der Konsum bisher hoch, die Investitionen, der eigentliche Treiber jeder zügig wachsenden Wirtschaft und insbesondere des US-Geschäftsmodells in den 90er Jahren, bleiben aber verhalten. Angesichts der rapide aufgebauten Überkapazitäten im Boom bis 2001 scheint ein Wiederanspringen der Investitionsnachfrage zu alter Stärke gelinde gesagt unwahrscheinlich.
Was bleibt, ist die Dollar-Abwertung. Sie ist, nach den Zinssenkungen und dem massiven Schwenk des US-Staatshaushaltes vom Überschuss in die Defizitposition, das einzige verbleibende Mittel, um die Deflation und ihre hässliche Zwillingsschwester, die Depression von Amerika fern zu halten. Das neue Geschäftsmodell heißt Schuldenabbau und es heißt Schutz vor den Gläubigern. Es gibt mehrere Möglichkeiten, Schulden zurückzuführen. Die schwierigere Form ist die Zurückzahlung. Die einfachere, aber auch drastischere, ist die Entwertung der Schulden. Gegenüber Inländern ist das am einfachsten durch Inflation zu erreichen, gegenüber Ausländern durch eine Abwertung der Währung.
Eine Inflation ist nicht so leicht zu haben. Mit niedrigen Notenbankzinsen und wachsenden Defiziten im Staatshaushalt schafft man lediglich Voraussetzungen dafür. Ein abwertender Dollar kann auch dabei hilfreich sein. Er ist jetzt US-Politik, und Asien und Europa werden die Suppe auslöffeln müssen. Sie haben lange genug vom Dollar-Geschäftsmodell gelebt und Deflation exportiert.