Rot-Grün denkt laut über Änderungen beim Kündigungsschutz nach
Berlin - Führende Vertreter der Regierungsfraktionen haben neue Überlegungen zur Reform des Kündigungsschutzes präsentiert. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit, Rainer Wend (SPD), sagte, die bisherige Sozialauswahl beim Kündigungsschutz solle durch gesetzlich festgelegte Abfindungen ersetzt werden. Ziel dieser Reform sei, dass Unternehmen in Krisensituationen ihre leistungsstarken Kräfte besser halten können. Zudem könne die Einstellungsbarriere gegenüber älteren Mitarbeitern gesenkt werden.
Die Grünen begrüßten Wends Vorschlag. Grünen-Arbeitsmarktexpertin Thea Dückert forderte eine „intelligente Verknüpfung“ von Sozialkriterien und Abfindungsregeln. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) dementierte unterdessen, dass es Pläne für eine Abschaffung der Sozialauswahl gebe.
Nach dem geltenden Kündigungsschutzgesetz ist der Arbeitgeber bei betriebsbedingten Kündigungen zu einer „Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten“ verpflichtet. Damit wird er gezwungen, die Kündigung von Mitarbeitern ausschließlich an der sozialen Schutzbedürftigkeit und nicht an der Leistungsstärke von Mitarbeitern zu orientieren. Als Auswahlkriterien gelten dabei das Alter des Mitarbeiters, die Dauer der Betriebszugehörigkeit und die Zahl der Unterhaltspflichtigen. Weitere Kriterien sind seit 1998 die Nebeneinkünfte, das Einkommen des Ehegatten, Schulden und deren Gründe, der Gesundheitszustand und die Arbeitsmarktchancen des Mitarbeiters. Dabei lässt das Gesetz offen, wie stark die einzelnen Kriterien zu gewichten sind.
Nach Ansicht von Roland Wolf, Leiter der Abteilung Arbeitsrecht bei den Arbeitgeberverbänden, ist die Abschaffung der Sozialauswahl zu Gunsten von Abfindungszahlungen „juristisch möglich“. Wolf: „Das Grundgesetz steht nicht dagegen.“ Der Arbeitsrechtler betont zwar, dass mit der Abschaffung der Sozialauswahl „die Tradition des Bestandsschutzes im Kündigungsschutz zurückgedrängt“ würde. Aber das Grundrecht auf Berufsfreiheit würde nicht angetastet. Wolf verwies darauf, dass in Deutschland der Bestandsschutz bei Kündigungen ausgeprägter sei als der Abfindungsschutz. „In Europa geht dagegen der Bestandsschutz tendenziell zurück, während Abfindungslösungen zunehmen.“
Der Arbeitsrechtler forderte, Abfindungslösungen in Deutschland zu vereinfachen. Zudem sollte der Kündigungsschutz nur in Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern gelten. Außerdem sollten Beschäftigte erst nach drei Jahren – und nicht wie bisher nach sechs Monaten – Kündigungsschutz haben.