Von Matthias Streitz
Die Initiative ist beispiellos in der jüngeren US-Geschichte: In einer Zeitungsanzeige verurteilen über 400 Ökonomen George W. Bushs Steuerpläne als schädlich und sozial ungerecht. Die Republikaner hofften, wenigstens Notenbanker Alan Greenspan würde den Nobelpreisträgern wiedersprechen - doch sie hofften vergebens.
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Allerdings war es kein vermeintlicher Schurkenstaat, gegen den der nobelpreisprämierte Ökonom polemisierte - sondern die eigene Bundesregierung in Washington. Sie müht sich derzeit, ein Paket mit gigantischen Steuergeschenken durch den Kongress zu lotsen. Und dieses Bündel, so McFadden, sei eben "eine Massenvernichtungswaffe, die auf die Mittelklasse zielt" und die Reichen bereichere.
Wochen der Entscheidung
McFadden hat sich - um im Bild zu bleiben - in die Front der Wirtschaftswissenschaftler eingereiht, die George W. Bushs seit Monaten wichtigste innenpolitische Initiative als verheerende Klientelpolitik verdammen. Über 400 Ökonomen, darunter neun weitere Nobelpreisträger, haben eine Protestnote unterzeichnet, die am Dienstag in der "New York Times" erschienen ist - eine ganze Anzeigenseite war nötig, um die Namen von Henry Aaron bis John Zysman zu fassen. Zu den bekanntesten Unterzeichnern zählen Paul Samuelson (MIT), George Akerlof (UCA Berkeley) und der Globalisierungskritiker Joseph Stiglitz (Columbia). Finanziert wurde die Anzeige vom regierungskritischen Economic Policy Institute.
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"Das ist ein lächerliches Programm"
Bush seinerseits hat es im Wortkrieg der Ökonomen verstanden, Prominenz auf seine Seite zu ziehen. So begrüßte der Guru des Monetarismus, Milton Friedman, das Bush-Paket in einem Gastkommentar im "Wall Street Journal": Der Regierungsapparat werde mangels Finanzen zwangsläufig schrumpfen, freute sich der Emeritus. Andere Wirtschaftswissenschaftler wie Martin Feldstein priesen Bushs Vorhaben, die Besteuerung der meisten Dividenden gänzlich abzuschaffen. Diese Erleichterung, so der Harvard-Professor, werde die Lust am Investieren wiederbeleben, Aktienkurse heben.
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Der Staat lähmt sich selbst
Für Joseph Stiglitz ist der Plan schlicht "fiskalischer Wahnsinn, eine fiskalische Unverantwortlichkeit". Die Initiative komme zur Unzeit, argumentieren auch die anderen Unterzeichner - sie werde die "chronischen Defizite" verbreitern, dem Staat die Möglichkeit nehmen, allgemeinnützige Programme von Medicare bis hin zum Bau von Infrastruktur und Schulen zu finanzieren. Sinnvoller sei ein Stimulierungspaket, das gezielter mittlere Unternehmen begünstige - und den Staat weniger tief in die Verschuldung stürze.
Bis zum Dienstagmorgen amerikanischer Zeit konnte die US-Regierung noch hoffen, dass sich ein Mann der akademischen Phalanx entgegenstellen würde, der mehr Macht ausübt als 400 Universitätsprofessoren: Bei seinem halbjährlichen Auftritt vor dem Senat würde Notenbankchef Alan Greenspan dem Präsidenten-Plan applaudieren, weissagte nicht nur die "Washington Post".
Greenspans hoch diplomatische Abfuhr
Ganz unlogisch schien das nicht: Der oberste Zinspolitiker gilt schon lange als Gegner der Dividenden-Besteuerung. Und auch als Bushs erstes Steuerpaket 2001 den Kongress passierte, fand sich der Fed-Chef in den Reihen der Befürworter. Seitdem allerdings hat sich einiges geändert: Vor zwei Jahren rechnete Greenspan für die kommende Dekade noch mit einen föderalen Budget-Überschuss von 5,6 Billionen Dollar. Ihn gelte es durch Steuersenkungen zum Wohle der Wirtschaft abzuschmelzen, forderte er damals.
Das Billionen-Plus im Etat freilich hat es nie gegeben, statt dessen Arbeitslosenquoten auf historischem Niveau und den größten Börsencrash seit Jahrzehnten. Hinzu kommt: Auch Greenspan hat sich wiederholt gegen Staatsdefizite ausgesprochen. Hätte er im Senat Partei für den Steuerplan ergriffen - er hätte sich ein massives Glaubwürdigkeitsproblem eingehandelt.
Und so agierte Greenspan wie gewohnt: diplomatisch, vorsichtig, teils vieldeutig bis zur Unverständlichkeit. Bushs Steuerpläne erwähnte er mit keinen Wort. Was er von ihnen hält, das ließ er dennoch an zwei Stellen durchscheinen: Die US-Wirtschaft benötige keine weiteren Stimuli, weder durch die Notenbank noch durch den Kongress, sagte er. Und: Jetzt sei die Zeit gekommen für fiskalische Disziplin.