Und grad noch aus dem Nemax50 geflogen...
Brokat droht Zerschlagung
Die Lage beim Softwarehaus Brokat ist dramatisch. Finden die Spezialisten für elektronisches Bezahlen keinen Investor, droht ihnen das baldige Aus. Experten halten nur die Mobiltechnologie für interessant.
BRIGITTE BERTRAM, THOMAS NONNAST
HANDELSBLATT, 7.8.2001
STUTTGART/FRANKFURT. Verzweifelt sucht das Management des Spezialsoftwareherstellers Brokat AG nach Investoren. Ziel sei es, „neue Liquidität zu bekommen“, beschreibt ein Brokatsprecher die Lage. Findet der Softwarehersteller für Online-Banking und Lösungen für das Bezahlen im Internet keinen Kapitalgeber, droht dem am Neuen Markt notierten Unternehmen möglicherweise bereits im Herbst der Gang zum Insolvenzverwalter. „Vorsorglich“, so spotteten Marktteilnehmer, wurde der mit Insolvenzen erfahrene Manager Dirk Pfeil als Sanierer in den Aufsichtsrat berufen.
Dabei galten die Produkte der 1994 gegründeten Softwareschmiede lange Zeit als erste Wahl. Doch die zunehmende Sättigung des Marktes im Bereich Online-Banking und Wertpapierhandel sowie finanzstarke Konkurrenten wie Heyde machen Brokat zu schaffen. Die Flaute im für Softwarefirmen wichtigen Lizenzgeschäft mit neuen Programmpaketen schlägt auf das Ergebnis. Trotz weltweit über 2000 Kunden aus der Banken- und Finanzwirtschaft hat Brokat im ersten Halbjahr mit 70 Mill. Euro weit weniger umgesetzt als erwartet. Zudem hat Brokat auf dem Höhepunkt des Internetbooms im vergangen Jahr die US-Unternehmen Blaze Software und GemStone Systems übernommen. Auf Grund von jetzt fälligen Abschreibungen auf die Zukäufe steht ein Verlust von 900 Mill. Euro in den Büchern.
Die Aussicht auf den Erhalt von Brokat als einheitlichem Unternehmen werden geringer. Denn ein Teil der Produkte haben nach Einschätzung von Experten wenig Chancen im Markt noch erfolgreich zu sein. „Der Bereich Finanzanwendungen, der Programme für den Kauf und Verkauf von Wertpapieren umfasst, ist in Deutschland fast vollständig zum Erliegen gekommen“, sagt Helmut Bartsch von der BW-Bank. Auch Thomas Friedrich von der Hypovereinsbank erwartet in dieser Sparte keine großen Umsatzvolumen mehr: „Die großen Banken sind ausgerüstet. Bedarf haben nur noch Nachzügler oder Banken, die modernisieren müssen“, urteilt Friedrich. Noch größte Probleme macht den Stuttgartern ihr ursprüngliches Kernprodukt, die Software-Plattform „Twister“, das als eine Art „Betriebssystem“ für E-Business-Anwendungen. Diese Plattform ist zwar in den vergangen Monaten zu einem sogenannten „Application Server“ aufgemöbelt und in „Brokat Server Technologies“ umbenannt worden. Doch halten E-Business-Experten das Produkt für „überladen“. „Brokat hat versucht, den Twister für mehr Geschäftsprozesse als nur Bezahlvorgänge auszubauen“, sagt ein Projektleiter eines E-Commerce-Anbieters. Doch gebe es in diesem Bereich bereits ausreichend Produkte von Konkurrenten wie zum Beispiel Broadvision. Auch in anderen Bereichen hat Brokat mächtige neue Konkurrenz bekommen. „Allein IBM und Bea Systems, decken mehr als 60 % des Marktes ab“, sagt Bartsch. Oracle und auch Microsoft drängen ebenfalls in diesen Markt.
Derzeit hat Brokat nur zwei attraktive Produkte. Der Brokat Advisor sowie das mobile Zahlungssystem, dem Analysten Weltniveau einräumen.
So ist es hauptsächlich diese Technologie auf diese potenzielle Investoren abgesehen haben. Neben dem Mobilfunkbetreiber Vodafone ist Marktgerüchten zufolge auch der französische Hersteller von Smartcards Gemplus an Brokat interessiert. Analyst Friedrich jedoch sieht in Brokat derzeit keinen „attraktiven Übernahmekandidaten“. Brokat gilt mit einem Börsenwert von 100 Mill. Euro als teuer. Nicht zuletzt wegen Unternehmensanleihe von 125 Mill. Euro, die bei einer Übernahme fällig würde. Allerdings stehen in den Brokat-Büchern aufgelaufene Verlustvorträge von knapp 1,1 Mrd. Euro. Ein Käufer könnte sie sofort nutzen und damit viele hundert Mill. Euro Steuern sparen. Bei einer Zerschlagung allerdings würden sie verloren gehen.